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Rosa Luxemburg Konferenz 2019

Rosa Luxemburg Konferenz 2019


Unser Blog und der Livestream zur XXIV. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz am 12. Januar 2019 im Mercure-Hotel MOA in Berlin-Moabit.

  • · Hintergrund

    Hammer und Kompass

    Die Linke in Deutschland muss den »systematischen Tageskampf« wieder erlernen – ohne dabei ihre sozialistische Orientierung aufzugeben
    Lena Kreymann
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    Unter dem Motto »Riders united – Deliverunion« gelang es der Basisgewerkschaft FAU die Fahrradkuriere zu organisieren – Kundgebung gegen den Essenslieferdienst Deliveroo in Berlin (13.4.2018)

    Frieden sofort und auf Dauer, das war die Forderung der Revolutionäre vor 100 Jahren im November 1918. Vielen von ihnen war klar, dass die Voraussetzung dafür der Bruch mit dem Kapitalismus und der Übergang zum Sozialismus war. Es gelang ihnen, für kurze Zeit die Staats- und Militärmaschinerie eines der stärksten imperialistischen Länder der Welt zu lähmen, aber nicht, sie zu zerbrechen. Das wurde durch das Zusammenspiel von SPD- und Armeeführung verhindert. Unter dem Druck der Massen gestanden diese zwar die parlamentarische Republik, das Frauenwahlrecht, den Acht-Stundenarbeitstag und weitere Errungenschaften zu, auf die halbe Revolution folgte aber eine ganze Konterrevolution. Tausende Arbeiter und Soldaten wurden zu Beginn der Weimarer Republik ermordet, die schließlich in der faschistischen Diktatur, die den Zweiten Weltkrieg entfesselte, unterging.

    Dem ersten großen Völkermord waren fast 20 Jahre lang endlose Kolonialkriege um die Neuaufteilung der Welt vorausgegangen, dem zweiten der bewaffnete Aufmarsch gegen die Sowjetunion. Nach 1989 begann weltweit erneut eine Periode neokolonialer Feldzüge des Westens; die NATO setzte die Einkreisung Russlands und Chinas fort; von deutschem Boden geht seit 1990 fast ununterbrochen Krieg aus. Die Entfesselung des Kapitalismus sorgte auch in der Bundesrepublik für wachsende Armut auf der einen Seite und exorbitanten Reichtum auf der anderen. Worin besteht vor diesem Hintergrund Klassenpolitik von unten? Wie wird aus Wut endlich Widerstand?

    Über diese und andere Fragen werden am kommenden Sonnabend die Teilnehmer des Podiumsgesprächs auf der XXIV. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz der jungen Welt diskutieren. Wir stellen hier die Positionen zweier der geladenen Diskutantinnen vor. (jW)

    Dass es nichts bringt, sich in seiner Blase zu verkriechen, und man die Arbeiterklasse ansprechen muss, ist in der – im weiten Sinne klassenbewussten – Linken fast schon ein Gemeinplatz. Leider bleibt die Diskussion oft an diesem Punkt stehen. Dementsprechend ist eine veränderte Praxis kaum spürbar.

    Denn auch wenn jene, die eine Abwendung von Szenepolitik fordern, ein Problem richtig benennen, folgt daraus nicht unbedingt ein Lösungsvorschlag. Um dahin zu kommen, müssen erst einmal einige Fragen geklärt werden: Unter welchen Bedingungen kämpfen wir heute? Auf welche Kämpfe müssen wir uns daher fokussieren? Und wie müssen wir uns dafür organisieren?

    Die Arbeiterklasse in Deutschland durchlebt eine Kapitaloffensive ungeahnten Ausmaßes. Arbeits-, Lebens- und Lernbedingungen verschlechtern sich auf allen Ebenen – Stichworte sind die Zunahme von Leiharbeit und anderen »atypischen« Beschäftigungsformen, Tarifflucht, die Schließung kommunaler Einrichtungen wie Schwimmbäder, Gentrifizierung, Privatisierungen oder der Sanierungsstau an Schulen. Gleichzeitig gilt als selbstverständlich, was seinerzeit noch heftigen Protest ausgelöst hat. Hartz IV ist für heute 20jährige »normal«, sie sind damit aufgewachsen. In manchen Schulen lernt man gleich, wie der entsprechende Antrag ausgefüllt wird. Ebenso »normal« ist es, dass man nicht mehr 40 Jahre im gleichen Job verbringt. Kaum vorhanden ist ein Bewusstsein dafür, dass die gegenwärtigen Bedingungen nicht in Stein gemeißelt sind, dass man sich dagegen zusammenschließen kann und muss. Perspektivlosigkeit, Individualisierung und eine »Man kann ja eh nichts tun«-Mentalität sind weit verbreitet.

    Die Aggression des deutschen Imperialismus führt zu Rechtsruck und erhöhter Kriegsgefahr. In Dokumenten wie dem »Weißbuch der Bundeswehr« geben die Strategen des Kapitals dem Weltmachtstreben fast unverhohlen Ausdruck. Diesem dienen die Aufrüstungspläne, die mit Bündnisverpflichtungen gerechtfertigt werden. Dem aggressiveren Agieren nach außen entsprechen reaktionäre Maßnahmen im Inneren – die neuen Polizeigesetze sind nur ein Beispiel dafür.

    Teewasserkämpfe

    Was bedeutet das für den Klassenkampf in diesem Land? Die diesjährige Rosa-Luxemburg-Konferenz trägt den Titel »Sozialismus oder Barbarei« – den Gegensatz, den Marx und Engels schon im »Manifest« benennen. Im gleichnamigen Text setzt sich Rosa Luxemburg mit den Kämpfen ihrer Zeit auseinander und schreibt über die Schlussfolgerungen der kommunistischen Bewegung nach der Zerschlagung der Pariser Kommune: »Seitdem begann eine neue Phase. Statt der spontanen Revolutionen, Aufstände, Barrikadenkämpfe, nach denen das Proletariat jedesmal wieder in seinen passiven Zustand zurückfiel, begann der systematische Tageskampf, die Ausnützung des bürgerlichen Parlamentarismus, die Massenorganisation, die Vermählung des wirtschaftlichen mit dem politischen Kampfe und des sozialistischen Ideals mit der hartnäckigen Verteidigung der nächsten Tagesinteressen.« Im selben Text geht Luxemburg auf die Rolle der marxistischen Theorie ein sowie auf den Maßstab, an dem sich tagesaktuelle Auseinandersetzungen messen lassen müssen: »Die marxistische Erkenntnis gab der Arbeiterklasse der ganzen Welt einen Kompass in die Hand, um sich im Strudel der Tagesereignisse zurechtzufinden, um die Kampftaktik jeder Stunde nach dem unverrückbaren Endziel zu richten.«

    Den »systematischen Tageskampf« müssen wir heute wieder lernen. Gerade angesichts der Resignation und Vereinzelung müssen wir das Bewusstsein darüber stärken, dass man – als Klasse – etwas erkämpfen kann, wenn man sich zusammenschließt. Deshalb besteht eine wesentliche Aufgabe für uns darin, das zu initiieren, was Lenin »Teewasserkämpfe« genannt hat, kleine gewinnbare Kämpfe also. Zentrale Orte dafür sind die Betriebe und, für uns als Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend, die Schulen. Dort sind die Menschen, die wir erreichen wollen, dort erfahren sie den Klassengegensatz und können für ihre Interessen eintreten.

    Gewinnbar bedeutet nicht, es sich zu leicht zu machen. Es heißt, Ziele zu wählen, von denen man überzeugend vermitteln kann, dass wir sie erreichen können und dass es sich lohnt, darum auch harte Auseinandersetzungen zu führen. Welche das sind, hängt davon ab, welche Probleme die Kollegen beschäftigen und mit welchen Themen man sie in Bewegung bringen kann. Ein Beispiel ist die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung, die erst seit kurzem wieder Gehör in den Gewerkschaften findet und um die es in mehreren Bereichen – bei den Metallern, der Bahn oder in der Gesundheitsbranche – gesellschaftlich relevante Auseinandersetzungen gibt.

    Dabei gilt es, Missstände zu skandalisieren, Wut über bestehende Verhältnisse zu schüren und Mut in die eigene Kraft zu entwickeln. In unserer aktuellen Kampagne »Geld gibt’s genug – Zeit es uns zu holen« nutzen wir dafür verstärkt Kostengegenüberstellungen: Wir zeigen auf, wofür in dieser Gesellschaft Geld da ist, etwa für Militärausgaben und Steuergeschenke an Großkonzerne, während es bei uns fehlt. Das bietet auch die Möglichkeit aufzuzeigen, wem staatliches Handeln nützt und wessen Staat die Bundesrepublik letztlich ist.

    Das allein macht jedoch noch keine revolutionäre Praxis aus. Die muss sich schließlich am »unverrückbaren Endziel« messen – dem Sozialismus. Gerade angesichts der wirklich wenig ermutigenden Ausgangsbedingungen verliert man das jedoch leicht aus den Augen. Doch dann wird politisches Handeln beliebig, falsch und verliert sich in Reformkämpfen. Maßstab des Erfolgs ist also, ob es in den Tageskämpfen gelingt, Klassenbewusstsein zu schaffen.

