Kubas Teilnehmer der Rosa-Luxemburg-Konferenz stellten sich Diskussion
André Scheer
Eine kleine Zugabe für die große Rosa-Luxemburg-Konferenz vom vergangenen Sonnabend: Am Montag abend trafen sich in der jW-Ladengalerie Mitglieder verschiedener Kuba-Solidaritätsinitiativen und anderer Bündnispartner mit der aus Kuba zur Konferenz gekommenen Delegation. Nach einem musikalischen Auftakt durch den Liedermacher Eduardo Sosa nutzten der frühere Kulturminister Abel Prieto und Nieves Ileana Hernández von der internationalen Abteilung des ZK der KP Kubas die Gelegenheit, um ihre Ausführungen auf der Konferenz zu vertiefen und mit den Besuchern zu diskutieren. Dazu gehörten auch Vertreter der Botschaften Kubas, Venezuelas, Boliviens und Nicaraguas.
Im Mittelpunkt des Abends stand die in Kuba derzeit laufende Diskussion über eine neue Verfassung, die am 24. Februar per Volksabstimmung verabschiedet werden soll. Die beiden Referenten berichteten, wie die gesamte Bevölkerung des Karibikstaates in die Debatten einbezogen wurde. Über den im vergangenen Sommer vorgelegten Entwurf war an Arbeitsplätzen, in Schulen und Hochschulen, bei Nachbarschaftsversammlungen und vielen weiteren Gelegenheiten debattiert worden. Hunderttausende Änderungsvorschläge waren das Ergebnis dieser Beratungen, die dazu führten, den Text grundlegend zu überarbeiten. So soll es künftig Gouverneure in den verschiedenen Provinzen des Landes geben. Im ersten Entwurf war vorgesehen, dass diese durch den Präsidenten ernannt werden sollten – das stieß auf Proteste. In der neuen Fassung heißt es nun, dass sie durch die Bevölkerung direkt gewählt werden.
Auch in der neuen Verfassung werde das Recht auf Arbeit festgeschrieben, berichtete Prieto. In der bisher gültigen sei es jedoch mit der Pflicht zur Arbeit verbunden gewesen – Applaus bei einem Teil des Publikums –, doch in der neuen werde es diese Pflicht nicht mehr geben – Beifall beim anderen Teil der Zuhörer.
Auf die Frage einer Besucherin, ob im Ausland lebende Kubaner an der Abstimmung teilnehmen können, erläuterten die Gäste, dass dies unter anderem für alle Staatsbürger möglich sei, die etwa als Mediziner, Lehrer oder Berater im Ausland tätig sind. Auch das diplomatische Personal könne seine Stimme abgeben. Migranten könnten wählen, wenn sie mit Wohnsitz in Kuba gemeldet sind und entsprechende Ausweisdokumente haben. Wer seine Heimat allerdings dauerhaft verlassen habe, sei von der Mitentscheidung ausgeschlossen. Die Referenten erinnerten daran, dass die Frage der Migration seit Jahrzehnten genutzt werde, um Kuba zu schwächen. Während die USA an der Grenze zu Mexiko Absperrungen errichteten oder Emigranten aus Haiti in ihre bitterarme Heimat zurückschickten, seien Kubaner als »Opfer der Diktatur« willkommen geheißen worden.
Am Ende des langen Abends stimmte Eduardo Sosa noch einmal »Hasta siempre, Comandante Che Guevara« an – und beendete damit kämpferisch die XXIV. Internationale Rosa-Luxemburg-Konferenz und ihre Verlängerung.
Die XXIV. Internationale Rosa-Luxemburg-Konferenz in Kurzfassung
Arnold Schölzel
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Seit 1871 wurde Deutschland nie attackiert, seine Militärs aber beschäftigen sich auch heute mit Angriffskriegen. Der Publizist Otto Köhler spricht am Sonnabend auf der von jW organisierten XXIV. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz in Berlin von einem »Adlerschiss, der immer noch zum Himmel stinkt«. Sein Thema: »Die nächste imperialistische Hauptmacht« ist auch Gegenstand des Gesprächs von Moderatorin Anja Panse mit dem Aktivisten Franz Haslbeck zur bevorstehenden Münchener Sicherheitskonferenz.
Zur Eröffnung stimmt die in Berlin gegründete kubanische Band »Proyecto Son Batey« die ins Konferenzhotel strömenden Besucher ein – am Ende werden 3.100 gezählt, neuer Rekord.
Finanzökonomie und Krieg sind zwei Seiten einer Medaille, zeigt Vladimiro Giacché, Wirtschaftswissenschaftler aus Italien. Weltweit aufgeblähte Liquidität plus wachsende Kriegsgefahr bilden eine explosive Mischung. Ähnlich Michael Hudson, US-Ökonom: Barbarei (Al-Qaida oder »Islamischer Staat«) ist bewusste Politik Washingtons. Der Euro? Eine »Satelliten-Währung« des US-Dollars.
In Gedenken an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht: Sängerin Gina Pietsch und Pianistin Christine Reumschüssel bieten einen Ausschnitt aus ihrem berührenden Programm »Sagen, was ist«.
An ihre in der Türkei inhaftierten Kollegen erinnert die Journalistin Mesale Tolu: Solidarität ist eine »Frage von Leben und Tod«. jW-Autor Max Zirngast grüßt aus der Ferne, er darf die Türkei nicht verlassen. Annette Schiffmann von der Solidaritätsbewegung für den seit 1982 eingesperrten US-Journalisten Mumia Abu-Jamal bekräftigt Mesale Tolus Worte. Mumia warnt in seiner Grußbotschaft: Krise und Angst öffnen dem Faschismus Tür und Tor. Weitere Grüße kommen von der KP Mexikos und der kolumbianischen FARC.
Ein weiterer Höhepunkt: 60 Jahre Kubanische Revolution. Liedermacher Eduardo Sosa eröffnet, der langjährige Kulturminister und Schriftsteller Abel Prieto legt dar, welche entscheidende Rolle Kultur bei der Bewusstseinsbildung zukommt. Er zitiert Fidel Castro zur Alphabetisierung: »Nicht glauben, lesen!« Die Diplomatin Nieves Iliana Hernández antwortet auf Fragen von jW-Außenpolitikchef André Scheer. Samuel Wanitsch, Koordinator der Vereinigung Schweiz–Cuba, verliest die Grußadresse der Konferenz.
Die jW hat mit existenzbedrohenden Preiserhöhungen vor allem der Post zu kämpfen, informiert die Verlagsmannschaft. Aber die Zeitschrift für Gegenkultur M & R ist dank breiter Unterstützung wieder da. Chefredakteurin Susann Witt-Stahl spricht mit dem Komponisten Wieland Hoban über sein Stück zur israelischen Besatzung.
Die nächste Revolution? Der Schriftsteller und Journalist Dietmar Dath: »Sozialismus hat keine Prophezeiung nötig, er wird gemacht.« Die SDAJ berichtet von ihrem Jugendforum. Podiumsdiskussion (siehe die Seiten 12 und 13) und Gesang der Internationale beenden die Konferenz. Viele Gäste gehen zum Jahresauftakt der DKP. Ohne die Unterstützung Hunderter Parteimitglieder und anderer ehrenamtlicher Helfer keine sehr gelungene Rosa-Luxemburg-Konferenz.
