Papstkritiker des Tages: Kardinal Müller
Von Felix Bartels
Wenn aus der Sixtinischen Kapelle Rauch aufsteigt, dann sicher nicht, weil Kardinal Müller Kopfbetrieb hatte. Für ihn, der beim Konklave sein Zettelchen in den Kamin werfen darf, gibt es keine Fragen, nur Antworten.
Sedisvakanz ist ein anderes Wort für Kirchenkrieg. Franziskus war noch nicht unter der Erde, da trat Müller dem toten Papst kräftig gegens Schienbein. Der sei, diktierte er der italienischen La Repubblica, »etwas zweideutig« gewesen. Unter Benedikt dagegen habe »perfekte theologische Klarheit« geherrscht. Klarheit scheint für Müller gleich Wahrheit. Tatsächlich zeigt sich jede Sache desto widersprüchlicher, je tiefer man in sie steigt.
Der Müller hat nun nachgelegt. Vom neuen Papst erwarte er nicht weniger als eine Kurskorrektur im Umgang mit Homosexuellen. Die Gleichstellung homosexueller Partnerschaften mit der Ehe widerspreche »völlig der Lehre der Bibel«, verriet er der italienischen La Stampa. »Wir können nicht die Genderideologie akzeptieren, die der Lehre der Kirche widerspricht.« Franziskus hatte es grundsätzlich erlaubt, gleichgeschlechtliche Paare zu segnen. »Die Stärke der Kirche liegt in der Wahrheit, nicht in Kompromissen«, hält Müller dagegen.
Man muss dem, was Müller »Genderideologie« nennt, nicht in jedem Punkt folgen, um seinen Referenzpunkt der Wahrheit absurd zu finden. So wenig Geschlecht eine Frage der Empfindung sein kann, so wenig die heteronormative Ehe eine der Wahrheit. Heiraten soll, wer heiraten will. Unabhängig von Geschlecht, Geschlechtsidentität und sexueller Orientierung. Als gesellschaftliches Phänomen hat Ehe kein biologisches Fundament, sie ist Ergebnis historischer Entwicklung und zur Norm gewordener Konvention, weswegen sie den nach wie vor nicht abgeschlossenen Übergang vom Reich der Not ins Reich der Freiheit mitmachen kann.
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