    Das heißt auch aufzuzeigen, dass ein anderes Gesellschaftssystem möglich und notwendig ist. Dass in diesem Land so einiges schiefläuft, ist vielen bewusst. Resignation, Vereinzelung, aber auch rechte Positionen sind jedoch Ausdruck davon, dass die meisten keine Alternative vor Augen haben. Die Produktivkraftentwicklung macht den Sozialismus heute möglich. Kriegsgefahr und Rechtsruck machen es notwendiger denn je, ihn auch auf die Tagesordnung zu setzen. Das funktioniert aber nur dann, wenn wir nicht neben den politischen und ökonomischen Auseinandersetzungen stehen, sondern an erster Stelle mit dabei sind.

    Wie schwierig es ist, die richtigen Tageslosungen mit dem Schaffen von Klassenbewusstsein zu verbinden, zeigt sich in der Geflüchtetenfrage. Der Umgang schwankt zwischen zwei Extremen: Die eine Seite ignoriert die berechtigte Perspektivangst der Menschen, erklärt Rassisten für dumm und stellt sich selbst über die Arbeiterklasse, die tagtäglich mit den Konsequenzen des Sozialabbaus konfrontiert ist. Die andere Seite lässt sich auf den Diskurs der herrschenden Klasse ein, wie man am besten den Zuzug steuert, also die Kapitalverwertung optimiert. Beides ist falsch, führt doch nichts davon zu gemeinsamen Kämpfen, in denen Rassismus als gegen die eigenen Interessen gerichtet erfahrbar gemacht wird.

    Ursache und Wirkung

    Ähnliches gilt für den Rechtsruck insgesamt. Die Analyse bleibt oft auf der Erscheinungsebene stehen, bei der AfD und den »Gesichtern« der Rechtsentwicklung. Dem entspricht ein falscher Umgang: Viele Linke greifen die AfD-Mitglieder von einem Standpunkt der Überlegenheit aus an. Der Zeigefinger richtet sich nicht auf die Großkonzerne, sondern gegen den vermeintlichen rassistischen »Bodensatz« in der Arbeiterklasse.

    Doch der Rechtsruck geht nicht von der AfD aus, die AfD ist vielmehr Ausdruck davon, mit welchen Maßnahmen das Kapital derzeit seine Interessen zu wahren versucht. Dass dieses hinter dem reaktionären Staatsumbau steckt, müssen wir vermitteln – wie es beispielsweise die Kostengegenüberstellungen im Ansatz ermöglichen. Dafür gilt es, die Menschen nicht nur für einmalige Aktionen gegen rechts zu mobilisieren, sondern in dauerhafte Auseinandersetzungen einzubinden. Das bedeutet auch, mit rassistischen Kollegen und Kolleginnen gemeinsam zu agieren, wenn diese im Betrieb bereit sind, Arbeitskämpfe zu führen. Es bedeutet, Rassismus nicht »von oben« mit der Konzernspitze zu bekämpfen, denn dann macht man gemeinsame Sache mit denen, die für unsere schlechten Lebensbedingungen verantwortlich sind. Wer das tut, braucht sich nicht zu wundern, wenn er oder sie nicht mehr ernst genommen wird. Das bedeutet aber nicht, bei rassistischen Kommentaren oder entsprechendem Verhalten die Klappe zu halten oder untätig zu bleiben.

    Was folgt daraus für die revolutionäre Organisation? Vor 100 Jahren wurde die KPD gegründet. Die Erkenntnis, dass es eine solche kommunistische Organisation braucht, war eine Konsequenz aus der Novemberrevolution und ihrer Niederschlagung durch das Kapital und seine sozialdemokratischen Handlanger. In ihrem Programm hielt die KPD fest: »Mit dem Ausgang des Weltkrieges hat die bürgerliche Klassenherrschaft ihr Daseinsrecht verwirkt. Sie ist nicht mehr imstande, die Gesellschaft aus dem furchtbaren wirtschaftlichen Zusammenbruch herauszuführen, den die imperialistische Orgie hinterlassen hat.« Um an dieser Erkenntnis trotz der gerade erfahrenen Niederlage festzuhalten, bedarf es des Kompasses der marxistischen Theorie. Damit der aber richtig genordet ist, braucht es einen Zusammenschluss von Revolutionären, in dem Kampferfahrungen zusammengebracht und um die richtige Analyse gerungen wird.

    Luxemburg und Liebknecht stehen für die Erkenntnis, dass es einer Kommunistischen Partei bedarf. Was also fand Luxemburg an der neu gegründeten KPD so gut? Sie war »frei von den verblödeten Traditionen der ›alten bewährten‹ Partei«. Die altbewährte Partei nämlich war es gewesen, die mit der Zustimmung zu den Kriegskrediten den Klassenstandpunkt endgültig über Bord geworfen hatte.

  • · Berichte

    Kleine Zeichen, große Wirkung

    Konferenz mit neuem Besucherrekord
    Dietmar Koschmieder
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    Großzügige Schenkung: 50 dieser äußerst raren Abzeichen aus der Arbeiterbewegung werden nun Bestandteil der jW-Kunstsammlung

    Der direkte Ticketvorverkauf über den Postweg für die Internationale Rosa-Luxemburg-Konferenz am kommenden Wochenende ist abgeschlossen, 2.000 Plätze sind bereits besetzt: Ein neuer Besucherrekord zeichnet sich ab. Wer sich jetzt noch Einlass zur größten regelmäßig stattfindenden Konferenz der Linken (so der ehemalige BDI-Präsident Hans-Olaf Henkel über die Veranstaltung) sichern will, dem empfehlen wir die Möglichkeit der Kartenreservierung: Das geht über das Onlineformular unter rosa-luxemburg-konferenz.de oder per Telefon (0 30/53 63 55 54). Bei reservierten Tickets aber bitte unbedingt beachten, dass diese am Konferenzsamstag bis spätestens 10.30 Uhr abzuholen sind. Nicht abgeholte Karten gehen in den freien Verkauf, an den Tageskassen muss mit Wartezeiten gerechnet werden.

    Reserviermöglichkeit nutzen

    Ansonsten laufen die Vorbereitungen für den Neujahrsauftakt der linken Kräfte auf Hochtouren. Mumia Abu-Jamals Grußansprache ist mittlerweile als Tondatei eingetroffen und wird gerade übersetzt. Hier gab es Schwierigkeiten, weil die Gefängnisleitung die Kommunikationsorganisation verändert hat. Höher als in den vergangenen Jahren wird die Zahl der Besucher aus dem Ausland sein. Zum einen spricht es sich herum, dass alle Beiträge der Konferenz simultan in vier Sprachen nachvollziehbar sind (Englisch, Spanisch, Deutsch, Türkisch), zum anderen spielt der historische Hintergrund eine Rolle: In diesen Tagen jährt sich die Gründung der KPD und die Ermordung von Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht und anderen zum 100. Mal. Konferenz wie auch die Kundgebung am darauffolgenden Tag werden eindrücklich belegen, dass sich weiterhin viele Menschen für dauerhaften Frieden und soziale Gerechtigkeit und damit für eine Welt ohne Kapitalismus einsetzen.

    Konferenz zu Hause verfolgen

    Wer es nicht schafft, dieses wichtige Wochenende in Berlin mitzuerleben, kann die XXIV. Internationale Rosa-Luxemburg-Konferenz trotzdem live mitverfolgen: Zum einen wird die Redaktion der jungen Welt über einen Spezial-Blog kontinuierlich auf ­jungewelt.de/rlk2019­ berichten, zum anderen werden die Beiträge auf der Hauptbühne per Live­stream direkt übertragen. Schon jetzt kann man im Blog zur Vorbereitung sämtliche bisher in der jungen Welt erschienenen Texte zur Konferenz nachlesen. Nach der Veranstaltung stehen nicht nur die Berichterstattung der jungen Welt und eine Konferenzbroschüre zur Verfügung, es werden die einzelnen Beiträge auch als Filmmitschnitte zugänglich sein.

    In revolutionärer Tradition

    Die Tageszeitung junge Welt steht seit ihrer Gründung in der Tradition der Revolutionäre um Karl und Rosa. Das zeigt auch eine kleine Geschichte, die sich diese Woche zugetragen hat: Unser Leser und Genossenschafter Fritz Wengler war früher nicht nur stellvertretender Chefredakteur der Berliner Zeitung, sondern davor auch in dieser Funktion bei der Jungen Welt tätig. Uns war bekannt, dass Fritz neben anderen Verdiensten eine wichtige Rolle bei der Herausgabe der Junge-Welt-Grafiken spielte. Dass er aber auch an einem »sensationellen Fund historischer Abzeichen« (wie die JW am 25. März 1967 titelte) beteiligt war, wussten wir bisher nicht. In dieser Woche hat uns nun Fritz Wengler ein schönes Geschenk gemacht: eine Sammlung von mehr als 50 dieser äußerst raren Abzeichen aus der Arbeiterbewegung, deren Grundform um 1910 hergestellt und dann je nach politischem Anlass aktualisiert wurden (zum Beispiel mit Fotos von Lassalle, Lenin, Liebknecht und Luxemburg oder mit der Forderung nach dem Achtstundentag) und anderem Material (darunter historische Postkarten). Sie werden nun Bestandteil der jW-Kunstsammlung – für die Fritz Wengler schon viele Grafiken zur Verfügung stellte. Vielen Dank, Genosse Fritz!