»Dass sich die Wut in Widerstand verwandeln wird – Trotz alledem!« Wie geht Klassenpolitik heute? Auszüge aus der Podiumsdiskussion auf der XXIV. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz
Am Sonnabend diskutierte der Chefredakteur der jungen Welt, Stefan Huth, mit Jan von Hagen, verdi-Gewerkschaftssekretär in Nordrhein-Westfalen, Lena Kreymann, Bundesvorsitzende der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend, Nina Scholz, Journalistin und Aktivistin in den Berliner Mietenkämpfen, und Ulrich Maurer, ehemaliger Landesvorsitzender der SPD in Baden-Württemberg und Mitbegründer der Partei Die Linke über aktuelle Klassenkämpfe und die Frage, wie die Linke am besten Klassenpolitik betreibt. Wir dokumentieren das Podiumsgespräch an dieser Stelle in Auszügen. (jW)
Stefan Huth: In einem kürzlich geführten Interview mit junge Welt hast du gesagt, Die Linke könnte den rechten Zauber schnell beenden. Warum macht die Partei es dann nicht?
Ulrich Maurer: Folgende Frage stellt sich: Wie findet man von der Ablehnung und der Wut auf das bestehende System zum tatsächlichen Widerstand, zur Aktion, wie lässt sich die herrschende Klasse im Spätkapitalismus ernsthaft beeindrucken? Bloße Parlamentspraxis reicht da nicht aus, ebensowenig reichen herkömmliche Demonstrationen. Ich habe einmal mit jungen Aktivistinnen, damals bei Occupy, die Deutsche Bank am Wittenbergplatz besetzt, und wir haben verlangt, dass der Filialleiter eine Grußadresse an den damaligen Finanzminister Wolfgang Schäuble schicken solle. Wir nahmen an, die Polizei würde umgehend eingreifen, doch der Filialleiter hat erst einmal mit der Zentrale in Frankfurt telefoniert, und die Vorstandsebene hat ihm gesagt: Nein, kein Polizeieinsatz, nicht rauswerfen, ruhig bleiben, zur Not auch noch das Fax schicken. Man muss sich darüber im klaren sein, soll das heißen, dass dieses Personal im Vorstand der Deutschen Bank ziemlich clever ist. Um diese Leute zu beeindrucken, braucht es andere Formen des passiven Widerstands. Ich war lange Parlamentarier und habe dieses heilige Arbeitsethos dort nie verstanden. Als Abgeordneter, finde ich, muss man auf der Straße und im Parlament sein, man sollte sich als Sprachrohr der Bewegungen verstehen, das ist, was ich von der Partei Die Linke erwarte.
Huth: Das ist keine akademische Debatte, denn vor unseren Augen vollzieht sich der soziale Protest, etwa wenn wir nach Frankreich blicken, dort sogar auf sehr militante Weise. Dann kommt Bernd Riexinger und macht den Bedenkenträger, sagt, die ganze Sache sei nicht so sauber.
Maurer: Um ehrlich zu sein, ich habe nicht verstanden, warum er das gesagt hat. Klar, die Gelbwesten sind eine ziemlich anarchische Bewegung, es lässt sich noch nicht sagen, was daraus wird. Aber jede Form von Protest, der die Herrschenden herausgefordert, ist richtig. Die Linke hat dabei die Aufgabe, sich daran zu beteiligen. Wenn wir außen vor bleiben und sagen, da machen auch Wähler von Le Pen mit, überlassen wir die Straße den Rechten mit ihrem Rassismus und Nationalismus.
Huth: Es geht dabei auch stets um die Organisierung von Kämpfen, um die Frage nach Bündnispartnern, auch wenn da gelegentlich fremdenfeindliche Töne zu vernehmen sind. Du, Lena, bist der Meinung, dass auch solche Kolleginnen und Kollegen Bündnispartner im Kampf für soziale Veränderungen sein können. Das bleibt in deiner Organisation sicher nicht unwidersprochen.
Lena Kreymann: Ich sage, man sollte mit solchen Kolleginnen und Kollegen zusammenarbeiten, auch wenn sie bisweilen rassistische Positionen vertreten. Ich sage gleichzeitig, dass deren Rassismus nicht hinnehmbar ist. Es kommt dabei auf die Situation im Betrieb an. Eine ganz mehrheitlich antirassistische Belegschaft wird mit einem Rassisten ganz anders umgehen als eine, in der ohnehin schon eine rassistische Grundstimmung besteht und in der die AfD versucht, eine Betriebsratsliste aufzustellen oder Kandidaten auf Gewerkschaftslisten unterzubringen. In der Linken gibt es dazu viele falsche Haltungen, etwa: Mit denen rede ich gar nicht erst oder: Ich erkläre denen die Welt, und wenn die das dann geschluckt haben, sehen wir weiter. Doch so funktioniert das mit dem Klassenkampf und der Bewusstseinsbildung nicht. Es ist dieser Kapitalismus, der Rassismus, Sexismus und Homophobie hervorbringt. Bei dem gegenwärtigen Rechtsdruck drückt sich auch das Interesse des deutschen Monopolkapitals aus. Das wiederum heißt, wir müssen den Hauptschlag gegen dieses Monopolkapital richten und in den Betrieben kämpfen. Und dort treffen wir dann auf Leute, die zwar bereit sind, beim Warnstreik für Lohnerhöhungen mitzumachen, aber zwei Stunden später erklären, das Boot ist voll. Die beste Antwort zur Widerlegung solcher Sichtweisen lautet: Glaubt ihr, wir hätten uns gegen den Chef, gegen den Konzern durchsetzen können, wenn wir als Belegschaft nicht zusammengestanden hätten, ganz egal, welcher Herkunft die Kolleginnen und Kollegen sind?
Huth: Um die Organisationsfrage kommen wir nicht herum, wenn diese Gesellschaft grundsätzlich verändert werden soll. Du bist in der Kommunistischen Partei und in der SDAJ organisiert. Wie verhält es sich da mit den Reformkämpfen? Wo liegen die Grenzen in den alltäglichen Kämpfen?
Lena Kreymann: Die SDAJ fährt gerade eine Kampagne. Das Motto lautet: Geld gibt es genug, Zeit, dass wir es uns holen. Wir fragen: Wofür wird in dieser Gesellschaft das Geld ausgegeben? Für das Militär zum Beispiel. Es fehlt an den Schulen, Schwimmbäder werden geschlossen usw. Das klingt zunächst nicht besonders revolutionär. Aber auf diese Weise lässt sich zeigen, in wessen Interesse der Staat sein Geld ausgibt, und indem wir diesen Umstand skandalisieren, können wir Menschen in Bewegung bringen. Bei einem Schulstreik in Kassel war genau das Thema: Deine Schule fällt über dir zusammen, aber gleichzeitig wird das Geld für jeden Rüstungsquatsch ausgegeben. Da sind dann wirklich sehr viele junge Leute auf die Straße gegangen. Auf diese Weise lässt sich der Klassengegensatz recht gut vermitteln. Die bloße Gegenüberstellung reicht natürlich nicht. Man wird darauf hinweisen müssen, dass dabei systemische Gründe vorliegen, und dass früher oder später dieses System gestürzt werden muss, dass an die Stelle des Kapitalismus der Sozialismus treten muss. Da verbindet sich dann der Reformkampf, zum Beispiel für ein besseres Schulgebäude, mit der Perspektive Sozialismus.
