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Aus: Ausgabe vom 26.04.2025, Seite 1 / Titel
Konflikt in Südasien

Delhi riskiert Atomkrieg

Indien: Nach dem Massaker in Kaschmir geht die regierende Ultrarechte auf Konfrontationskurs mit Pakistan
Von Jörg Tiedjen
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»Vereint gegen den Terror«: Auch die Bootsleute auf dem See Dal rufen zu Solidarität und Mäßigung (24.4.2025)

Die Spannungen zwischen den beiden verfeindeten Atommächten Indien und Pakistan haben sich nach dem jüngsten Massaker in Kaschmir auf bedrohliche Weise verschärft. Entlang der schwer militarisierten Grenze wurde am Freitag sogar geschossen, wenn auch »nur« aus Handfeuerwaffen, wie der pakistanische Geheimdienst meldete. Zuvor war der bestehende Grenzübergang im Punjab geschlossen worden, Staatsbürger des jeweils anderen Landes wurden ausgewiesen. Auch traf am Freitag der indische Generalstabschef Upendra Dwivedi an der Grenze ein, wie die Zeitung The Hindu berichtete.

Nach der indischen Entscheidung, einen bilateralen Vertrag über die Nutzung des Induswassers außer Kraft zu setzen, kann der Ernst der Situation gar nicht groß genug eingeschätzt werden. Islamabad hatte dazu am Donnerstag erklärt: »Jeder Versuch, den Zufluss von Wasser, das Pakistan gemäß dem Wasservertrag gehört, zu stoppen oder umzuleiten, werde als kriegerische Handlung betrachtet und mit dem gesamten Spektrum der nationalen Macht beantwortet«, erinnerte das indische Infoportal The Wire. Dazu gehöre auch das pakistanische Nukleararsenal. Der Hindu hob hervor, dass Neu-Delhi nicht einmal die Weltbank von dem Schritt unterrichtet habe, den 1960 geschlossenen Wasservertrag zu suspendieren. Diese habe eine Schlüsselrolle beim Aushandeln des Abkommens und bei der Schlichtung früherer Konflikte gespielt.

Auslöser der jüngsten Auseinandersetzung war ein Massaker im indischen Föderationsgebiet Jammu und Kaschmir am Dienstag. Mitten in der Hauptsaison hatten Bewaffnete im laut Zeugen völlig überlaufenen Ferienort Pahalgam das Feuer auf Touristen eröffnet und dabei 26 Menschen getötet. Bei den Todesopfern handelte es sich um Inder und einen nepalesischen Staatsbürger. Im Anschluss begannen Einsatzkräfte eine regelrechte Menschenjagd. Am Freitag zerstörte die Armee laut Al-Dschasira die Wohnhäuser zweier mutmaßlicher Attentäter. Zu dem Anschlag, dem verheerendsten seit 25 Jahren, bekannte sich eine Gruppe namens »Befreiungsfront«. Bei ihr soll es sich um eine Absplitterung der Dschihadistentruppe Laschkar-e Taiba handeln.

Kaschmir ist zwischen Indien, Pakistan und China geteilt. Die Grenzziehung hat dabei regelmäßig für Konflikte bis an den Rand eines Atomkriegs gesorgt. So leben auch im zu Indien gehörenden Gebiet mehrheitlich Muslime, die sich nicht zuletzt von der gegenwärtigen hindunationalistischen Regierung unter Premierminister Narendra Modi unterdrückt sehen. Laschkar-e Taiba werden seit Gründung Verbindungen zum pakistanischen Geheimdienst ISI nachgesagt. Allerdings gibt es Hinweise, dass auch Indien Dschihadisten instrumentalisiert. Pakistan brachte denn auch sofort die Möglichkeit eines »Angriffs unter falscher Flagge« ins Spiel, berichtete The Dawn.

Auffällig ist, dass der Anschlag kurz nach Auftakt eines mehrtägigen Besuchs des als Islamgegner bekannten US-Vizepräsidenten J. D. Vance in Indien stattfand. Aber seit dem Massaker vom Dienstag hetzen nicht nur Ultrarechte im ganzen Land gegen Muslime, umgekehrt wird auch von zahlreichen Stellungnahmen fortschrittlicher Kräfte und Kundgebungen in Jammu und Kaschmir berichtet. Sie stehen im Einklang mit Aussagen von UN-Generalsekretär António Guterres vom Freitag: Er mahnte Zurückhaltung sowie eine genaue Untersuchung der Vorfälle und Solidarität mit den Terroropfern an.

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