  • · Teilnehmer

    Porträt: Vladimiro Giacché

    Vladimiro Giacché (geb. 1963) ist Wirtschaftswissenschaftler und Finanzfachmann. Er studierte in Pisa und in Bochum Wirtschaftswissenschaften und absolvierte an der Scuola Normale Superiore ein Zusatzstudium in Philosophie. Von 1995 bis 2006 war er für Mediocredito Centrale, eine staatliche Bank für die Entwicklung des südlichen Italiens, tätig und dort u. a. für die interne Revision verantwortlich. In dieser Zeit leitete er für die italienische Fernsehgesellschaft RAI zugleich das Programm »Multimediale Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaft«. Seit 2007 ist er Partner der Finanzgruppe Sator in Rom und auch dort für die interne Revision verantwortlich. Er arbeitet als Präsident des Zentrums für Europa-Forschungen (Centro Europa Ricerche) in Rom und ist Mitglied des Verwaltungsrates der Banca Profilo S.p.A.

    Giacché ist Autor zahlreiche Bücher zu Wirtschaftswissenschaften und Philosophie, zuletzt: »Lenin: Economia della rivoluzione« (2014, deutsche Ausgabe 2018 unter dem Titel: »Lenins ökonomisches Denken nach der Oktoberrevolution«). Er veröffentlichte zahlreiche Artikel in Zeitungen und Zeitschriften Italiens und des Auslands. Am 5. Mai 2018 schrieb er in der jW-Beilage zum 200. Geburtstag von Karl Marx über »Traumwelt der Kapitalisten. Der tendenzielle Fall der Profitrate und die heutige Krise oder: Die Wiederkehr der ›säkularen Stagnation‹«. (as)

  • · Literatur

    Den Sozialismus organisieren

    Vladimiro Giacché bietet einen Überblick über das wirtschaftspolitische Programm Lenins
    Simon Zeise
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    Bedingungen für die sozialistische Gesellschaft schaffen: Lenin hat es vorgemacht (St. Petersburg, 2.9.2018)

    Wie sollen wir den Sozialismus aufbauen? Der italienische Philosoph und Ökonom Vladimiro Giacché widmet sich in seinem Buch »Lenins ökonomisches Denken nach der Oktoberrevolution« dieser Frage. Auf nicht einmal 150 Seiten hat er die Herausforderungen dargestellt, vor denen die Bolschewiki nach der Machtergreifung standen.

    Nach der großen sozialistischen Oktoberrevolution 1917 formulierte Lenin die wesentlichen Ziele: »Unterdrückung des Geldes, Unterdrückung des Kapitals, Unterdrückung der Ausbeutung«.

    Doch die Unterstellung aller Banken – der »Nervenknoten des gesamten kapitalistischen Systems der Volkswirtschaft« – in eine Staatsbank rüttelte noch nicht an den Eigentumsverhältnissen. Der Arbeiterstaat sollte zunächst in die Lage versetzt werden, nachvollziehen zu können, wohin die Abermilliarden Rubel im Land flossen. Nur so konnte der Spekulation ein Riegel vorgeschoben und damit sichergestellt werden, dass das Geld dem Wirtschaftskreislauf zugute kam. Lenins Absicht war es, schreibt Giacché, die Industrie unter kapitalistischen Verhältnissen laufen zu lassen, aber Schritt für Schritt unter die Kontrolle der Arbeiter zu bringen. Sie sollte mittels der durch die Bank ausgeübten staatlichen Kontrolle von oben unterworfen werden.

    Doch wer entscheidet, was in einer Gesellschaft hergestellt wird und wieviel Arbeitskraft die Arbeiter dafür zur Verfügung stellen müssen? Für Lenin war die Antwort klar: Die Großproduktion musste zentralisiert werden. Forderungen etwa der Schiffahrtsgewerkschaft, die Planung der Produktion den in den jeweiligen Branchen tätigen Arbeitern zu überlassen, erteilte er eine klare Absage: »Aufgabe des Sozialismus ist es, alle Produktionsmittel in das Eigentum des gesamten Volkes zu überführen, jedoch keineswegs, die Schiffe den Schiffsarbeitern, die Banken den Bankangestellten zu übereignen«, erklärte Lenin.

    Die Stärke des Buches ist es, dass Giacché die Diskussionen über die Ausrichtung der Wirtschaftspolitik unter den Bolschewiki nachzeichnet. Lenin wandte sich gegen die »Jammerrevolutionäre« der von Nikolai Bucharin angeführten Parteiopposition der »linken Kommunisten«, die eine kollektive Leitung der Betriebe forderten. Für Lenin hatte das »Kollegialitätsprinzip bestenfalls eine ungeheure Verschwendung der Produktivität zufolge«. Die kapitalistische Produktionsweise musste auf die nächste Entwicklungsstufe gehoben werden. Die ausgefeilteste Technik, die Fließbandproduktion des »Taylorismus«, sollte von der »Indienstnahme für die kapitalistische Ausbeutung befreit werden«. Statt dessen setze der Produktivitätszuwachs durch die rationalisierte Produktionsweise Arbeitskraftpotentiale frei. Die Arbeitstage konnten verkürzt werden und die Arbeiter dadurch ihre Fähigkeiten entfalten.

    Den Gewerkschaften kam eine neue Rolle zu. Sie sollten die Arbeiter lehren, »den Staat zu regieren und die Industrie zu leiten, dass wir die praktische Arbeit entfalten und jenes in Jahrzehnten und Jahrhunderten in den Arbeitermassen eingewurzelte schädliche Vorurteil vernichten können, wonach das Regieren des Staates Sache der Privilegierten sei, wonach das eine besondere Kunst sei«.

    Viele Genossen brachte Lenin gegen sich auf, als er die Neue Ökonomische Politik verkündete. Lenins Plan sah vor, ausländischen Kapitalisten zu erlauben, auf Ressourcen zuzugreifen, gegen die Entrichtung eines Gewinnanteils an die Sowjetunion.

    Mit den verhassten Kapitalisten paktieren? Wie Molotow berichtete, waren die Genossen »desillusioniert, warfen ihre Parteibücher hin und ergaben sich dem Suff«. Doch die im Kampf gegen die Invasion der Imperialisten notwendig gewordene Warenkonfiskation und -zuteilung, die Lenin als »Kriegskommunismus« bezeichnete, drohte das Land schwer zurückzuwerfen.

    Die Produktion konnte durch frisches Kapital auf stärkere Füße gestellt werden. Und endlich konnten sich die Bolschewiki den drei Hauptfeinden zuwenden. Doch wieder preschten Bucharin und Co. vor: Es sei an der Zeit, das Geld abzuschaffen. Durch den Druck von unverhältnismäßigen Mengen Papiergeld sollte sich die Gesellschaft des schnöden Mammons entledigen. Bucharin dachte, durch den »Prozess der Vernichtung des Warensystems als solchem« finde eine »›Selbstverneinung‹ des Geldes« statt, die sich unter anderem »in der sogenannten ›Geldentwertung‹« ausdrücke. Lenin entgegnete, um das Geld abzuschaffen, sei es nötig, »die Organisation der Verteilung der Produkte für Hunderte Millionen Menschen in Gang zu bringen – eine Sache vieler Jahre. Weder der Warenaustausch noch das Geld könnten per Dekret abgeschafft werden. Beides gehe nur unter Voraussetzung einer den vorangegangenen Gesellschaftsformationen überlegenen Arbeitsorganisation – des Sozialismus. Wer Giacchés Buch gelesen hat, wird dieses Ziel schneller erreichen.

  • · Interviews

    »Die Kapitalisten sind zu weit gegangen«

    In der Euro-Zone stehen die Zeichen auf Rezession. Ein Gespräch mit Vladimiro Giacché
    Simon Zeise
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    Protest während der Vertrauensabstimmung über den Haushalt im italienischen Parlament (Rom, 29.12.2018)

    Was sind die Ursachen der Euro-Krise?

    Die Probleme, die in der Krise 2009/10 und in den folgenden Jahren zum Vorschein kamen, sind nicht gelöst worden. Das heißt, es gibt eine tiefe Spaltung zwischen den Mitgliedsstaaten. Die Ungleichheit ist noch größer geworden. Ich glaube, dass die neoliberale EU an ihre Grenzen stößt. Der Wettbewerb zwischen den Staaten beruht auf einem Wettrennen der Löhne und der Unternehmensbesteuerung nach unten. So steht es in den EU-Verträgen. Das Ergebnis sehen wir heute: Es gibt ein tiefes Unbehagen nicht nur im Süden, sondern auch in Frankreich und Deutschland. Wenn wir betrachten, was in den vergangenen zehn Jahren passiert ist, sehen wir, dass die gesamte Europäische Union mehr oder weniger in ein großes Deutschland transformiert worden ist. Ein großer Wirtschaftsraum wurde auf Merkantilismus ausgerichtet. Dessen Kern ist Lohndeflation.