Huth: Nina, du bist aktiv bei den kommunalpolitischen Kämpfen gegen die Deutsche Wohnen, gegen Mietsteigerungen und Verdrängung. Wie organisiert ihr eure Arbeit?
Nina Scholz: Ich habe angefangen, mich zu organisieren, weil ich Mieterin in einem Haus der Deutschen Wohnen war. Ich hatte also ein persönliches Interesse daran, dass die Deutsche Wohnen enteignet wird. Ich wusste, ich werde aus meiner Wohnung verdrängt werden. Das stand am Anfang. Es gab zu Beginn eine oder zwei Gruppen, die gegen die Deutsche Wohnen gekämpft haben, und es sah nicht so aus, als würde daraus eine große Initiative werden. Der Feind schien zu groß. Dann aber wurden wir immer mehr, denn es gibt etliche, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben, da die Deutsche Wohnen mit etwa 110.000 Einheiten die größte Wohnungseigentümerin in Berlin ist. Alle haben Angst. Und so ist die Vernetzung ganz unterschiedlicher Mieter aus unterschiedlichen Stadtteilen in Gang gekommen. Mieter wurden zu Gerichtsprozessen begleitet, keiner wird alleingelassen. Trotzdem wurde uns dabei relativ schnell klar, dass wir keine Chance haben. Vor etwa einem Jahr haben wir dann zusammengesessen und beraten, wie es weitergehen soll. Und haben gesagt: Eigentlich müssten wir die enteignen. Diese Idee stieß anfangs auf wenig Gegenliebe. Hier wird es interessant. Wir Linken haben ja immer total recht, wir schreiben schlaue Texte und wissen, wie es geht, haben aber mit den meisten Menschen nichts zu tun. Wir haben also über Enteignung gesprochen, aber die meisten aus dem Bündnis waren strikt dagegen, haben gesagt, nein, auf keinen Fall, ich stelle mich doch nicht in meine Fußgängerzone und sage zu meinem Nachbarn, hier soll enteignet werden. Vor allem viele Westberliner Mieter fanden das unmöglich, das sei Sozialismus, damit wollten sie nichts zu tun haben. Damit fing die Arbeit erst an. Inzwischen sind viele Mieterinnen und Mieter in diesem Bündnis von dem Vorhaben überzeugt, weil sie wissen, es gibt keine andere Lösung.
Huth: Ich habe heute morgen im Deutschlandfunk ein Interview mit Katina Schubert, der Landesvorsitzenden der Linkspartei in Berlin, gehört. Da ging es um die Initiative »Deutsche Wohnen enteignen«. Der Interviewer fragt: »Sagen Sie mal, Ihre Partei hat doch den Verkauf kommunalen Wohneigentums erst in die Wege geleitet. War das nicht ein Fehler?« Die Antwort war: »Ja, ja.«
Maurer: Immerhin ein Geständnis, oder? Dazu kann die SPD sich bis heute nicht durchringen. Als wir die Partei Die Linke gegründet haben, hatte ich zusammen mit Oskar Lafontaine eine fürchterliche Auseinandersetzungen mit der Berliner PDS genau wegen dieser Frage. Mit Klaus Lederer habe ich mich regelrecht gefetzt. Mittlerweile sind einige Befürworter von Privatisierungen aus der Partei Die Linke ausgetreten, manche sind sogar ganz weit nach rechts gewandert, in Sachsen beispielsweise. Und ich habe mit Freude gesehen, dass der Parteitag der Linken in Berlin sich für die Enteignung der Deutschen Wohnen ausgesprochen hat.
Scholz: Schauen wir mal, was draus wird.
Maurer: Es herrscht mehr Freude im Himmel über einen Sünder, der sich bekehrt, als über 99 Gerechte, die der Buße nicht bedürfen.
Huth: Na ja, aber so richtig bekehrt sind sie nicht, denn das Thema Privatisierung treiben sie weiter voran, diesmal beim Thema Schulbau hier in Berlin.
Maurer: Ja, eine juristische Angelegenheit. Es geht wohl darum, dass unter dem Diktat der Schuldenbremse Umgehungsmaßnahmen über landeseigene Unternehmen ergriffen werden müssen. Wir werden sehen, wie das ausgeht. Die klare Botschaft lautet im Moment: »Das bleibt im öffentlichen Eigentum, aber eben in der Form landeseigener Unternehmen. Wir können nicht anders.« Nun gut. Ich bin auch skeptisch. Wir müssen den Druck erhöhen. Wie bei der Enteignungsfrage. Die Linke ist die einzige Partei in Berlin, die wirklich dafür ist. Die SPD will hingegen der Deutschen Wohnen ein Kaufangebot machen. Die wird aber wahrscheinlich mehr Geld verlangen, als sie dem Senat damals bezahlt hat. Die Linke muss vom Senat verlangen, dass tatsächlich ein Enteignungsgesetz geschrieben wird. Und dann muss man den Ehrgeiz haben, das bis vor das Verfassungsgericht zu treiben. Das ist der juristische Weg. Der wird aber nur gangbar sein, wenn die Mobilisierung anhält.
Huth: Enteignungsfragen sind grundsätzliche Fragen, es geht um Eigentumsverhältnisse und den Profitmechanismus. Diese Fragen könnte man auch mit Blick auf die Klinikkonzerne aufwerfen. Welche Erfahrungen hast du, Jan, in den gewerkschaftlichen Kämpfen an den Kliniken gemacht? Haben die Kolleginnen und Kollegen über die Tarifforderungen hinaus auch weitergehende Forderungen gestellt?
Jan von Hagen: Wir haben mit den Streiks in Nordrhein-Westfalen bei etwa 1.000 Streikenden an den Unikliniken in Essen und Düsseldorf Erfahrungen gemacht, die in diese Richtung gingen. Während dieses zwölfwöchigen Streiks haben die Beschäftigten gemerkt, dass sie in der Lage sind, das Krankenhaus alleine zu führen. Als wir mit dem Arbeitgeber über Notdienste verhandelten, untersagte uns ein Gericht, am Folgetag zu streiken. Wir haben es dann geschafft, zwischen Mitternacht und sechs Uhr morgens sämtliche Streikenden umzuorientieren, so dass sie um sechs ihre Arbeit aufgenommen haben und niemand zu Schaden kam. Das hat die Arbeitgeber beeindruckt, das hat die Politik beeindruckt, und das hat den Streikenden das Gefühl gegeben: »Ja, es stimmt, was manche Linke sagen: Wir führen diesen Betrieb und nicht die Geschäftsführung.« Die Enteignung der Krankenhäuser war da noch kein Thema. Der Streik hat aber sehr deutlich gemacht, wie Gesundheitspolitik funktioniert, wie wir ein Krankenhaus organisieren und was die Rolle der Beschäftigten in Abgrenzung zur Rolle von Politik und Arbeitgebern ist. Es war eben keine normale Lohnrunde, sondern das waren Streiks für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen im Krankenhaus. Da verbinden sich mehrere Interessen. Die der Beschäftigten, die der Patienten und von deren Angehörigen sowie potentiell von jedem Bürger und jeder Bürgerin. Da kam eine Diskussion um ein anderes Gesundheitssystem in Gang. Und schnell waren wir auch bei der Frage: Wie könnte denn dieses Krankenhaus besser laufen?
