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Aus: Ausgabe vom 28.04.2025, Seite 8 / Inland
Heraus zum 1. Mai in Nürnberg

»Die herrschende Klasse hat keine Antworten«

Bündnis mobilisiert zur »Revolutionären 1.-Mai-Demo« in Nürnberg gegen Sozialraub, Faschismus und Krieg. Ein Gespräch mit Daniel Meier
Interview: Hendrik Pachinger
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Unter dem Motto »Für die soziale Revolution« rufen fast 35 Gruppen zur »Revolutionären 1.-Mai-Demo« in Nürnberg auf. Diese Demonstration in der mittelfränkischen Großstadt ist inzwischen größer als die des Deutschen Gewerkschaftsbunds. Was ist in diesem Jahr geplant?

Die Demonstration startet um 11.30 Uhr, Bauerngasse Ecke Gostenhofer Hauptstraße. Wir werden dann mit einer kämpferischen Demo durch Nürnberg ziehen und damit zeigen, dass trotz Rechtsruck mit einer revolutionären Linken in Nürnberg zu rechnen ist! Der »Revolutionäre 1. Mai« in Nürnberg ist die größte Demo ihrer Art in Süddeutschland.

Im Anschluss soll es ein vom Bündnis organisiertes Fest in Nürnberg Gostenhof geben. Was ist dort geplant?

Um 14.30 Uhr endet die Demo am Internationalistischen Straßenfest in der Müllnerstraße im Arbeiterviertel Gostenhof. Uns ist es wichtig, dass auch das Feiern nicht zu kurz kommt. Schließlich ist der 1. Mai unser Tag! Wir versuchen bei dem Fest, Kultur und Politik zu verbinden, zum Beispiel durch Infostände und politische Bands. Das alles ist Teil einer politischen Kultur, mit der wir zusätzlich viele Menschen erreichen, die vielleicht nicht auf die Demo kommen.

Wie gelingt es Ihnen, jedes Jahr ein neues und doch beständiges Vorbereitungsbündnis zu bilden, gerade mit Blick auf die sich seit Jahren verstärkende Spaltungstendenz der Linken?

Wir als OA sehen es als wichtig an, Gegenmacht gegen den Klassenkampf von oben aufzubauen. Wir bereiten das 1.-Mai-Bündnis vor und streben in diesem Sinne eine Bündnispolitik an, mit der wir die Linke Nürnbergs in Grundfragen zusammenbekommen. Diese Grundfragen spiegeln sich im diesjährigen Motto wider: »Für die soziale Revolution! Gemeinsam gegen Sozialraub, Faschismus und Krieg!« Das ist, ebenso wie eine internationalistische Ausrichtung der Demo, unverrückbar. Daneben haben aber alle Gruppen die Freiheit in Agitation und Propaganda, können also in Redebeiträgen und ihrem Demoausdruck ihre jeweiligen Inhalte stark machen. Das läuft nicht ohne Widersprüche und Diskussionen. Aber mit diesen Prinzipien ist es uns gelungen, einen stetig wachsenden, lebendigen, revolutionären 1. Mai zu organisieren.

Die Vorbereitungen werden durch die Aktivitäten rechter Akteure überschattet. Seit Monaten marschiert das »Team Menschenrechte« jeden Montag auf.

Das ist nichts Neues. Schon in den 2000ern gab es zum Beispiel Aufmarschversuche der NPD, sogar am 1. Mai. Danach gab es »Pegida« in Nürnberg. Die »Revolutionäre 1.-Mai-Demo« gibt es immer noch, die rechten Aufmärsche sind inzwischen Geschichte. Durch die solidarische Zusammenarbeit ist es bisher immer gelungen, die Faschisten in Nürnberg zurückzudrängen.

Im Aufruf zur Demonstration heißt es, gerade jetzt sei es wichtig, den Rechten weder die Friedens- noch die soziale Frage zu überlassen. Was ist damit gemeint?

Der Faschismus ist eine Krisenerscheinung des Kapitalismus. Die herrschende Klasse hat keine Antworten auf die Klimakrise, die Verarmung und den Krieg, sondern sorgt für diese Probleme. Für die Mehrheit der Bevölkerung hat die jetzige Gesellschaftsform also nichts mehr zu bieten. Die Faschisten versuchen deshalb, in die Bresche zu springen, um ein vermeintliches Gegenkonzept zum Status quo anzubieten und Unzufriedene zu binden.

Wie lautet Ihre Antwort darauf?

Gegen diese beiden Entwicklungen müssen wir uns als revolutionäre Linke gut aufstellen. Der 1. Mai steht für die vielen Kämpfe, die wir als Linke gerade führen. Sei es zum Beispiel die Basisorganisation in den Stadtteilen, der Kampf gegen die Folgen der Klimakrise, der Kampf für die Rechte Geflüchteter oder der Kampf gegen Wehrpflicht und Krieg. Wir gehen am 1. Mai auf die Straße, um zu zeigen: Wir sind viele und arbeiten daran, diese Verhältnisse umzustürzen, um eine neue, solidarische Gesellschaft aufzubauen!

Daniel Meier ist aktiv in der »Organisierten Autonomie« (OA)

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  • Leserbrief von Reinhard Hopp aus Berlin (28. April 2025 um 10:53 Uhr)
    Nichts ist dringender als »eine neue, solidarische Gesellschaft«, so es denn überhaupt noch eine Zukunft geben soll. Nur lässt sich die Einsicht in eine solche Notwendigkeit leider nicht verordnen. Ein System, das das Ellenbogenprinzip über Solidarität und Gemeinwohl stellt, perpetuiert permanent dessen Zusammenbruch. Doch wenn die Mehrheit nun mal ihren eigenen Untergang will, wer sollte sie dann daran hindern?

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