Lebensansichten des Katers KI
Von Pierre Deason-Tomory
Ein Kater namens Moritz, wohnhaft im baden-württembergischen Rietheim-Weilheim, hat Post vom Beitragsservice erhalten. Die früher GEZ genannte Behörde fragte an, ob er vielleicht mal seine Rundfunkgebühren abdrücken wolle. Vor der Einleitung von Zwangsmaßnahmen konnte das Missverständnis aufgeklärt und der Fehler einem »Drittanbieter« zugeschoben werden, bei dem der Beitragsservice die Adresse von Kater Moritz gekauft hatte. Die Panne lässt vermuten, dass Adressendealer ihre Datentonnagen mit Hilfe künstlicher Intelligenz aus dem Netz saugen, um sie dann der Gebührenbehörde, die das auch selber machen könnte, teuer zu verkaufen.
Die Menschheit ist zwar irre genug, ihre Selbstauslöschung zu betreiben. Aber kein nasebohrender Praktikant würde auf die Idee kommen, dass ein Kater rundfunkgebührenpflichtig sein könnte. Dazu braucht es schon Cyberdummheit. Und weil Äi-Ei der Fortschritt schlechthin ist, wird sie immer dümmer. Sagen Experten, die befürchten, dass bereits jedes im Internet verlorene Wort in die Trainingsmodelle der Large Language Models eingeflossen ist und KI angefangen hat, sich selbst zu reproduzieren. Österreichische Fachleute sprechen von der »Habsburger-KI«, erfährt man in der »Dimensionen«-Ausgabe »Wenn der KI die Worte fehlen« (Mi., 19.05 Uhr, Ö 1). Weil sie wegen inzüchtiger Wortpflanzung zu verblöden droht.
Das gibt es in dieser Radiowoche für die Rundfunkgebühren: Kabarett von Mathias Tretter, sein neues Programm heißt »Souverän« und wurde im März im Bonner Haus der Springmaus aufgezeichnet (Di. und Mi., 20.03 Uhr, WDR 5). Das Feature »Rache kennen sie nicht« staunt über die Vietnamesen 50 Jahre nach Ende des amerikanischen Krieges (Mi., 19.30 Uhr, DLF Kultur, Fr., 20 Uhr, SRF 2 Kultur).
Der »Doppelkopf« wiederholt die Sendung »Am Tisch mit Peggy Parnass« aus dem Jahr 2014, Anlass ist ihr Ableben vor wenigen Wochen (Fr., 12.04 und 23.04 Uhr, HR 2 Kultur). Am Freitag und Samstag laufen Höhepunkte beim Bremer Festival »Jazzahead 2025« (Fr. und Sa., 21.05 Uhr, Bremen Zwei). Das Feature »We exist« schildert am Beispiel einer Transfrau aus Mombasa die üble Lage queerer Menschen in Kenia (BR 2024, Sa., 13.05 Uhr, So., 20.03 Uhr, Bayern 2).
Am Samstag abend stehen Mozart und Mussorgski auf dem Opernspielplan. Aus der New Yorker Met wird live und zeitversetzt »Le Nozze di Figaro« übertragen (19 Uhr, DLF Kultur, 20.03 Uhr, BR Klassik, HR 2 Kultur, MDR Klassik, NDR Kultur, Radio 3, SWR Kultur, WDR 3), von den Salzburger Osterfestspielen ein Mitschnitt der »Chowanschtschina« (19.30 Uhr, Ö 1). Spektakulär besetzt: die Krimikomödie »Memoiren eines Butlers« von Bernd Grashoff, u. a. mit Gustav Knuth, Theo Lingen und Peter Pasetti (BR 1963, Sa., 20.03 Uhr, Bayern 2).
Sonntag morgen geben Jüngstkritiker in »Mikado« wieder »Buchtipps für Kinder« (7.05 Uhr, NDR Kultur). Frisch abgeliefert wurde das Hörspiel »Schutzkampagne« von Tilman Strasser, das sich bemüht, den Aufstieg einer fremdenfeindlichen Ökopopulistin zu erzählen (WDR 2025, So., 17.04 Uhr, WDR 5). Deutsche Wirklichkeit beschreibt der Schriftsteller Jan Decker im Feature »Bad Arolsen – Die Kleinstadt und die Verfolgten« über alte Nazis und NS-Forschung in der hessischen Provinz (HR 2025, So., 18.04 Uhr, HR 2 Kultur). 1958 sah der kommunistische Maler und Autor Carlo Levi auf Besuch in Nachkriegsdeutschland in Abgründe aus Verwüstung, Verdrängung und Schweigen; seinen Reisebericht »Die doppelte Nacht (1/9)« liest Thomas Sarbacher ab Montag auf NDR Kultur (8.30 Uhr).
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