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Aus: Ausgabe vom 17.04.2025, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Neokolonialismus in Argentinien

Mileis Deal stürzt den Peso

20 Milliarden US-Dollar überweist der IWF an Argentinien. Das Land lockert im Gegenzug Devisenkontrollen
Von Frederic Schnatterer
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Tausende demonstrieren gegen Mileis libertäre Reformen (Buenos Aires, 14.4.2025)

Zwölf Milliarden US-US-Dollar überwies der Internationale Währungsfonds (IWF) am Dienstag (Ortszeit) an Argentinien – zur freien Verfügung. Weitere acht Milliarden sollen folgen, davon drei noch im Laufe dieses Jahres. Im Gegenzug lockerte die argentinische Regierung des Ultralibertären Javier Milei die bisher geltenden strengen Devisenkontrollen. Zu Beginn der Woche stürzte die Landeswährung Peso um rund zwölf Prozent ab.

Der befürchtete Run auf den US-US-Dollar blieb zu Beginn der Woche allerdings noch aus. Im sogenannten Cepo (die Falle) war zuvor festgelegt, dass eine Privatperson in dem südamerikanischen Land nur 200 US-Dollar im Monat umtauschen konnte. Seit Montag ist das unbegrenzt möglich. Anstatt eines festgelegten US-Dollarkurses wird der Kurs künftig relativ frei bestimmt; allerdings innerhalb einer Spannweite von 1.000 bis 1.400 Pesos pro US-Dollar. Diese Bandbreite soll monatlich um ein Prozent erweitert werden. Auch die Kapitalverkehrskontrolle für Unternehmen lockerte die Milei-Regierung. Ab dem Geschäftsjahr 2025 dürfen diese Dividenden aus Peso-Beständen in US-Dollar umtauschen und an ausländische Aktionäre überweisen.

Vergangenen Freitag hatte die Milei-Regierung das erneute Abkommen mit dem IWF bekanntgegeben. Wirtschaftsminister Luis Caputo feierte im Anschluss: »Es gibt keinen Präzedenzfall für eine so große Auszahlung.« IWF-Chefin Kristalina Georgiewa erklärte im Kurznachrichtendienst X, die Kreditvergabe sei »in Anerkennung des beeindruckenden Fortschritts in der Stabilisierung der Wirtschaft des Landes« durch die argentinische Regierung getroffen worden. »Es ist ein Vertrauensvotum für die Entschlossenheit der Regierung, Reformen voranzutreiben, Wachstum zu fördern und höhere Lebensstandards für das argentinische Volk zu erzielen.«

Schon zuvor war Argentinien der mit Abstand größte Schuldner beim IWF gewesen; mit mehr als 44 Milliarden US-Dollar steht Buenos Aires bei der Washingtoner Finanzinstitution in der Kreide. Hinzu kommen nun Finanzspritzen anderer internationaler Institutionen. So wird die Weltbank, die ebenfalls in Washington sitzt, der Milei-Regierung weitere zwölf Milliarden US-Dollar zur Verfügung steuern. Auch die Internationale Entwicklungsbank stellte in Aussicht, über einen Zeitraum von drei Jahren weitere Kredite im Wert von zehn Milliarden US-Dollar zuzubilligen.

Das Geld dürfte die argentinische Regierung vor allem dazu nutzen, ihre Schulden bei der Zentralbank zu verringern. Der großspurigen Ankündigung Mileis nach Bekanntgabe des Kreditabkommens, die Wirtschaft des Landes werde bald »wie nie zuvor« wachsen, ist also mindestens mit Vorsicht zu begegnen. Zunächst geht es darum, die Zahlungsunfähigkeit des Landes zu verhindern, wie auch Wirtschaftsminister Caputo erklärte. Der sprach von einer »Sanierung der Zentralbank«.

Mit dem Ende der Devisenkontrollen wächst in Argentinien die Sorge vor einem erneuten Anstieg der Inflationsrate. Bisher ist es der völlig überbewertete Peso gewesen, der die Inflation vergleichsweise niedrig gehalten hat. Allerdings stieg die Teuerungsrate bereits im März das erste Mal seit langem wieder über den symbolträchtigen Wert von drei Prozent. Das könnte auch Milei und sein gesamtes ultralibertäres Projekt teuer zu stehen kommen. Die Bekämpfung der Inflation war und ist der größte Trumpf der Regierung. Ende Oktober wird in Argentinien gewählt, bei diesen Wahlen wird die Hälfte der Sitze in Abgeordnetenhaus und Senat neu bestimmt. Zuletzt sinkende Umfragewerte deuteten darauf hin, dass ein Sieg Mileis und damit seine Mehrheit im Parlament keine Selbstläufer werden.

Hinzu kommt die Gefahr, dass die argentinische Regierung ins Kreuzfeuer zwischen Washington und China gerät. Am Montag kam US-Finanzminister Scott Bessent zur Stippvisite nach Buenos Aires. Während Milei sich von dem Besuch weitere Finanzzusagen erhoffte, hatte der Gesandte von US-Präsident Donald Trump Drohungen im Gepäck. So machte Bessent dem Trump-Untergebenen im Präsidentenpalast Casa Rosada mehr als deutlich, dass vorerst kein neues Geld zu erwarten sei – vor allem dann nicht, wenn Buenos Aires weiter so eng mit China zusammenarbeite wie bisher.

In erster Linie gehe es Bessent und der Trump-Administration dabei um das sogenannte Swap-Geschäft, wie der US-Finanzminister im Anschluss an das Treffen mit Milei im Interview mit der Nachrichtenagentur Bloomberg anmerkte. Erst vergangene Woche hatte Argentinien die Laufzeit des Reserventauschs mit der Zentralbank Chinas (Swap) um ein Jahr verlängert. Der Swap ermöglicht es Buenos Aires, seine Importe aus China direkt in Yuan abzuwickeln. So muss es nicht auf seine knappen US-Dollar-Reserven zurückgreifen. Insgesamt geht es dabei um 18 Milliarden US-Dollar, von denen Argentinien bisher fünf in Anspruch genommen hat.

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