Huth: Habt ihr viele Solidaritätsbekundungen erhalten? Mehr als sonst üblich? Man benötigt viel Kraft, um das durchzustehen.
Von Hagen: Die Kraftanstrengung für eine Gewerkschaft ist das eine, die Kraftanstrengung für die Kolleginnen und Kollegen, die in den Streik gehen, das andere. An jedem Tag ist zu entscheiden: »Ich gehe nicht mehr auf meine Station, es ist wichtiger, diesen Kampf zu gewinnen, als die Versorgung der Patienten sicherzustellen.« Dazu gehört Mut. Die Solidarität war groß. Wichtig war, dass es eine gegenseitige Solidarität zwischen den Beschäftigten beider Kliniken gab. Dann kam die Unterstützung der Bevölkerung hinzu. Daraus entstanden die Bündnisse für mehr Personal im Krankenhaus. Inzwischen sind es bundesweit etwa 25, Tendenz steigend. Diese Bündnisse arbeiten weiter und tragen das Thema in andere Krankenhäuser. Die Streikenden in Essen sind nicht nur in andere Krankenhäuser gegangen. Sie waren auch bei den Amazon-Streiks und konnte erfahren, die Überlastung, die uns kaputtmacht in diesem System, die gibt es nicht nur in der Pflege und in den Kitas, sondern das sagen auch die Postboten und die Angestellten eines Versandhändlers. Daraus konnte sich das Verständnis entwickeln, dass die Probleme nicht an einem Betrieb oder an einer Branche festzumachen sind, sondern an diesem System.
Huth: Kannst du konkrete Beispiele nennen für solches ein Zusammengehen, für konkrete Aktionen?
Van Hagen: Die Essener sind in andere Betriebe gegangen. Sie haben sich gesagt: Wir wollen nicht vor dem Betriebstor stehenbleiben und Flyer verteilen, sondern mit den Kolleginnen reden. Und zwar konkret: »Ich streike gerade in meinem Betrieb und will dir davon erzählen. Wie geht es dir denn bei Amazon?« Solche Fahrten in andere Betriebe haben wir während des gesamten Streiks organisiert. Das hat viel Kraft gegeben, wenn die Kollegen sagten: Streikt weiter, wir haben die gleichen Probleme. In Essen standen Streikende vor der Frage, ob sie es sich finanziell leisten können, weiter zu streiken. Die Gewerkschaften zahlen zwar Streikgeld, aber bei langen Streiks stellt sich schon die Frage: Klappt das? In dieser Situation hat das Streikkomitee entschieden, die Bevölkerung und verschiedene Verbände um Spenden zu bitten, um für den Notfall Geld zur Verfügung zu haben. Bei der ersten Aktion in der Fußgängerzone in Essen sind in wenigen Stunden mehrere tausend Euro zusammengekommen.
Huth: Es sind also ganz konkrete Organisationsfragen und Organisationsformen, die sich da entwickelt haben. Lena, die SDAJ war auch an den Streiks in Essen beteiligt, oder?
Kreymann: Ja, das war für uns eine ziemlich spannende Erfahrung, gemeinsam mit den Kollegen im Betrieb Forderungen zu entwickeln, mit ihnen zu diskutieren, ihnen auch zuzuhören. Und zu sehen, wie sich auf der Grundlage gemeinsamer Kämpfe ein Bewusstsein ausbildet. Und da hat sich auch sehr viel getan hat, was die Schaffung von antirassistischem Bewusstsein betrifft. Für uns war wichtig, Organisation im Rücken zu haben, die die Kollegen im Betrieb dabei unterstützt, diesen Streik zu führen, und die auch andere Diskussionen in die Belegschaft hineinbringt, die für eine systematische Einordnung sorgt, also für Kapitalismuskritik. Und natürlich wollen wir die Leute auch organisieren. Man darf da nicht allein auf der gewerkschaftlichen Ebene bleiben.
Von Hagen: Vielleicht noch eine konkrete Erfahrung zum Thema Rechtsentwicklung und was bewusstseinsmäßig in solchen Kämpfen passiert. Im Düsseldorfer Klinikum gibt es 5.000 Beschäftigte aus mehr als hundert Nationalitäten. Natürlich gibt es Kolleginnen und Kollegen, die rechte Sprüche von sich geben. Aber die zwölf Wochen Streik haben unheimlich viel gebracht. Gemeinsam kochen, gemeinsam demonstrieren, das hat zu einer deutlich konkreteren Bewusstseinsbildung gegen rechts geführt als jede Veranstaltung, die man sonst so organisiert.
Huth: Nina, du hast in deinem Beitrag auch die Frage aufgeworfen, wie wir die Parikularismen überwinden und die Einzelkämpfe verbinden können. Wie können wir eine kämpferische neue Organisation schaffen?
Scholz: Das ist die wichtigste und die schwierigste Frage. Wie sieht eine Partei eines neuen Typs aus? Ist das am Ende eine Mietergewerkschaft oder so etwas? Ich sehe nicht, dass es die Partei, die wir bräuchten, schon gibt. Das ist für mich weder die DKP noch die Linkspartei. Das Modell einer Mietergewerkschaft wird in Berlin sehr konkret diskutiert. So etwas gibt es ja in anderen Ländern, in Spanien oder auch in England. Aber wir stehen da ganz am Anfang.
Huth: Jan, habt ihr in den Arbeitskämpfen in Nordrhein-Westfalen Unterstützung erfahren von Parteien? Gab es da Verbindungen?
Von Hagen: Die Streiks an den beiden Unikliniken haben die Politik beschäftigt und auch die Parlamente. Die Düsseldorfer Stadtpolitik hat z. B. diskutiert, wie die Versorgung über andere Krankenhäuser sichergestellt werden kann. Und es gab auch Debatten im Düsseldorfer Landtag, weil die Landespolitik verantwortlich für die Unikliniken ist. Natürlich gab es Unterstützung von einzelnen Parteien. Die Linkspartei war vor Ort, die SPD, auch die DKP, also ein breites Spektrum von linken Organisationen. Aber auch der CDA, der Arbeitnehmerflügel der CDU. Die Kolleginnen und Kollegen haben dabei sehr viel gelernt. Denn natürlich ist nicht vergessen, dass wir mit den Streiks an den Unikliniken unter einer schwarz-gelben Regierung begonnen haben, aber die Regierungszeit von Rot-Grün nicht lange zurücklag. Insofern gab es bei den Streikenden eine deutliche Skepsis. Das haben wir gemerkt bei allen Parteien. Es gab ein Gegenbeispiel: In Essen war die SDAJ sehr aktiv. In Düsseldorf waren es andere Organisationen, die sich langfristig beteiligt haben, die also nicht nur für ein Solifoto gekommen sind, sondern Teil der Auseinandersetzungen wurden, die Schichten übernommen und Brötchen geschmiert haben.