    Sie leben in Italien. Die dortige Regierung hat sich ein langes Scharmützel mit der EU-Kommission um die Ausweitung des Haushaltsdefizits geliefert. Wie bewerten Sie die Einigung?

    Die italienische Regierung hatte zunächst die Neuverschuldung des Haushalts auf 2,4 Prozent des BIP angesetzt. Rausgekommen sind 2,04 Prozent. Für eine expansive Wirtschaftspolitik wären fünf Prozent notwendig. EU-Wirtschaftskommissar Pierre Mos­covici sagte: Die Maßnahmen sind nicht optimal, aber immerhin ist das Defizit reduziert worden. Es werde keine Sanktionen gegen Italien geben. Leider werde das Wachstum in Italien aber dadurch niedriger ausfallen. Das ist paradox. Natürlich ist das Wachstum niedriger, weil die expansive Wirtschaftspolitik gestoppt wurde – von der EU.

    Die italienische Verfassung steht im direkten Widerspruch zu den EU-Verträgen. Sie sieht den Kampf gegen Arbeitslosigkeit vor. Die EU-Verträge stellen hingegen die Preisstabilität an die erste Stelle. Es handelt sich hierbei nicht um verschiedene, sondern um sich widersprechende Werte. Das ist sehr wichtig zu betonen. Um Preisstabilität, also geringe Inflation, zu gewährleisten, bedarf es hoher Arbeitslosigkeit und niedriger Löhne.

    Wann wird die nächste Krise in der Euro-Zone offen ausbrechen?

    Es gibt eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass 2019/20 eine Rezession einsetzt. Das hängt davon ab, wie sich die inneren Widersprüche der EU entwickeln. Es hängt auch davon ab, wie schnell im Fall einer Krise alle gegenwärtigen Regeln in der EU gebrochen werden können. Wenn die Kapitalvorschriften, wie sie etwa in der sogenannten Bankenunion gelten, beibehalten werden, wird die Krise schlimmer ausfallen und schwieriger zu behandeln sein. 2009 wurden die Regeln, die Staatshilfen untersagen, über Nacht stillschweigend außer Kraft gesetzt. Das hat die enorme Sozialisierung der Verluste aus dem Bankenwesen ermöglicht. Man hätte unter den bestehenden Regeln nicht 259 Milliarden Euro für die Banken ausgeben können. In der EU wurde versucht, die Regeln auf europäischer Ebene zu harmonisieren, wie man zu sagen pflegt. Für die großen Konzerne war das zweifellos ein Vorteil. Aber ich glaube, die Kapitalisten sind zu weit gegangen.

  • · Interviews

    »Kommunistische Partei, was denn sonst?«

    Über historisches Interesse von Linken, Sichdrücken vor Lenin und den Zusammenschluss von Ausgebeuteten und Kriegsgegnern. Ein Gespräch mit Dietmar Dath
    Interview: Arnold Schölzel
    Erscheinungsdatum des Plakats unbekannt
    Erscheinungsdatum des Plakats unbekannt

    Sollten sich heutige Linke mit der KPD-Gründung befassen? Wenn ja, womit besonders?

    Von denjenigen Linken, die von der Geschichte nichts wissen wollen, will die Geschichte nichts wissen. An der KPD interessiert historisch ganz besonders der Zeitpunkt ihrer Gründung – geschah sie zu früh? Zu spät? Gerade richtig? –, ihre Verankerung in den Klassenkämpfen des Sprachraums, mit dem sie reden musste. Die war anfangs gewährt, dummerweise eher nicht durch Verankerung überall vor Ort, sondern durch ihre prominentesten Leute, die diese Klassenkämpfe nicht losgelassen hatten, als die SPD 1914 ihren ersten unverzeihlichen praktischen und etwa zehnten theoretischen Verrat beging. Ihre auf Kenntnis beruhende Vernetzung mit dem Weltkommunismus – zuerst noch beklagenswert niedrig – und ihr hohes theoretisches Niveau, verbürgt wiederum durch die berühmten Leute in ihren Reihen, darunter die Berühmteste: Rosa Luxemburg.

    In der Reihe Basisbiographien erschien bei Suhrkamp 2010 Ihre Arbeit über Rosa Luxemburg. Darin schreiben Sie: »Wer zu Beginn des 21. Jahrhunderts aktuelle Schriften der weltweiten, sich gerade erst von schwersten Niederlagen erholenden Linken studiert, begegnet überall Luxemburgs Denken.« Und: »Die Gejagte zum Schweigen zu bringen, das ist den Jägern missglückt.« Rosa Luxemburg hat neben Karl Liebknecht maßgeblich den Gründungsparteitag der KPD und deren erstes Programm geprägt. Warum spielt das bei vielen, die sich heute auf sie berufen, keine Rolle?

    Weil viele, die sich heute auf sie berufen, das tun, um in Schönheit und Reinheit zu sterben oder bei Gelegenheit sagen zu können: Für den Kommunismus arbeiten, das ist zu schwer, man sieht ja, man verliert nur, selbst Rosa Luxemburg ist den Schweinen unterlegen usw. – also: als Ausrede für das seit mehr als hundert Jahren bei jenen »vielen« sehr beliebte Sichdrücken um den Leninismus.

    Sehen Sie Unterschiede zu Lenins Parteiauffassung?

    Ich möchte sehr davor warnen, die Weltgeschichte als einen Kampf von Ideen und Auffassungen zu sehen. Sie besteht aus Streit von Interessen, und nicht einmal die Partei, welche die eigenen ungeschickt – oder mit zuwenig Theorie oder zuviel Theorie oder falscher Theorie verfolgt –, verliert unbedingt immer – es ist lustigerweise sogar vorgekommen, dass die Dummen mal die Stärkeren waren. Das passiert zum Beispiel, weil die Klügeren nachgeben oder wo umgekehrt die Dummen aus Zufall oder Laune in einem wichtigen Moment die Flexibleren sind, wo die Klugen zu stur bleiben usw. – also: die bürgerliche, vor allem die linksbürgerliche Geschichtsbetrachtung begeistert sich gern für Rosa Luxemburgs Text »Massenstreik, Partei und Gewerkschaften« (1906), wo von Spontaneität und breitem Aufruhr die Rede ist und die Partei eher eine Art wichtiger Randbedingung des Umsturzes darstellt, so etwas wie eine Art Unterschrift unter den gesalzenen Brief, den die Massenaktion der herrschenden Klasse schreibt, damit sie das Feld räumt.

    Bei Lenin in »Was tun?« (1902) dagegen ist die Partei dagegen das Brennglas, durch das die Sonnenstrahlen der Theorie auf einen schlechten Zustand scheinen und davon gebündelt werden, bis der Zustand brennt. Was sich aber mehr unterschied bei den beiden als diese Auskünfte der Lehre war der reale Instrumentalismus, die unterschiedliche Geschicklichkeit. Es gibt Leute, die sagen, Lenin hat seine Arbeitszusammenhänge früher von den rechten Sozialdemokraten getrennt und war also spaltungswilliger, daher erfolgreicher. Beides war er zwar im entscheidenden Moment wirklich, aber man darf nicht vergessen, dass er deswegen noch lange kein Sektierer war, sondern im Gegenteil selbst den sogenannten Sozialrevolutionären, so etwas wie dem zeitgenössischen Pendant der abscheulichen Grünen, gelegentlich entgegenkam, wenn sie eine gute Idee hatten – wodurch ihm unter anderem gelang, der aufmerksamen Mehrheit des wachen Publikums zu demonstrieren, dass er die guten Ideen der Konkurrenz oft genug viel ernster nahm als diese selbst.

    Vor allem aber tat Lenin, was immer er in Parteidingen tat, nicht aus dem Impuls, einer Theorie zu folgen, sondern aus dem viel wichtigeren, nur oberflächlich ähnlichen, den noch Unwissenden die Wahrheit dieser Theorie zu demonstrieren. Er machte mit Parteipolitik den Marxismus bekannt und mächtig, seine Beweise standen als Nachrichten in der Zeitung, die von Rosa Luxemburg eher als Überlegungen in Büchern. Dafür konnte sie wenig; die Umstände waren ihr ungünstiger, die Sozialdemokratie im deutschsprachigen Raum war besonders abgefeimt und schon viel zu trainiert im Heucheln, im Zermürben der Besten in ihren Reihen, im Opportunismus und Revisionismus, als Rosa Luxemburg zu ihr stieß. Da blieb ihr wenig mehr, als zu argumentieren, und das ist halt leider immer die ohnmächtigste Form der Praxis.

    Rosa Luxemburg hielt eine kommunistische Partei für ein unerlässliches Instrument im Kampf gegen den imperialistischen Krieg. War das zu sehr der Zeit verhaftet? Was bedeutet es für heute?

