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Aus: Ausgabe vom 24.04.2025, Seite 11 / Feuilleton
Marxismus

Jacques Camatte gestorben

Von Vincent Sauer

Am vergangenen Sonnabend ist der französische Kommunist Jacques Camatte im Alter von 90 Jahren in Cajarc/Okzitanien gestorben. Das teilte seine Familie mit. In den 50er Jahren begann sich Camatte für die Internationale Kommunistische Partei (IKP) zu engagieren und wurde ein enger Verbündeter des italienischen Marxisten Amadeo Bordiga (1889–1970). Sie tauschten sich vor allem über Fragen des Verhältnisses von Partei, Proletariat, Revolution aus. 1966 kam es zum Bruch zwischen Camatte und der IKP, er gründete daraufhin die Zeitschrift Invariance (deutsch: Unveränderlichkeit), die zahlreiche Leser in der französischen Linken und der italienischen Autonomenbewegung fand. Verstreut finden sich Übersetzungen ins Deutsche.

Nachdem Camatte lange die Unveränderlichkeit der Theorie des revolutionären Proletariats proklamiert hatte, wandte er sich nun mehr und mehr von Klassenkampf und strengem Parteimarxismus ab und begann statt dessen die »Domestizierung« der gesamten Menschheit durch die Herrschaft des Kapitals zu analysieren. Camatte machte sich auf hohem Abstraktionsniveau Gedanken über Lebensformen und Umgangsweisen mit der Natur, die der Zerstörung des Menschen trotzen könnten. Zudem setzte er sich für gewaltfreie Erziehung ein. 1978 erschien sein wichtigstes Buch »Capital et Gemeinwesen«, in dem Marxens frühe »Grundrisse« eine wichtige Rolle spielen.

Camatte wurde später auch ein Bezugspunkt für sogenannte Anarcho-Primitivisten und Akzelerationisten, wofür er wenig kann. Seine Texte sind schwierig und spröde. Er arbeitete lange als Erdkundelehrer in Südfrankreich und lebte zurückgezogen auf dem Lande mit seiner Tochter und seinem Enkel.

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