Huth: Ulrich, du bist mit den sozialen Basisbewegungen groß geworden und über die Jusos in die SPD gekommen. An welchem Punkt hast du dich entschieden, dir eine andere Organisation zu suchen?
Maurer: Ich habe angefangen mit der APO und beim SDS. Es gab einen Teil der APO, der versucht hat, die SPD zu verändern. Irgendwann war aber die Toleranzgrenze des Systems erreicht. Ich habe später in der Auseinandersetzung um die Agenda 2010 die SPD verlassen. Während der Gründungsphase der Partei Die Linke habe ich mich sehr wohl gefühlt, weil es eine Partei war, die demonstrierte, eine Partei, die offen sagte: Die Krise heißt Kapitalismus. Ich glaube, dass die Art von Kapitalismus, die wir heute haben, quasi ein neues weltweites Feudalsystem, die große Gefahr beinhaltet, kriegerisch zu werden. Ich werde immer wütender und freue mich, wenn Menschen anfangen, sich zu wehren und nicht verkehrt zu leben. Und wo Menschen die Kraft dazu aufbringen, sind wir Linken dazu da, sie zu unterstützen, Solidarität zu zeigen. Die einfache Erkenntnis, dass der Graben nicht zwischen den Völkern verläuft, sondern zwischen oben und unten, kann man ja nur haben, wenn es zur Auseinandersetzungen kommt, wenn sich Menschen in Kämpfe begeben.
Huth: Nina, in den konkreten Kämpfen, die du erlebt hast, gab es da Debatten über Alternativen zum kapitalistischen System?
Scholz: Ich habe die Streiks und Arbeitskämpfe bei Deliveroo und Foodora begleitet. Die haben mich sehr interessiert. Noch vor einigen Jahren hieß es: Das sind die Prekären, die werden wir niemals organisieren können. Jetzt organisieren sie sich. Und sie wissen, wo ihr Feind steht: Das sind die Unternehmen. Ich finde es bemerkenswert nicht nur bei den Mietenkämpfen, sondern auch gerade in diesen Kämpfen, dass man überall sieht, der Lack ist richtig ab. Die Deliveroo- und Foodora-Gewerkschaften zum Beispiel gibt es inzwischen europaweit, auch in den USA; Gig Economy-Organisierung ist weltweit ein Thema. Ein weiteres Beispiel ist der Kampf gegen Amazon. Als Gewerkschaften hier begonnen haben, die Leute zu organisieren, hat Amazon ein Lager in Polen eröffnet. Die haben sich gesagt, gut, wir können auch von da liefern. Aber dann gab es auch dort Streiks. Das sind also Formen von internationaler Solidarität. Davon haben wir vor Jahren noch geträumt. Ich muss tatsächlich sagen, ich bin trotz der allgemein niederschmetternden Lage milde optimistisch.
Huth: Lena, wie finden Leute zu euch aus den Betrieben oder aus dem Bildungsbereich?
Kreymann: Die betrieblichen Auseinandersetzungen sind da sehr wichtig. Die Betriebe sind Orte, wo man den Herrschenden weh tun kann. Da geht es an die Profite, da wird der Klassengegensatz erfahrbar.
Von Hagen: Lange Zeit hieß es: In Krankenhäusern wird nicht gestreikt. Heute ist es so, dass Menschen ihre Ausbildung zum Teil in einer Streiksituation beginnen. Sie kommen in einen Beruf hinein, in dem sie wahrscheinlich langfristig bleiben werden, und lernen sofort, es ist völlig normal, dass man auf die Straße geht und seine Arbeitskraft zurückhält. Es gab eine Situation, die uns als Ältere sehr beeindruckt hat. Am fünften oder sechsten Streiktag kamen 15 Azubis auf die Bühne und sagten: Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir stehen heute hier und wir streiken mit euch, und das ist für uns richtig schwierig, weil wir haben heute unsere Zwischenprüfung. Und trotzdem streiken wird, denn das ist der wichtigste Kampf. Unsere Zwischenprüfung können wir nachholen. Die Azubis organisieren sich im Moment gewerkschaftlich viel stärker als langjährig Examinierte. Ich habe das Gefühl, dass die jetzige Generation eine neue Qualität in die Kämpfe bringen wird. Aber dafür braucht es auch eine politische Anleitung von seiten der Gewerkschaften und eine Orientierung der Linken, wo es hingehen soll.
Die Kunst der Revolution: Linke Kultur auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz
»Auf, auf zum Kampf« hatte zum Auftakt des musikalischen Konferenzprogramms auch Gina Pietsch gesungen. Die letzte große Chanteuse des deutschen Arbeiterliedes demonstrierte mit ihrem Rosa-Luxemburg-Programm »Sagen, was ist« zur Klavierbegleitung von Christine Reumschüssel erneut, auf welch unvergleichliche Weise sie das ganze emotionale Spektrum der um ihre Rechte Kämpfenden zu transportieren versteht. Beginnend mit »Im Gefängnis zu singen« (Brecht/Eisler), erinnerte sie an die zahlreichen Stationen Luxemburgs in Haftanstalten. Auf das Berliner Original »Wem hamse de Krone jeklaut« gab sie »So wird es Tag« von Gerhard Gundermann. »Nicht wie tote Fliegen« an dem »süßen Leim, zu dem man Schicksal sagt«, zu kleben« (Gundermann), dafür gab die Kommunistin Luxemburg praktische Anschauung. Sie bezahlte dafür mit dem Wertvollsten. Pietsch: »Sie wurde ermordet für eine Revolution – ich traue es mich fast gar nicht zu sagen –, die eigentlich nicht wirklich die ihrige war, für die sie sich aber mit ihrem Leben einsetzte.«
Dass die Erhebung gegen das Unrecht keine hübsche oder gar friedliche Angelegenheit ist, daran erinnerte auch der Schriftsteller Dietmar Dath in seinem Vortrag über die kommende Revolution. Es bleibt nicht zuletzt denen im Gedächtnis, die sich unter großen Opfern befreit haben. Der Kubaner Eduardo Sosa sang Lieder aus dem langen Unabhängigkeitskampf seines Landes. Zugleich wusste er die Freude über das Errungene zu intonieren – so in seinem bekanntesten Titel »A mi me gusta, Compay«, komponiert im Stil einer Guaracha. Der Song beginnt mit der Zeile »Ich lebe gerne hier, wo ich lebe«. Er ist das Lieblingslied von Che Guevaras Tochter Aleida und kam auch im Saal gut an: Die Temperatur stieg, es wurde geklatscht und getanzt. Einige lächelten glücklich, als wären sie gerade in ihre revolutionäre Heimat Kuba zurückgekehrt.