    Wie nennt man einen Zusammenschluss, in dem alle – sowohl die Berufssoldatin wie der deklassierte Intellektuelle wie die Friseuse wie der Müllfahrer wie die Ärztin wie der arbeitslose Zahntechniker wie der selbstausbeutende Journalist – Kontakt mit den Klassenkämpfen aller anderen in dieser Aufzählung halten können und dann, wenn die nationalen und übernationalen Verabredungen und Antagonismen zwischen den verschiedenen Abteilungen des Feindes, der Ausbeuterklasse, wieder mal einen Krieg anzetteln, mit einer Idee von einer besseren Gesellschaft im Kopf diesem Krieg widerstehen? Sicher nicht Gewerkschaft, denn ganz offensichtlich passen nicht alle Genannten in dieselbe. Sicher aber auch nicht »Bewegung«, denn diese Menschen werden sich, ihre so unterschiedlichen konkreten Probleme – welche alle ja ein bis drei abstrakte Gesamtprobleme vermitteln – vorausgesetzt, nicht synchron und also schlagkräftig »bewegen« können, wenn das nicht sehr arbeitsaufwendig koordiniert wird. Also, man nenne das, was die alle brauchen, wie man will, aber es ist doch eine kommunistische Partei, was denn sonst?

  • · Berichte

    Für einen Tag? Die Mühe lohnt!

    Verstetigte Tendenzen: Zur Kunstausstellung der 24. Rosa-Luxemburg-Konferenz im Januar
    Dirk Keul
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    »Der Porträtierte stellt auch selbst aus« (Bild von Irmgard Voelz)

    Seit sechs Jahren bereichert das Berliner Künstlerkollektiv der »Gruppe Tendenzen« die Internationale Rosa-Luxemburg-Konferenz (RLK). Die erfreuliche Verstetigung bedeutet: Nach der Konferenz ist vor der Konferenz, und so war bereits im Frühjahr das Thema der Ausstellung zur bevorstehenden 24. RLK gefunden: »Für antiimperialistische Solidarität und sozialen Fortschritt. Abrüsten statt aufrüsten!« Es folgten Konkretisierungen im Vorbereitungsbündnis und ein Teilnahmeaufruf an Künstler. Eine große Zahl von Einsendungen stellte eine fünfköpfige Jury vor die schwierige Entscheidung, welche Objekte im begrenzten Ausstellungsraum aufgehängt oder sonstwie plaziert werden.

    Am Tag der Konferenz, dem 12. Januar, werden mehr als 50 Exponate von 21 Künstlern zu sehen sein, darunter Öl- und Acrylbilder auf Leinwand, Collagen, Grafiken und Zeichnungen sowie vier Installationen. Ein enormer Organisationsaufwand für eine ehrenamtliche Kreativbrigade im Pensionsalter. Alles für einen einzigen Präsentationstag? Die Mühe lohnt! Mehr als 3.000 Augenpaare werden mit den vielfältigen Umsetzungen des Aufrufs befasst sein, den klaren plakativen Werken wie den verstörenden Installationen. Formen von Gegenkultur, die zu Diskussionen anregen werden.

    Sicherlich werden sich bei der Eröffnung um 10.30 Uhr einige an Veranstaltungen in der DDR erinnern, etwa die »Galerie der Freundschaft«, die Jahresausstellung des Kunstunterrichts an DDR-Schulen. Das Thema der diesjährigen RLK-Ausstellung stand damals schon auf der Tagesordnung, so erschreckend aktuell es heute ist. Und auch das Bild von Irmgard Voelz, auf dem ein Mann Picassos Friedenssymbol auf den Asphalt kreidet (ziert den Flyer zur RLK-Ausstellung), gehörte damals garantiert zu den Ideen großer und kleiner Meister.

    Dass sich Künstler eines Zirkels nicht nur über die Schulter schauen, sondern sich auch gegenseitig porträtieren, gehört zum kollektiven Streiten, Kämpfen, Schaffen. Der Porträtierte auf dem Bild von Irmgard Voelz stellt am 12. Januar auch selbst aus. Sie erkennen ihn unter den Teilnehmern der Konferenz. Wetten?

  • · Interviews

    »Luxemburg hat Entwicklungen bereits aufgezeigt«

    Rosa-Luxemburg-Konferenz 2019 mit neuer Moderatorin: Über Inszenierungen, Lektüre und kapitalistische Krisen. Ein Gespräch mit Anja Panse
    Jan Greve
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    Rosa Luxemburg auf der Theaterbühne: Regisseurin Anja Panse (rechts) und Schauspielerin Susanne Jansen (Berlin, 22.5.2017)

    Als Schauspielerin und Regisseurin sind Sie auf vielen Theaterbühnen zu Hause. Was erwarten Sie, wenn Sie im Januar auf der Bühne der Rosa-Luxemburg-Konferenz die Moderation übernehmen?

    Es ist auf jeden Fall eine ganz andere Herausforderung. Dort kann ich mich nicht hinter einer Rolle verstecken, sondern werde da als die Person stehen, die ich bin. Ich freue mich sehr auf diese große Aufgabe. Mit meinem Theaterstück »Rosa – Trotz alledem« war ich bereits Teil der letzten Konferenz im Januar 2018. Von daher weiß ich ungefähr, wie viele Leute aus aller Welt da sein werden. Das ist auch etwas aufregend.

    Sie haben in diversen Städten gespielt, unter anderem in Rostock, Göttingen, Weimar, Berlin, auch in Polen sind Sie gewesen. Wie würden Sie Ihren Werdegang beschreiben?

    Angefangen habe ich mit einem Schauspielstudium in Rostock. In der Stadt habe ich zwölf Jahre gespielt, auf unterschiedlichen Bühnen. 2007 ergab sich für mich erstmals die Möglichkeit, ein Stück zu inszenieren. Die habe ich genutzt und dabei gemerkt, dass mir diese Arbeit sehr liegt. Von da an habe ich in jeder Spielzeit eine Inszenierung machen dürfen. 2009 entschied ich mich dann, die Seiten zu wechseln und verstärkt Regie zu machen. Auf diese Weise kann ich meine eigene Vision vom Theater besser verwirklichen. Daran hat sich bis heute wenig geändert, hauptsächlich arbeite ich als Regisseurin.

    Kann man von Ihnen als Moderatorin auch eine entsprechende Inszenierung der Rosa-Luxemburg-Konferenz erwarten? Hat Sie diese Aussicht dazu motiviert, die Aufgabe zu übernehmen?

    Das kann man so nicht sagen. Die Entscheidung, dort zu moderieren, hatte andere Gründe. Ich habe bereits im Vorfeld schon viel mit der jungen Welt zusammengearbeitet. In der Ladengalerie in Berlin habe ich zum Beispiel schon verschiedene Lesungen gemacht. Dann wurde ich seitens der jungen Welt gefragt, ob ich die Moderation übernehmen würde. So ist das gelaufen.

    In der Rezension Ihres Theaterstücks »Rosa – Trotz alledem« war vor gut einem Jahr in der jungen Welt zu lesen: »Regisseurin Anja Panse kennt sich sehr gut mit Rosa Luxemburgs Politik und Leben aus.« Ist dem so?

    Ja, das stimmt. Ich habe sehr viel gelesen, ihre Briefe aus dem Gefängnis, ihre politischen Schriften, auch Biographien über sie. Nach wie vor bin ich sehr beeindruckt von dieser Persönlichkeit. Ich habe das Theaterstück unter anderem deswegen gemacht, weil ich so viele Parallelen zu unserem heutigen Leben erkannt habe. Was Luxemburg damals gesagt hat, ist auch heute noch von großer Relevanz für uns.

    Zwischen politischen Gedanken und künstlerischen Ausdrucksformen besteht aus Ihrer Sicht eine Verbindung?

    Unbedingt. Zusammenhänge vernünftig und klar darzulegen ist das eine, die sinnliche Erfahrung das andere. Die Erkenntnis, dass wir uns in einer Krise befinden, lässt sich auch über Emotionen wahrnehmen. Auch Rosa Luxemburg muss die Leute früher bei Kundgebungen begeistert haben, sie hatte eine große Leidenschaftlichkeit.

    Der Titel der anstehenden Konferenz lautet »Sozialismus oder Barbarei«. Sie sprachen von einer Krise, in der wir uns aktuell befinden. Wo genau stehen wir?

    Wir können sehen, dass überall aufgerüstet wird. Globale Probleme nehmen zu, was wir unter anderem an wachsenden Fluchtbewegungen wahrnehmen können. In der »Akkumulation des Kapitals« hat Luxemburg diese Entwicklungen bereits aufgezeigt: Solange das Kapital herrscht, werden Aufrüstungen und Kriege niemals aufhören, weil der Kapitalismus die Krise braucht. Das zeigt sich heute mehr denn je. Bislang war Umweltzerstörung zum Beispiel für viele ein abstraktes Thema – heute sehen wir, was es bedeutet. Es gibt eine unheilvolle Stimmung, zumal viele sich ohnmächtig fühlen. Um so wichtiger ist es, zusammenzukommen und darüber zu diskutieren, was wir tun können – gerade in einer internationalen Runde.

  • · Berichte

    Werk der Revolutionäre vollenden

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    Die Ideen von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht werden von den Besuchern der Konferenz aufgegriffen

    Die junge Welt gibt es nicht nur digital oder in gedruckter Form: Sie findet auch einmal jährlich als Tagesveranstaltung in Form der Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz statt. Ohne jW wäre diese Konferenz nicht durchführbar! Zeitung wie Konferenz sind einmalig im deutschsprachigen Raum, das erkennen auch immer mehr internationale Organisationen. So wird die kommende XXIV. Internationale Rosa-Luxemburg-Konferenz am 12. Januar 2019 im Berliner MOA-Kongresszentrum mehr als je zuvor ein internationales Meeting linker Kräfte vor allem aus Europa, aber auch aus anderen Teilen der Welt. Delegationen fortschrittlicher Organisationen und Gewerkschafter sind bisher aus Großbritannien, Spanien, Österreich, Belgien, Dänemark, der Schweiz und aus Kuba, der Türkei und Luxemburg angekündigt.

