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Aus: Ausgabe vom 23.04.2025, Seite 5 / Inland
Kriegsvorbereitungen

Konzerne stehen stramm

Bundeswehr sucht und findet Verbündete in gewerblicher Wirtschaft. Die BRD soll zur »logistischen Drehscheibe« für künftige Kriege werden
Von Ralf Wurzbacher
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Gepanzerte Kolonne auf Schiene gen Osten zur NATO-Kriegsübung »Steadfast Defender 24« (Weimar, 7.6.2024)

Die Bundeswehr braucht Unterstützung, um in einem möglichen Krieg auch wirklich »kriegstüchtig« sein zu können. Deshalb richte sie einen »Hilferuf« an die deutsche Wirtschaft, wie das Handelsblatt am Dienstag titelte. Die Adressaten sind demnach große Logistikkonzerne wie die Lufthansa, die staatseigene Deutsche Bahn (DB) sowie der Rüstungsriese Rheinmetall. Mit diesen und anderen Unternehmen befinde sich die Armeeführung in »vertraulichen Gesprächen« darüber, wie im Falle eines russischen Angriffs auf Bündnisgebiet haufenweise Soldaten und militärisches Gerät an die Ostflanke der NATO zu verfrachten seien. Hintergrund ist die 2023 in Kraft getretene sogenannte Nationale Sicherheitsstrategie, die Deutschland im Konfliktfall als »logistische Drehscheibe« verpflichtet, die alliierten Kampfeinheiten zu versorgen.

Wie die Wirtschaftszeitung schrieb, stelle in den deutschen Chefetagen niemand mehr in Frage, »dass den Streitkräften geholfen werden muss«. Die Bundeswehr greife bei logistischem Transport von Militärgütern und -material außerhalb von Krisengebieten »fast ausschließlich auf zivilgewerbliche Leistungserbringer zurück«, zitierte das Blatt das Operative Führungskommando der deutschen Truppe. Selbst in Krisengebieten sei man »noch zu einem erheblichen Anteil« auf die Dienste von gewerblichen Anbietern angewiesen. Mit den per Grundgesetzänderung demnächst ins Grenzenlose zu steigernden »Verteidigungsausgaben« soll und wird sich das ändern. Weil Russland allerdings angeblich schon jetzt zu allem entschlossen ist, sucht man nun schnellstens den zivil-militärischen Schulterschluss.

So soll zum Beispiel die Lufthansa die Grundausbildung der Kampfjetpiloten übernehmen. Die größte deutsche Airline trainiert schon heute auf dem Flughafen Rostock-Laage Drohnenpiloten der Bundeswehr. Aktuell laufen Verhandlungen mit mehreren Herstellern von Angriffsdrohnen mit dem Ziel, das entsprechende Kampfarsenal deutlich auszubauen. Um sie zu steuern, bedarf es zunächst einer regulären Pilotenausbildung. Erst Anfang März hatte Lufthansa-Chef Carsten Spohr auf die engen Beziehungen zur Hardthöhe verwiesen und erklärt, auch das Thema Schulungen intensivieren zu wollen. Die Konzerntochter Lufthansa Technik unterhält inzwischen eigens einen Geschäftsbereich »Defense«, der sich künftig um die Instandhaltung von Kampfflugzeugen und Hubschraubern der Bundeswehr kümmern soll.

Gewehr bei Fuß steht auch die DB. Laut Handelsblatt gibt man sich im Berliner Bahntower »vorbereitet«. Selbst Panzer mit 80 Tonnen Gewicht könne man »problemlos transportieren«, heißt es dort. Seit 2023 besteht ein Vorhaltevertrag mit der DB Cargo, der die Bahn-Tochter verpflichtet, auf Abruf bis zu 343 Flachwagen sowie zwei tägliche Zeitfenster für Militärtransporte zu reservieren. Den Kriegsplanern genügt das nicht. Cargo biete nicht einmal ein Viertel der Kapazitäten, die im Ernstfall nötig seien, sagte jüngst Ben Hodges, Exkommandeur der US-Streikräfte in Europa, dem Branchendienst Railfreight.com. So verlange die neue NATO-Strategie »New Force Model« den gleichzeitigen Transport mehrerer Einheiten. »Die Russen müssen sehen, dass wir Panzer und Haubitzen schneller bewegen können als sie«, so Hodges.

Nach Darstellung des Thinktanks Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) müsse Deutschland ab 2025 in der Lage sein, »innerhalb der ersten 30 Tage eines Bündnisfalls 30.000 Soldaten und Soldatinnen sowie 85 Schiffe und Kampfflugzeuge zu entsenden«. Das alles erklärt auch, warum die Ertüchtigung der in Jahrzehnten verschlissenen Infrastruktur plötzlich oberste Priorität hat in der Politik. Es geht dabei zuvorderst darum, Deutschlands Schienen, Straßen und Brücken kriegsfähig zu machen. Selbst technischer Fortschritt ist dabei nicht immer gefragt. Das deutsche Schienennetz ist über weite Strecken nicht elektrifiziert, eigentlich ein Anachronismus. Seitens der DGAP heißt es aber: »Für den wahrscheinlichen Fall, dass das Schienennetz angegriffen wird, braucht die DB viel mehr Dieselloks als heute.«

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