Abel Prieto, der ehemalige Kulturminister des Landes (1997 bis 2012 und 2016 bis 2018), betonte im Anschluss daran, wie schnell die erkämpfte Freiheit verloren ist, wenn sie nicht auch mittels einer sozialistischen Kultur zementiert wird. Man könne das materielle Lebensumfeld der Menschen transformieren. Erfolge aber keine kulturelle Wandlung, dann könne sich die Revolution nicht durchsetzen. Das zeige sich auch jetzt wieder bei den Rückschlägen, die die Linke in verschiedenen Ländern Lateinamerikas erleide.
Ein reaktionäres Rollback beschäftigt auch den deutsch-britischen Komponisten Neuer Musik Wieland Hoban. Ihn schockierte die israelische Militäroperation »Gegossenes Blei« in Gaza 2008, die 1.400 Palästinensern und 13 Israelis das Leben kostete. Als weitere Angriffe auf Gaza folgten, komponierte er den Dreiteiler »Rules of Engagement«, wie er im Gespräch mit der Chefredakteurin von Melodie & Rhythmus, Susann Witt-Stahl, berichtete. Er soll den Krieg und den Besatzungsalltag in Ton setzen. Ein Auszug wurde auf der RLK abgespielt. Den dritten Teil reichte er für eine Aufführung bei den Donaueschinger Musiktagen ein. Aber dazu kam es nicht. Ihm wurde mitgeteilt, es würden keine Stücke aufgeführt, die Israel kritisieren. Davon will sich Hoban jedoch nicht entmutigen lassen. Die notwendige Antwort auf die rechte Hegemonie bleibt, wie Witt-Stahl mit Walter Benjamin formulierte, die Politisierung der Kunst. Selten wurde das so eindrücklich vor Augen geführt wie am Samstag. (jW-Bericht)
Aufruf an die Besucherinnen der Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz und der Gedenkveranstaltungen für Karl und Rosa und an die Leser der jungen Welt
Wie Sie wissen, sind Medien Instrumente des Klassenkampfes. Ihre Eigentümer und die in ihrem Auftrag Schreibenden widerspiegeln dort in der Regel die Positionen der Herrschenden, berichten und analysieren also das Geschehen ausgehend von deren Interessen. Sie haben damit wesentlichen Einfluss auf die herrschende Meinung. Deshalb darf es nicht wundern, wenn diese Medien die Geschichte der Arbeiterbewegung und die Biographien ihrer führenden Persönlichkeiten aus genau diesem Blickwinkel beschreiben. Nicht immer ist das so deutlich wie in diesen Tagen, in denen sich die Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht zum 100. Male jährt: In den meisten Medien findet man mal mehr, mal weniger verklärt die Position, dass die blutige Niederschlagung der Novemberrevolution und die Ermordung der Revolutionäre zur Sicherung kapitalistischer Eigentumsverhältnisse notwendig war. Dieser Logik treu bleibend, wird dann nicht selten auch Faschismus damit legitimiert, dass sozialistische Verhältnisse nur noch so zu verhindern gewesen seien. Vom Standpunkt der Herrschenden aus gesehen eine nachvollziehbare Logik. Aber wo findet man Medien, in denen ausgehend von den Interessen der Arbeitenden berichtet wird?
Klarer Klassenstandpunkt
Deshalb bedarf es dringend einer Tageszeitung wie junge Welt, die ganz bewusst einen linken, also marxistischen Klassenstandpunkt einnimmt. Eine solche Tageszeitung kann aber unter den gegenwärtig herrschenden Bedingungen nur existieren, wenn möglichst viele von jenen, die eine solche Zeitung wollen, auch deren Finanzierung über Abonnements mittragen.
Dabei gibt es zwei große Schwierigkeiten: Zum einen wissen viele Menschen nicht, dass es dieses Angebot überhaupt gibt. Schon dieses Wissen zu verbreiten ist keine leichte Aufgabe – auch deshalb, weil mit verschiedenen Methoden (vom Totschweigen über Verleumden in Verfassungsschutzberichten bis hin zu Werbeverboten) verhindert werden soll, dass diese Zeitung bekannter wird. Zum anderen aber ist es gar nicht so einfach, all jene, die die junge Welt bereits kennen und schätzen, dazu zu bewegen, ein Abonnement abzuschließen. Wissen bedeutet eben noch lange nicht Bewusstsein.
Ideologische und materielle Angriffe
In diesen Tagen kommt hinzu, dass sich ideologische und materielle Angriffe auf die junge Welt häufen. Der aktuellste Vorstoß kommt von der Deutschen Post AG: Entgegen der Ankündigung, die Zustellpreise für die junge Welt im Jahr 2019 um 2,8 Prozent zu erhöhen, fordert die Post kurzfristig einen Preisaufschlag von 28,5 Prozent und damit mindestens 90.000 Euro mehr für das laufende Jahr – bei immer schlechter werdender Dienstleistung. Auch über andere Faktoren wird daran gearbeitet, die Existenz von gedruckten überregionalen Tageszeitungen in Frage zu stellen: Überall wird ihrer Abschaffung das Wort geredet mit dem Versprechen, statt dessen mit einer dicken Wochenendausgabe all das zu bewerkstelligen, was früher ein täglich gedrucktes Produkt geleistet hat. Wir vom Verlag 8. Mai und junge Welt gehen davon aus, dass dieser Ansatz verdecken soll, dass bei den noch vorhandenen Tageszeitungsredaktionen das Personal weiter stark reduziert, unter der Woche nur noch Häppchenjournalismus und am Wochenende vor allem aufgeblähtes Geseier präsentiert wird. Die tägliche Aufklärungsfunktion geht verloren, bestehende Verhältnisse können noch besser verschleiert werden. Wir kämpfen dafür, dass die junge Welt auch weiterhin täglich fundierten klassenkämpferischen Journalismus erarbeiten und in gedruckter wie digitaler Form zur Verfügung stellen kann. Die dafür notwendigen materiellen Aufwendungen werden aber auch weiterhin steigen (wie das Beispiel Deutsche Post AG zeigt). Damit die junge Welt weiterarbeiten kann, braucht ihr Verlag dringend Mehreinnahmen.
Aufklärung – jeden Tag
Da wir uns nicht von Stiftungen, Parteien, Konzernen oder Kirchen abhängig machen werden, können wir die nötigen Aufwendungen nur über Abonnements finanzieren. Damit aber die Höhe des Preises für das einzelne Abo nicht viele Menschen von der Nutzung ausschließt, gehen wir drei Wege: Erstens gibt es bei uns drei Preiskategorien, so dass jeder nach seinen Möglichkeiten auswählen kann: Besserverdienende zahlen mehr als den Normalpreis und unterstützen so die günstigeren Sozialabos. Zweitens kommen auch wir an Preiserhöhungen nicht vorbei – die sollen aber moderat ausfallen. Drittens wird uns das nur gelingen, wenn wir den Bestand an bezahlten Abonnements beständig erweitern.