    Die Ideen von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, die vor einhundert Jahren die Kommunistische Partei Deutschlands mitbegründet und mit anderen Revolutionären den Kaiser und seine Getreuen davongejagt haben, werden von den Besuchern der Konferenz aufgegriffen: Wir erinnern gemeinsam daran, dass das Werk der Revolutionäre noch zu vollenden ist – so wie das die kubanischen Genossinnen und Genossen vor 60 Jahren vollbracht haben. Das ist kein Schnee von gestern, sondern dringende Zukunftsaufgabe. Es zeichnet sich schon heute ab, dass die kommende Konferenz die bestbesuchte ihrer Geschichte sein wird. Den Leserinnen und Lesern der jungen Welt empfehlen wir deshalb dringend, sich Einlassbänder im Vorverkauf zu sichern (online unter www.rosa-luxemburg-konferenz.de oder in der jW-Ladengalerie in Berlin). Alle Bestellungen, die uns bis zum 4. Januar erreichen, werden rechtzeitig ausgeliefert. Weil danach ein zuverlässiges Zusenden der Bänder nicht mehr gewährleistet werden kann, nehmen wir ab dem 5. Januar nur noch Reservierungen entgegen. Reservierte Einlassbänder müssen am Veranstaltungstag bis spätestens 10.45 Uhr an der Tageskasse abgeholt werden. Im Moment ist unklar, wie viele Restkarten an der Tageskasse ohne Vorbestellung noch verfügbar sein werden.

    Vorbereitungsgruppe Internationale Rosa-Luxemburg-Konferenz 2019

  • · Teilnehmer

    Ein aufrichtiges Lied

    Porträt des kubanischen Musikers Eduardo Sosa, der im Januar bei der Rosa-Luxemburg-Konferenz in Berlin zu Gast sein wird
    Volker Hermsdorf
    Eduardo Sosa: “Yo sigo siendo un cubano de a pie, jaranero y tra
    Eduardo Sosa spielt Luftgitarre

    Der Liedermacher Eduardo Sosa ist weltweit gefragt, kehrt aber am liebsten zu seinen Wurzeln zurück, wie er im Herbst nach einer Tour durch Dörfer und Städte im Osten Kubas erklärte. Sein bekanntester Titel »A mi me gusta, Compay«, das Lieblingslied von Che Guevaras Tochter Aleida, beginnt mit der Zeile »Ich lebe gerne hier, wo ich lebe«. Sosa wählte dafür den Stil einer Guaracha, die in Kuba lange zur Musik der benachteiligten sozialen Schichten gehörte.

    Sosa wohnt seit einigen Jahren in Havanna, aber es zieht ihn immer wieder in den »Oriente«, wie die Ostprovinzen in Kuba genannt werden, und dort besonders zu den Menschen, die selten in Konzertsäle gehen. Musik sei Teil der kulturellen Identität seines Landes, sagte er 2015 in einem jW-Interview. »Wenn ein Land seine Kultur verliert, existiert es nicht mehr.« Dagegen lohnt der Kampf: »Als Musiker will ich die kubanische Musik verteidigen und bekanntmachen«.

    Vorzugsweise setzt Sosa auf kubanische Rhythmen wie den Son, den Bolero oder die Guaracha, auch wenn sein Repertoire genauso Balladen und Blues umfasst. Er stand mit dem spanischen Weltstar Ana Belén auf der Bühne und mit kubanischen »Trovadores« wie Pablo Milanés oder Silvio Rodríguez. Er tourte durch Lateinamerika und Europa, repräsentierte sein Land auf den Weltfestspielen der Jugend in Caracas (2005), Quito (2013) und Sotschi (2017).

    Geboren wurde er am 18. April 1972 im Municipio Mayari, einer an San­tiago de Cuba grenzenden Region im Osten. Berühmteste Söhne des Municipios sind die Brüder Fidel und Raúl Castro, die auf dem väterlichen Gutshof im Dorf Birán zur Welt kamen. Im »Oriente« verbinden sich die revolutionären Traditionen der »Mambises« aus den Unabhängigkeitskriegen gegen die spanische Kolonialherrschaft mit der traditionellen kubanischen Musik.

    Wie sein großes Vorbild Miguel Matamoros, ein legendärer Komponist, Sänger und Bandleader, ist Sosa Autodidakt. Inspiriert durch seine Großmutter sei die Musik seine vielleicht größte Liebe geworden, sagt er. »Ich habe als Kind gern gesungen und wollte mich dazu auf der Gitarre begleiten. Ein Nachbarsjunge zeigte mir einen Akkord, ein Freund dann einen anderen.« Eine Musikschule hat Sosa, der einen Hochschulabschluss als Lehrer besitzt, nie besucht. Aber mit zwölf ist er schon auf Veranstaltungen von Studentenorganisationen aufgetreten, später gewann er als Mitglied des Studentenverbandes FEU zahlreiche Preise. Zum Profi wurde Sosa als Gründungsmitglied des Duos »Potrova« ab 1997. Fünf Jahre lang hatten er und Ernesto Rodríguez Alvarez große Erfolge mit modernen Arrangements traditioneller kubanischer Musik, zwei Aufnahmen erscheinen beim Major-Label EMI.

    Nach der Auflösung des Duos im Jahr 2002 widmete sich Sosa verstärkt der »Trova« und entwickelte sich solo weiter. 2017 erhielt er für sein Album »Como si fueran mías« den renommierten Schallplattenpreis »Premio Cubadisco«. Er will das nachlassende Interesse der jüngeren Generation »an unseren Ursprüngen« wecken: »Wir sollten neue Einflüsse integrieren, aber dabei dürfen unsere Wurzeln nicht verloren gehen.«

    Die 21jährige Sängerin Annie Garcés, die mit Sosa im Herbst auf Tour durch den Osten Kubas war, ist eine Vertreterin der jungen Musikergeneration, die der Liedermacher dabei im Sinn hat. Beide waren gemeinsam auch an der Einspielung von Raúl Torres’ Komposition »Cabalgando con Fidel« beteiligt. Nach dem Tod des Revolutionsführers Fidel Castro wurde die Aufnahme in 40 Stunden – ohne Pause – in den Abdala-Studios von Havanna gemacht. »Ich fühlte mich sehr bewegt und emotional aufgewühlt, dass sie mich gebeten hatten mitzuwirken«, sagte Annie Garcés, die jüngste beteiligte Interpretin.

    Eduardo Sosa sieht in dem spontan und kollektiv aufgenommenen »Cabalgando con Fidel« eine Bestätigung seiner künstlerischen Vorstellungen. Das Lied sei kein Pamphlet. »Und obwohl uns die Zeit im Nacken saß, wollten wir unbedingt Musiker verschiedener Generationen und Genres dabei haben«. Geschichte und Wirken Fidels bewegen Generationen. Menschen aller Altersgruppen teilen seine Ansichten, Bestrebungen und Träume. »Fidel besaß unbestreitbar menschliche Größe, war als Führer dieses Landes angesehen und war für viele andere Teile der Welt Orientierung und Impulsgeber«, sagt Sosa. »Cabalgando con Fidel« sei ein aufrichtiges Lied: »Ich identifiziere mich mit seiner Aussage.« Am 12. Januar ist der Liedermacher Eduardo Sosa Gast der XXIV. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz in Berlin.

  • · Interviews

    »USA wollen sich Monopolrenten sichern«

    Kriege, Sanktionen, Austeritätspolitik: Die Vereinigten Staaten sind die imperialistische Hauptmacht. Ein Gespräch mit Michael Hudson
    Simon Zeise
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    Auf einer Anzeigetafel in Nigeria wird der aktuelle Dollar-Kurs ausgewiesen (Lagos, 15.5.2018)

    Imperialismus bedeutet Krieg …

    Nein, Krieg ist nur ein Mittel, mit dem der Imperialismus seine Ziele durchsetzt. Imperialismus bedeutet, sich die Einkommen und das Eigentum anderer Länder anzueignen; deren Politik zu bestimmen, sie abhängig von der imperialen Macht zu machen. Der Imperialismus schafft ein internationales System, dass unmittelbar vom Zentrum regiert wird.

    Wie wichtig ist der Dollar für den US-Imperialismus?

