Nicht für die Öffentlichkeit
Von Philip Tassev
Der CDU-Chef und wahrscheinlich künftige Kanzler der BRD, Friedrich Merz, hat mit seinen jüngsten Äußerungen der schon totgeglaubten Debatte um die mögliche Lieferung von Marschflugkörpern vom Typ »Taurus« an die ukrainischen Streitkräfte neues Leben eingehaucht. Am Sonntag abend hatte er in der ARD erklärt, die ukrainische Armee müsse aus der Defensive kommen, und seine prinzipielle Bereitschaft zur Weitergabe des Waffensystems an Kiew verkündet – allerdings nur in Abstimmung mit den »europäischen Partnern«.
Zuspruch gab es dafür von diversen NATO-Außenministern und der EU-Außenbeauftragten Kaja Kallas. Auch Unionsfraktionsvize Johann Wadephul, der für den Posten des Außenministers im Gespräch ist, stellte sich am Montag hinter März. Am Dienstag legte der Oberstleutnant der Reserve nach: Merz’ Bereitschaft, »den ›Taurus‹ auch als Hebel für eine Politikänderung durch Russland einzusetzen«, sei ein »wichtiges Signal«. In Richtung des künftigen Koalitionspartners sagte er der Mediengruppe Bayern, »auch« die SPD wisse, »dass man mit Putin anders umgehen muss«. Er glaube nicht, so Wadephul weiter, »dass die SPD-Zustimmung ein ›Knackpunkt ist‹« und kündigte an, mit den Sozialdemokraten zu einer »gemeinsamen Position und Entscheidung« zu kommen, »die dann auch von allen getragen wird«.
Dort zeigte man sich am Mittwoch allerdings noch zögerlich. So sagte der SPD-Abgeordnete Ralf Stegner, Mitglied der »Parlamentarischen Linken«, dem Tagesspiegel, »die öffentliche Erörterung solcher Fragen wie des Einsatzes einzelner Waffensysteme war, ist und bleibt unvernünftig«. Außerdem sollten die Anstrengungen, den Krieg in der Ukraine so bald wie möglich zu beenden und zu einem tragfähigen Friedensschluss zu kommen, erste Priorität haben. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) erklärte am Rande einer Konferenz seiner Partei in Hannover, für die Lieferung von »Taurus« gebe es zwar gute Argumente, aber auch »viele Argumente, gute Argumente dagegen«. Nur einen Teil davon könne man öffentlich diskutieren. Ob Pistorius sich damit auf die auch vom scheidenden Kanzler Olaf Scholz vorgebrachten Bedenken bezog, wonach Bundeswehr-Soldaten die ukrainische Armee bei der Zielprogrammierung des »Taurus« unterstützen müssten – was als direkte Kriegsbeteiligung gewertet werden könnte –, führte er nicht weiter aus.
Zu der Aussage von Merz, die Marschflugkörper nur in Abstimmung mit den »europäischen Partnern« an die Ukraine zu übergeben, sagte Pistorius, er kenne »keinen europäischen Partner mit so einem System. Von daher ist die Abstimmung so eine Sache.« Briten und Franzosen liefern bereits Cruise Missiles vom Typ »Shadow Storm« bzw. »Scalp« an Kiew. In einem von russischen Geheimdiensten abgehörten Gespräch zwischen Bundeswehr-Offizieren Anfang 2024 wurde erwähnt, dass neben den USA auch »die Engländer« ein »paar Leute vor Ort« hätten, die das ukrainische Militär beim Beladen ihrer Kampfjets mit den britischen und französischen Marschflugkörpern unterstützen. Diese Waffensysteme haben allerdings eine geringere Reichweite als »Taurus« und gelten als weniger präzise. Scholz hatte damals erklärt: »Was an Zielsteuerung und an Begleitung der Zielsteuerung von seiten der Briten und Franzosen gemacht wird, kann in Deutschland nicht gemacht werden.«
Der Kovorsitzende der Linkspartei, Jan van Aken, beklagte am Dienstag in einem Statement, Merz würde »wieder nur über ›Taurus‹ sprechen«. Der CDU-Chef solle statt dessen »mehr über Diplomatie nachdenken und China an Bord holen«. Olexij Makejew, ukrainischer Botschafter in Berlin, hat für solche Diplomatie bekanntlich wenig Sinn. In einem am Dienstag veröffentlichten Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland bezeichnete er Befürchtungen, dass die Lieferung bestimmter Waffensysteme an Kiew zur Eskalation des Konflikts führen könnte, als »russische Propaganda«. Makejew versuchte zudem, der BRD erneut den NATO-Beitritt seines Landes schmackhaft zu machen: Die Ukraine habe »heute die stärkste Armee in Europa« – fast eine Million Soldaten, »die ganz genau wissen, wie man gegen die Russen kämpft« und die dieses Wissen gerne an die Bundeswehr weitergeben würden, denn »kein deutscher Soldat hat die Erfahrungen, die wir haben«.
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