Vor dem Sturm
Von Andreas Hahn»Es war Weihnachten 1812, Heiliger Abend. Einzelne Schneeflocken fielen und legten sich auf die weiße Decke, die schon seit Tagen in den Straßen der Hauptstadt lag. Die Laternen, die an langausgespannten Ketten hingen, gaben nur spärliches Licht; in den Häusern aber wurde es von Minute zu Minute heller, und der ›Heilige Christ‹, der hier und dort schon einzuziehen begann, warf seinen Glanz auch in das draußen liegende Dunkel.
So war es auch in der Klosterstraße. Die ›Singuhr‹ der Parochialkirche setzte eben ein, um die ersten Takte ihres Liedes zu spielen, als ein Schlitten aus dem Gasthof ›Zum grünen Baum‹ herausfuhr und gleich darauf schräg gegenüber vor einem zweistöckigen Hause hielt, dessen hohes Dach noch eine Mansardenwohnung trug. Der Kutscher des Schlittens, in einem abgetragenen, aber mit drei Kragen ausstaffierten Mantel, beugte sich vor und sah nach den obersten Fenstern hinauf; als er jedoch wahrnahm, dass alles ruhig blieb, stieg er von seinem Sitz, strängte die Pferde ab und schritt auf das Haus zu, um durch die halb offenstehende Tür in dem dunklen Flur desselben zu verschwinden.«
Weiße Weihnacht in Berlin-Mitte eröffnete schon Theodor Fontanes Roman »Vor dem Sturm«. Beschrieben wird eine Kutschfahrt ins Gasthaus, der Krieg folgt noch früh genug. Selbst die Geschichte des Festes des Friedens ist mittelbar bekanntlich mit einem Gewaltakt verbunden: »Da Herodes nun sah, dass er von den Weisen betrogen war, ward er sehr zornig und schickte aus und ließ alle Kinder zu Bethlehem töten und an seinen ganzen Grenzen, die da zweijährig und darunter waren« (Mt., 2, 16). Die Zusammenhänge zwischen Gewalt und Kaputtheit und den Spielräumen, die sie unter Umständen doch eröffnen, erläutert der Philosoph Alexander García Düttmann im Gespräch mit Niklas Ranze. Derweil sammeln sich Maschinengewehre, Flammenwerfer und Maschinenpistolen mit Namen wie »Insanity Horror Fire Doomsday« auf dem Gabentisch. Thomas Behlert berichtet. Zu Weihnachten hat nicht nur der eine König Geburtstag. Jegor Jublimov kümmert sich um weitere Jubilare. Derweil geht das Bruckner-Jahr seinem Ende entgegen. Stefan Ripplinger erzählt die Geschichte von Georg Tintner, dem strengsten aller Bruckner-Interpreten. Um traurig zu sein, ist Paris eine gute Stadt, besonders kurz vor Weihnachten. Konstantin Arnold findet dort im Le Meurice sein Quartier. In tiefster irischer Provinz hat der Dokumentarfilmer Ken Wardrop ein paar Leute besucht, die an Weihnachten immer besonders tapfer sein müssen, weil dieses Fest für sie so gar kein frohes ist. Ronald Kohl wünscht ihnen Liebe, Zuversicht und andere schöne Überraschungen. »Wir leben in wunderbaren Tagen« (Fontane, »Vor dem Sturm«)
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