    Seit 1971, als die USA den Goldstandard aufgaben, ist der Dollar bis heute das Mittel, um sich das Geld anderer Länder anzueignen. Die Zentralbanken anderer Länder halten ihre Ersparnisse zum Großteil in Form von Krediten der USA, in US-Staatsanleihen oder anderen Investitionen in den Vereinigten Staaten. Allerdings hat sich in den vergangenen Monaten einiges verändert. Der russische Präsident Wladimir Putin hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die US-Regierung andere Länder aus dem Dollar-Währungsgebiet treibt. China, Russland und andere Staaten sind verunsichert, ob sie ihr Geld in Dollar anlegen sollen, weil es ganz einfach beschlagnahmt werden kann. Hinzu kommt, dass sich diese Staaten darüber im klaren sind, durch den Erwerb von US-Staatsanleihen ihre eigene militärische Umzingelung zu finanzieren. Darauf sind sie selbstverständlich nicht besonders erpicht, weshalb sie mehr und mehr Geld in Gold und Euros investieren. Sie wollen nicht mit ihren Rücklagen den US-Rüstungshaushalt finanzieren.

    Wie setzen die USA ihre Interessen durch?

    Indem sie ihre eigenen Regeln schaffen. Die USA haben Sanktionen gegen Iran verhängt. Jedes Land, das eine Bank nutzt, um Handel mit Iran zu treiben, kann mit Milliardenstrafen belegt oder dessen Bürger können verhaftet werden. So ist es Anfang Dezember geschehen, als die Finanzchefin des chinesischen Technologiekonzerns Huawei, Meng Wanzhou, in Kanada festgesetzt wurde.

    Jedes Gesetz, das in den USA verabschiedet wird, muss in der Peripherie angewendet werden. Der Imperialismus hat eine totalitär geplante Wirtschaft geschaffen. Die Wirtschaft in der Peripherie wird vom ökonomischen Zentrum gelenkt. Die wesentlichen Akteure sind dabei die Vertreter der Wall Street und des Militärs.

    Auf militärischem Gebiet nehmen die USA für sich in Anspruch, jedes Land angreifen zu können. Kein Staat darf über ein militärisches Verteidigungssystem verfügen, das einer Intervention standhalten kann. Deshalb ist Washington das russische Verteidigungssystem ein so großer Dorn im Auge. Die Aufgabe der NATO ist es, sicherzustellen, dass ein eskalierender Konflikt zwischen Russland und den USA in erster Linie auf europäischem Boden ausgetragen wird.

    Welches Ziel verfolgt die US-Regierung in dem Handelskrieg mit China?

    Alle Industriekonzerne, die Monopolrenten abwerfen, sollen von den USA kontrolliert werden. Besonders mit neuen Informationstechniken können hohe Wachstumsraten erzielt werden. Die Vereinigten Staaten können nicht länger als ein produzierendes Land handeln, weil die sogenannten Arbeitskosten zu hoch sind. Washington hat die Absicht, die chinesische Ökonomie zum Erliegen zu bringen. Die Kommandohöhen der Wirtschaft, die chinesischen Monopole, Banken, das Finanzsystem sollen von der Wall Street und nicht von Beijing befehligt werden.

    Setzt US-Präsident Donald Trump außenpolitisch auf einen anderen Kurs als sein Amtsvorgänger Barack Obama?

    Nein, Trumps Politik wird genauso von den Leuten des sogenannten tiefen Staates betrieben, Vertretern der Geheimdienste NSA und CIA. In militärischen Fragen hält er sich an die alten Kalten Krieger, die einen militärischen Konflikt in der Ukraine heraufbeschwören wollen, der sich in Europa ausbreiten soll. Nicht zu vergessen, dass Trump die Europäer auffordert, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für das Militär auszugeben. Unter den geltenden EU-Verträgen bedeutet das, wenn Länder mehr Geld für Waffen ausgeben wollen, müssen sie bei Sozialprogrammen sparen. Das heißt also: Wenn Trump fordert, mehr Geld für Waffen auszugeben, fordert er gleichzeitig, Sozialleistungen zu kürzen. Das Resultat ist Austeritätspolitik. Dies ist ein Nebenprodukt des Imperialismus: Kürzungsprogramme werden in der Peripherie durchgesetzt, damit die Vermögen in den USA steigen.

  • · Teilnehmer

    Wir feiern die Revolution

    Nieves Iliana Hernández, Abel Prieto und Eduardo Sosa sind Ehrengäste aus Kuba
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    Fidel Castro mit dem langjährigen kubanischen Kulturminister Abel Prieto (m.) und dem argentinischen Autor Atilio Boron in Havanna am 11. Juni 2005

    Im Januar vor 100 Jahren gelang es der Reaktion, die Novemberrevolution in Deutschland militärisch abzuwürgen, dem Blutbad fielen auch Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht zum Opfer. Im Januar vor 60 Jahren gelang es der Reaktion nicht, die Kubanische Revolution der Frauen und Männer um Fidel Castro und Che Guevara zu verhindern. Auch Überfälle, Blockaden, Boykott, Lüge und Hetze konnten nicht verhindern, dass das kubanische Volk bis heute an der Revolution festhält. Selbst als das sozialistische Weltsystem wegbrach und Kuba wegen großer ökonomischer Probleme vor riesigen Herausforderungen stand, hielt die rote Insel stand. Kuba ist und bleibt für uns ein Ansporn, selbst unter härtesten Bedingungen unnachgiebig für eine gerechte Welt zu kämpfen. Deshalb haben wir schon vor einem Jahr beschlossen, auf der kommenden Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz am 12. Januar 2019 den 60. Jahrestag der Kubanischen Revolution mit einer einstündigen Manifestation zu feiern und den kubanischen Genossinnen und Genossen zu danken.

    Seit wenigen Tagen steht nun das Programm für die Manifestation fest. Es ist uns eine ganz besondere Ehre und Freude, dass wir unseren Leserinnen und Lesern eine hochkarätige Delegation aus Kuba ankündigen können: Mit dem Liedermacher und Sänger Eduardo Sosa kommt ein beliebter Musiker der Insel, mit Nieves Iliana Hernández die Europaverantwortliche der internationalen Abteilung des ZK der Kommunistischen Partei Kubas und mit Abel Prieto ein Schriftsteller, der viele Jahre hindurch Kulturminister des Landes und Berater von Raúl Castro war. Sie werden darüber berichten, mit welchen Anstrengungen die Kubanische Revolution weiterentwickelt wird und welche Rolle die Kultur in den revolutionären Prozessen spielt.

    Die Manifestation mit Liedern, Vortrag und Diskussion findet am späteren Nachmittag des 12. Januar im großen Saal des Mercure-Hotels MOA statt. Schon morgens wird um 10.20 Uhr die kubanische Band Proyecto Son Batey durch die Veranstaltungsräume in den großen Versammlungsraum ziehen, wo um 11 Uhr die Konferenz eröffnet wird. Beendet wird sie mit dem gemeinsamen Singen der »Internationale« um 20 Uhr im selben Saal, danach darf in der Lounge mit Mojitos zu den Klängen der Band weitergefeiert werden (falls man nicht lieber an der Lenin-Liebknecht-Luxemburg-Feier der DKP im Hause teilnehmen will).

    Besuchern der Rosa-Luxemburg-Konferenz empfehlen wir, sich rechtzeitig in der jW-Ladengalerie oder über das Onlineformular das Einlassbändchen zu bestellen. Das erspart lange Wartezeiten an der Tageskasse. Dort wird es – wenn überhaupt – nur noch Restkarten geben: Bis heute wurden bereits 1.100 verkauft.

    Dietmar Koschmieder (Verlag 8. Mai), Stefan Huth (junge Welt), Susann Witt-Stahl (Melodie & Rhythmus), Simon Zeise (LPG junge Welt eG)

  • · Berichte

    Stärke durch Zusammenhalt

    Mesale Tolu berichtete in Frankfurt am Main über Haftzeit und setzt sich für nach wie vor eingesperrte Kollegen ein
    Gitta Düperthal
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    Mesale Tolu im Oktober vor einem Gerichtstermin in Istanbul

    »Die Einschränkung der Meinungsfreiheit bekämpft man am besten, indem man von ihr Gebrauch macht«, hatte Regula Venske, Präsidentin der deutschen Schriftstellervereinigung PEN, gesagt, um Mesale Tolu anzukündigen. Kämpferisch trat die 34jährige freie Journalistin und Übersetzerin vor etwa 680 Zuschauern im ausverkauften Saal der Soirée mit Amnesty International (AI) am Montag abend im Schauspiel Frankfurt am Main auf. Tolu war in der Türkei selbst unter Terroranklage gestellt worden, hatte dort bis Dezember 2017 acht Monate in Untersuchungshaft gesessen – zusammen mit ihrem heute dreijährigen Sohn. Weitere acht Monate war die in Ulm aufgewachsene Frau in der Türkei mit einer Ausreisesperre belegt worden.

    Anlässlich des 70. Jahrestages der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte erinnerte sie an die zahlreichen Aktivisten und Oppositionellen, die nach wie vor in der Türkei hinter Gittern sitzen. Am 10. Dezember 1948 um drei Uhr morgens hatte Eleanor Roosevelt als US-Vertreterin bei den Vereinten Nationen die UN-Charta nach nächtlichem Feinschliff verlesen. Mehr als 190 Staaten hatten sie zeitweise unterzeichnet.