Ganz praktisch stehen wir deshalb vor folgenden Aufgaben: Um die Preiserhöhung, die für den 1. Juni 2019 geplant ist, möglichst niedrig ausfallen zu lassen und damit wir unsere Arbeit trotz aller Widerstände, Angriffe und Probleme fortsetzen können, müssen wir im Jahr 2019 insgesamt 1.100 Onlineabos und 2.350 Printabonnements für die junge Welt gewinnen – einen Großteil davon bereits im ersten Halbjahr.
Kampfziele für 2019
Diese Ziele können wir nur mit Ihrer Unterstützung erreichen. Dafür gibt es viele Möglichkeiten.
– Abonnieren Sie oder verschenken Sie ein Abo! Zum Beispiel das dreimonatige Revolutionsabo für 60 Euro, das nur noch dieses Wochenende gebucht werden kann.
– Werben Sie mindestens ein Abonnement im Freundes- und Bekanntenkreis!
– Steigen Sie auf eine höhere Preisklasse um!
– Werden Sie Mitglied in unserer Genossenschaft (oder zeichnen Sie weitere Anteile)!
– Beteiligen Sie sich an einer regionalen jW-Unterstützergruppe oder gründen Sie selber eine!
– Füllen Sie Ihren Unterstützerzettel aus (teilen Sie uns bitte mit, mit welchen Beiträgen Sie uns helfen wollen)!
– Nutzen Sie unsere Infostände auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz und im Rahmen der Luxemburg-Liebknecht-Ehrung, um Ihren konkreten Beitrag mit uns abzustimmen.
Der direkte Ticketvorverkauf über den Postweg für die Internationale Rosa-Luxemburg-Konferenz am kommenden Wochenende ist abgeschlossen, 2.000 Plätze sind bereits besetzt: Ein neuer Besucherrekord zeichnet sich ab. Wer sich jetzt noch Einlass zur größten regelmäßig stattfindenden Konferenz der Linken (so der ehemalige BDI-Präsident Hans-Olaf Henkel über die Veranstaltung) sichern will, dem empfehlen wir die Möglichkeit der Kartenreservierung: Das geht über das Onlineformular unter rosa-luxemburg-konferenz.de oder per Telefon (0 30/53 63 55 54). Bei reservierten Tickets aber bitte unbedingt beachten, dass diese am Konferenzsamstag bis spätestens 10.30 Uhr abzuholen sind. Nicht abgeholte Karten gehen in den freien Verkauf, an den Tageskassen muss mit Wartezeiten gerechnet werden.
Reserviermöglichkeit nutzen
Ansonsten laufen die Vorbereitungen für den Neujahrsauftakt der linken Kräfte auf Hochtouren. Mumia Abu-Jamals Grußansprache ist mittlerweile als Tondatei eingetroffen und wird gerade übersetzt. Hier gab es Schwierigkeiten, weil die Gefängnisleitung die Kommunikationsorganisation verändert hat. Höher als in den vergangenen Jahren wird die Zahl der Besucher aus dem Ausland sein. Zum einen spricht es sich herum, dass alle Beiträge der Konferenz simultan in vier Sprachen nachvollziehbar sind (Englisch, Spanisch, Deutsch, Türkisch), zum anderen spielt der historische Hintergrund eine Rolle: In diesen Tagen jährt sich die Gründung der KPD und die Ermordung von Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht und anderen zum 100. Mal. Konferenz wie auch die Kundgebung am darauffolgenden Tag werden eindrücklich belegen, dass sich weiterhin viele Menschen für dauerhaften Frieden und soziale Gerechtigkeit und damit für eine Welt ohne Kapitalismus einsetzen.
Konferenz zu Hause verfolgen
Wer es nicht schafft, dieses wichtige Wochenende in Berlin mitzuerleben, kann die XXIV. Internationale Rosa-Luxemburg-Konferenz trotzdem live mitverfolgen: Zum einen wird die Redaktion der jungen Welt über einen Spezial-Blog kontinuierlich auf jungewelt.de/rlk2019 berichten, zum anderen werden die Beiträge auf der Hauptbühne per Livestream direkt übertragen. Schon jetzt kann man im Blog zur Vorbereitung sämtliche bisher in der jungen Welt erschienenen Texte zur Konferenz nachlesen. Nach der Veranstaltung stehen nicht nur die Berichterstattung der jungen Welt und eine Konferenzbroschüre zur Verfügung, es werden die einzelnen Beiträge auch als Filmmitschnitte zugänglich sein.
In revolutionärer Tradition
Die Tageszeitung junge Welt steht seit ihrer Gründung in der Tradition der Revolutionäre um Karl und Rosa. Das zeigt auch eine kleine Geschichte, die sich diese Woche zugetragen hat: Unser Leser und Genossenschafter Fritz Wengler war früher nicht nur stellvertretender Chefredakteur der Berliner Zeitung, sondern davor auch in dieser Funktion bei der Jungen Welt tätig. Uns war bekannt, dass Fritz neben anderen Verdiensten eine wichtige Rolle bei der Herausgabe der Junge-Welt-Grafiken spielte. Dass er aber auch an einem »sensationellen Fund historischer Abzeichen« (wie die JW am 25. März 1967 titelte) beteiligt war, wussten wir bisher nicht. In dieser Woche hat uns nun Fritz Wengler ein schönes Geschenk gemacht: eine Sammlung von mehr als 50 dieser äußerst raren Abzeichen aus der Arbeiterbewegung, deren Grundform um 1910 hergestellt und dann je nach politischem Anlass aktualisiert wurden (zum Beispiel mit Fotos von Lassalle, Lenin, Liebknecht und Luxemburg oder mit der Forderung nach dem Achtstundentag) und anderem Material (darunter historische Postkarten). Sie werden nun Bestandteil der jW-Kunstsammlung – für die Fritz Wengler schon viele Grafiken zur Verfügung stellte. Vielen Dank, Genosse Fritz!
Verstetigte Tendenzen: Zur Kunstausstellung der 24. Rosa-Luxemburg-Konferenz im Januar
Dirk Keul
Seit sechs Jahren bereichert das Berliner Künstlerkollektiv der »Gruppe Tendenzen« die Internationale Rosa-Luxemburg-Konferenz (RLK). Die erfreuliche Verstetigung bedeutet: Nach der Konferenz ist vor der Konferenz, und so war bereits im Frühjahr das Thema der Ausstellung zur bevorstehenden 24. RLK gefunden: »Für antiimperialistische Solidarität und sozialen Fortschritt. Abrüsten statt aufrüsten!« Es folgten Konkretisierungen im Vorbereitungsbündnis und ein Teilnahmeaufruf an Künstler. Eine große Zahl von Einsendungen stellte eine fünfköpfige Jury vor die schwierige Entscheidung, welche Objekte im begrenzten Ausstellungsraum aufgehängt oder sonstwie plaziert werden.
