Melnyks Einkaufszettel
Von Kristian Stemmler
Auch zu Ostern gab es Wortmeldungen in der Debatte über eine mögliche Lieferung von »Taurus«-Marschflugkörpern an die Ukraine. CSU-Chef Markus Söder stellte sich hinter den wahrscheinlich künftigen Bundeskanzler und CDU-Chef Friedrich Merz, der eine Woche zuvor seine prinzipielle Bereitschaft zur Lieferung der Waffe verkündet hatte. Die Entscheidung über diese Frage sei Sache des künftigen Kanzlers, erklärte Söder gegenüber der Augsburger Allgemeinen (Sonnabend). Damit widersprach er dem SPD-Kovorsitzenden Lars Klingbeil, der am Freitag betont hatte, in der künftigen »schwarz-roten« Koalition müsse über das Thema »im Konsens« entschieden werden.
Söder relativierte seine Zustimmung zur Lieferung der Raketen an die Ukraine. Zunächst brauche Deutschland »so viel ›Taurus‹ wie möglich für uns selbst«. Es sei »die beste Waffe, die wir haben«. Man merke, »dass auch die Russen davor Respekt haben«, so der CSU-Chef. Damit bezog er sich offenbar auf Äußerungen russischer Offizieller. So hatte die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Marija Sacharowa, am Donnerstag gewarnt, ein ukrainischer Angriff mit »Taurus«-Marschflugkörpern auf russische Ziele werde als »direkte Beteiligung« Deutschlands am Konflikt gewertet.
In die Debatte schaltete sich am Wochenende auch Andrij Melnyk ein, seines Zeichens früherer Botschafter der Ukraine in der BRD, der bereits in seiner Amtszeit mit nicht selten grotesk anmutenden Maximalforderungen an die Bundesregierung aufgefallen war. In einem offenen Brief, den die Welt am Sonntag publizierte, fordert Melnyk von Merz, dieser solle am Tag seiner Wahl zum Kanzler – dafür ist der 6. Mai vorgesehen – die sofortige Lieferung von 150 »Taurus«-Raketen an die Ukraine verkünden und dies zügig durchsetzen. Der CDU-Chef habe eine historische Chance, die BRD »zum wichtigsten Leuchtturm der freien demokratischen Welt zu machen«.
Für die Lieferung der Waffe brauche es keine Abstimmung mit den europäischen Partnern und keine Ultimaten an den russischen Präsidenten Wladimir Putin, konstatierte Melnyk, der sein Land künftig als Botschafter bei der UNO in New York vertreten soll. »Man sollte diese Infernowaffen einfach liefern, ohne Wenn und Aber, um den schleichenden Vormarsch der Russen zu stoppen und die heutige Kriegsdynamik im Kern zu verändern«, schrieb der Diplomat. Auf Melnyks »Einkaufszettel« stehen aber nicht nur »Taurus«: Er verlangte von der künftigen Bundesregierung zudem, der Ukraine auch noch 30 Prozent der verfügbaren deutschen Kampfjets und Hubschrauber aus den Beständen der Luftwaffe zu übergeben, darunter etwa 45 »Eurofighter« und 30 »Tornados«.
FDP-Chefbellizistin Marie-Agnes Strack-Zimmermann schlug in dieselbe Kerbe. Merz solle »keine Ankündigungen im Fernsehen machen, sondern, sobald er Kanzler ist, handeln«, forderte sie gegenüber der Rheinischen Post (Sonnabend). Der »Taurus« sei dazu da, um feindliche Angriffe auf Abstand zu halten und so das angegriffene Land zu schützen. Nur wenn Russland militärisch unter Druck gerate, werde es »am Verhandlungstisch einen Waffenstillstand und darauf aufbauend einen gerechten Frieden für die Ukraine geben können«, so Strack-Zimmermann.
Putin wolle keinen Frieden, dekretierte die FDP-Politikerin. Vielmehr hätten die russischen Angriffe auf die Ukraine seit Beginn der Gespräche zwischen Putin und US-Präsident Donald Trump enorm zugenommen. Die russischen Warnungen vor einer Lieferung der Marschflugkörper an die Ukraine sind für Strack-Zimmermann nicht weiter relevant. Die Reaktion Russlands auf eine mögliche »Taurus«-Lieferung sei »so alt wie alle Narrative, die von Moskau aus Richtung Deutschland gesendet werden«, sagte sie. Der scheidende Kanzler Olaf Scholz (SPD) lehnt eine »Taurus«-Lieferung ab, weil er befürchtet, dass Deutschland dadurch in den Krieg hineingezogen werden könnte. Mit dem Marschflugkörper, der eine Reichweite von bis zu 500 Kilometern hat, könnte die Ukraine auch Ziele weit hinter der Front auf russischem Boden angreifen.
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