    Mesale Tolu passte exakt zum Programm, das AI an diesem Abend mit ihrer Kampagne »Schreib für Freiheit« verband. Ähnlich wie bei der Aktion der Gewerkschaft Verdi unter dem Motto »Journalisten sind keine Verbrecher« ging es darum, politischen Gefangenen Solidaritätsschreiben zu schicken. Dazu forderte auch Tolu auf. Sie selbst habe Stärke entwickeln können, weil sie Postkarten von Frauen »aus der ganzen Welt« erhalten habe. Auch der Zusammenhalt mit aus ähnlichen Gründen eingesperrten Frauen sei hilfreich gewesen.

    Zwar habe das türkische Regime versucht, die Gefangenen von der Außenwelt so weit wie möglich abzuschirmen – in ihrem Fall sei dies aber nicht gelungen. »Ich habe Hoffnung, weil ich weiß, dass die Menschheit Kraft für den Widerstand gegen diese Diktatoren und Autokraten hat«, sagte Tolu. Es gelte, energisch gegen sie vorzugehen und die in Europa erstarkenden extremen Rechten wieder in ihre Ecken zu verbannen. »Wir müssen unsere Vielfalt gegen deren Einfalt verteidigen«, sagte Tolu. Obgleich ihr eigener Fall längst nicht abgeschlossen ist, zeigt sie sich optimistisch. Wie ihrem Ehemann Suat Corlu wird ihr die Mitgliedschaft in der MLKP (Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei) vorgeworfen. Die Türkei stuft letztere wie viele andere Organisationen als Terrororganisation ein. Das Gericht hat den Prozess gegen das Ehepaar auf den 10. Januar vertagt. »Wir dürfen nicht an der Vergangenheit haften bleiben«, antwortete Tolu auf die Frage von Venske, ob sie noch darunter leide, »als Frau, Journalistin und Mutter ihrer Rechte beraubt worden zu sein«.

    Sie wolle sich wieder frei fühlen, um für die Kolleginnen und Kollegen weiter zu kämpfen, die mit Freiheitsentzug drangsaliert werden. Sie dankte der Bundesregierung für deren Einsatz für ihre Freilassung, mahnte aber, zur »Politik für die Menschen« zurückzukehren, statt sich für Wirtschaft und Militär einzusetzen.

    PEN-Präsidentin Venske bezeichnete die Türkei als »weltweit größtes Gefängnis für Schriftsteller«. Über Mexiko hätten ihr kürzlich Oppositionelle berichtet, dass dort Autoren nicht ins Gefängnis kämen, sondern »gleich ins Grab«.

    Der AI-Generalsekretär in Deutschland, Markus N. Beeko, plädierte anlässlich des Jahrestages dafür, die UN-Menschenrechtscharta zu ergänzen, wenn die Gesellschaft sich durch Digitalisierung, künstliche Intelligenz oder die Klimakatastrophe verändere. Sonst passiere »das Machbare – nicht das Wünschbare«.

    Mesale Tolu spricht auch auf der XXIV. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz der jungen Welt am 12. Januar 2019 in Berlin.

  • · Berichte

    Wie geht Klassenpolitik heute?

    Podium für die RLK steht fest
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    Noch arbeiten wir am Programm für die kommende Internationale Rosa-Luxemburg-Konferenz, die am 12. Januar 2019 im Mercure-Hotel MOA in Berlin-Moabit stattfinden wird. Gerade werden die Plakate und Flyer in den Druck gegeben – aber schon jetzt wurden 634 Einlassbänder bestellt! Das Interesse an unserer Konferenz ist also ungebrochen, und jedem sei nicht nur die Teilnahme, sondern auch die rechtzeitige Besorgung eines Einlassbandes (das die Eintrittskarte ersetzt) empfohlen!

    Ein besonderer Höhepunkt jeder Konferenz ist die Podiumsdiskussion, die ab 18 Uhr den Rede- und Kulturbeiträgen folgt. Sie steht im kommenden Jahr unter dem Thema »Dass sich die Wut in Widerstand verwandeln wird – Trotz alledem! 100 Jahre Novemberrevolution – Wie geht Klassenpolitik heute?« Frieden sofort und auf Dauer, das war die Forderung der Revolutionäre vor 100 Jahren im November 1918. Vielen von ihnen war klar, dass die Voraussetzung dafür der Bruch mit dem Kapitalismus und der Übergang zum Sozialismus waren. Wieviel Klarheit gibt es dazu heute in Bewegungen, Parteien und Gewerkschaften? Wie muss heute Klassenpolitik von unten aussehen? Wie wird aus Wut endlich Widerstand? Für diese Diskussion konnten wir Ulrich Maurer, ehemaliger Landesvorsitzender der SPD Baden-Württemberg und Mitbegründer der Partei Die Linke, Jan von Hagen, Gewerkschaftssekretär bei Verdi NRW, Lena Kreymann, SDAJ, und die Journalistin Nina Scholz, aktiv in Mieterkämpfen wie etwa dem Bündnis »Deutsche Wohnen & Co. enteignen«, gewinnen. Moderiert wird das Podium von Stefan Huth, Chefredakteur der Tageszeitung junge Welt. Diskutiert wird bis 20 Uhr – dann folgt traditionell das gemeinsame Singen der Internationale. Und zwar so kräftig und stark, wie das sonst nirgends mehr im deutschsprachigen Raum zu erleben ist!

    Verlag, Redaktion und Genossenschaft

  • · Berichte

    Kraft schöpfen

    Warum die 24. Ausgabe der Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz eine besondere ist
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    Besucherin der Konferenz im Januar 2018

    Dass die XXIV. Internationale Rosa-Luxemburg-Konferenz, die am Sonnabend, 12. Januar 2019 in Berlin stattfindet, eine ganz besondere sein wird, steht seit langem fest. Nicht nur, weil der 100. Jahrestag der Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht ansteht – sondern auch, weil der Imperialismus mittlerweile wieder ungehemmt seine alles bestimmende Profitlogik ausleben kann. Vor hundert Jahren bildete sich die Sowjetunion heraus, schon alleine durch sie wurden die imperialistischen Klassenkräfte in ihren Wirkmöglichkeiten eingeschränkt. In den letzten 28 Jahren hat sich das Kräfteverhältnis allerdings so radikal verändert, dass der Imperialismus es sich immer mehr leistet, auf soziale und demokratische Zugeständnisse zu verzichten. Dafür werden rechte Kräfte in Stellung gebracht, die Klartext reden: »Ich bin für Folter, und das wissen Sie, und das Volk ist auch dafür! Mit Wahlen wirst du nichts ändern in Brasilien, du wirst nur etwas ändern, wenn Du einen Bürgerkrieg anzettelst. Der Bürgerkrieg wird vollenden, was die Militärdiktatur nicht geschafft hat. Mindestens 30.000 Leute müssen weg. Töten! Töten! Egal, wenn ein paar Unschuldige dabei sind«, meint der inzwischen als Präsident Brasiliens gewählte Jair Bolsonaro (ZDF-»Auslandsjournal« vom 24. Oktober 2018). Trotz alledem reden die meisten bürgerlichen Medien weiterhin davon, dass Brasilien »die viertgrößte Demokratie der Welt« sei.

    In solchen Zeiten ist ein Treffen konsequent linker Kräfte notwendig, um sich inhaltlich mit den Entwicklungen auseinanderzusetzen – aber auch, um Kraft zu schöpfen und praktisch zu erleben, dass es eine Linke in diesem Land weiterhin gibt. Friedrich Engels stellte schon vor über 150 Jahren fest, dass die bürgerliche Gesellschaft vor einem Dilemma stehe: entweder Übergang zum Sozialismus oder Rückfall in die Barbarei. Die kommende Konferenz will wie die vorherigen einen Beitrag dazu leisten, die Barbarei zu verhindern. Dazu haben wir spannende Gäste eingeladen: Der italienische Ökonom Vladimiro Giacché wird über die nächste Krise, der US-amerikanische Ökonom Michael Hudson über die nächsten imperialistischen Kriege und der Autor und Journalist Dietmar Dath über die nächste Revolution referieren (um nur einige zu nennen). Ein besonderer Höhepunkt wird in diesem Jahr der Beitrag aus Kuba sein: Wir erwarten im Rahmen einer Manifestation für das dann 60 Jahre revolutionäre Kuba auf der Konferenz hochrangige Gäste aus Politik und Kultur der roten Insel. An der Podiumsdiskussion »100 Jahre Novemberrevolution – wie geht Klassenpolitik heute?« werden sich Vertreter aus Kultur, sozialen Bewegungen, Gewerkschaften, Kommunisten und der Partei Die Linke streiten. Beendet wird die Konferenz pünktlich um 20 Uhr mit dem gemeinsamen Singen der Internationalen. Für den folgenden Tag empfehlen wir die Teilnahme an der großen Liebknecht-Luxemburg-Demonstration zu den Gräbern der Revolutionäre.

    Damit Sie sich rechtzeitig um Fahrt und Unterbringung kümmern können, bieten wir den Leserinnen und Lesern der jungen Welt schon ab heute die RLK-Einlassbänder zum Kauf an (www.rosa-luxemburg-konferenz.de). Wir rechnen mit insgesamt 3.000 Teilnehmenden – an der Tageskasse wird es bestenfalls noch Restkarten geben, doch das kann nicht garantiert werden. Sichern Sie sich deshalb so schnell wie möglich Ihren Platz!

    Verlag, Redaktion, Genossenschaft junge Welt