Am Tag der Konferenz, dem 12. Januar, werden mehr als 50 Exponate von 21 Künstlern zu sehen sein, darunter Öl- und Acrylbilder auf Leinwand, Collagen, Grafiken und Zeichnungen sowie vier Installationen. Ein enormer Organisationsaufwand für eine ehrenamtliche Kreativbrigade im Pensionsalter. Alles für einen einzigen Präsentationstag? Die Mühe lohnt! Mehr als 3.000 Augenpaare werden mit den vielfältigen Umsetzungen des Aufrufs befasst sein, den klaren plakativen Werken wie den verstörenden Installationen. Formen von Gegenkultur, die zu Diskussionen anregen werden.
Sicherlich werden sich bei der Eröffnung um 10.30 Uhr einige an Veranstaltungen in der DDR erinnern, etwa die »Galerie der Freundschaft«, die Jahresausstellung des Kunstunterrichts an DDR-Schulen. Das Thema der diesjährigen RLK-Ausstellung stand damals schon auf der Tagesordnung, so erschreckend aktuell es heute ist. Und auch das Bild von Irmgard Voelz, auf dem ein Mann Picassos Friedenssymbol auf den Asphalt kreidet (ziert den Flyer zur RLK-Ausstellung), gehörte damals garantiert zu den Ideen großer und kleiner Meister.
Dass sich Künstler eines Zirkels nicht nur über die Schulter schauen, sondern sich auch gegenseitig porträtieren, gehört zum kollektiven Streiten, Kämpfen, Schaffen. Der Porträtierte auf dem Bild von Irmgard Voelz stellt am 12. Januar auch selbst aus. Sie erkennen ihn unter den Teilnehmern der Konferenz. Wetten?
Die junge Welt gibt es nicht nur digital oder in gedruckter Form: Sie findet auch einmal jährlich als Tagesveranstaltung in Form der Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz statt. Ohne jW wäre diese Konferenz nicht durchführbar! Zeitung wie Konferenz sind einmalig im deutschsprachigen Raum, das erkennen auch immer mehr internationale Organisationen. So wird die kommende XXIV. Internationale Rosa-Luxemburg-Konferenz am 12. Januar 2019 im Berliner MOA-Kongresszentrum mehr als je zuvor ein internationales Meeting linker Kräfte vor allem aus Europa, aber auch aus anderen Teilen der Welt. Delegationen fortschrittlicher Organisationen und Gewerkschafter sind bisher aus Großbritannien, Spanien, Österreich, Belgien, Dänemark, der Schweiz und aus Kuba, der Türkei und Luxemburg angekündigt.
Die Ideen von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, die vor einhundert Jahren die Kommunistische Partei Deutschlands mitbegründet und mit anderen Revolutionären den Kaiser und seine Getreuen davongejagt haben, werden von den Besuchern der Konferenz aufgegriffen: Wir erinnern gemeinsam daran, dass das Werk der Revolutionäre noch zu vollenden ist – so wie das die kubanischen Genossinnen und Genossen vor 60 Jahren vollbracht haben. Das ist kein Schnee von gestern, sondern dringende Zukunftsaufgabe. Es zeichnet sich schon heute ab, dass die kommende Konferenz die bestbesuchte ihrer Geschichte sein wird. Den Leserinnen und Lesern der jungen Welt empfehlen wir deshalb dringend, sich Einlassbänder im Vorverkauf zu sichern (online unter www.rosa-luxemburg-konferenz.de oder in der jW-Ladengalerie in Berlin). Alle Bestellungen, die uns bis zum 4. Januar erreichen, werden rechtzeitig ausgeliefert. Weil danach ein zuverlässiges Zusenden der Bänder nicht mehr gewährleistet werden kann, nehmen wir ab dem 5. Januar nur noch Reservierungen entgegen. Reservierte Einlassbänder müssen am Veranstaltungstag bis spätestens 10.45 Uhr an der Tageskasse abgeholt werden. Im Moment ist unklar, wie viele Restkarten an der Tageskasse ohne Vorbestellung noch verfügbar sein werden.
Vorbereitungsgruppe Internationale Rosa-Luxemburg-Konferenz 2019
Mesale Tolu berichtete in Frankfurt am Main über Haftzeit und setzt sich für nach wie vor eingesperrte Kollegen ein
Gitta Düperthal
»Die Einschränkung der Meinungsfreiheit bekämpft man am besten, indem man von ihr Gebrauch macht«, hatte Regula Venske, Präsidentin der deutschen Schriftstellervereinigung PEN, gesagt, um Mesale Tolu anzukündigen. Kämpferisch trat die 34jährige freie Journalistin und Übersetzerin vor etwa 680 Zuschauern im ausverkauften Saal der Soirée mit Amnesty International (AI) am Montag abend im Schauspiel Frankfurt am Main auf. Tolu war in der Türkei selbst unter Terroranklage gestellt worden, hatte dort bis Dezember 2017 acht Monate in Untersuchungshaft gesessen – zusammen mit ihrem heute dreijährigen Sohn. Weitere acht Monate war die in Ulm aufgewachsene Frau in der Türkei mit einer Ausreisesperre belegt worden.
Anlässlich des 70. Jahrestages der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte erinnerte sie an die zahlreichen Aktivisten und Oppositionellen, die nach wie vor in der Türkei hinter Gittern sitzen. Am 10. Dezember 1948 um drei Uhr morgens hatte Eleanor Roosevelt als US-Vertreterin bei den Vereinten Nationen die UN-Charta nach nächtlichem Feinschliff verlesen. Mehr als 190 Staaten hatten sie zeitweise unterzeichnet.
Mesale Tolu passte exakt zum Programm, das AI an diesem Abend mit ihrer Kampagne »Schreib für Freiheit« verband. Ähnlich wie bei der Aktion der Gewerkschaft Verdi unter dem Motto »Journalisten sind keine Verbrecher« ging es darum, politischen Gefangenen Solidaritätsschreiben zu schicken. Dazu forderte auch Tolu auf. Sie selbst habe Stärke entwickeln können, weil sie Postkarten von Frauen »aus der ganzen Welt« erhalten habe. Auch der Zusammenhalt mit aus ähnlichen Gründen eingesperrten Frauen sei hilfreich gewesen.
Zwar habe das türkische Regime versucht, die Gefangenen von der Außenwelt so weit wie möglich abzuschirmen – in ihrem Fall sei dies aber nicht gelungen. »Ich habe Hoffnung, weil ich weiß, dass die Menschheit Kraft für den Widerstand gegen diese Diktatoren und Autokraten hat«, sagte Tolu. Es gelte, energisch gegen sie vorzugehen und die in Europa erstarkenden extremen Rechten wieder in ihre Ecken zu verbannen. »Wir müssen unsere Vielfalt gegen deren Einfalt verteidigen«, sagte Tolu. Obgleich ihr eigener Fall längst nicht abgeschlossen ist, zeigt sie sich optimistisch. Wie ihrem Ehemann Suat Corlu wird ihr die Mitgliedschaft in der MLKP (Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei) vorgeworfen. Die Türkei stuft letztere wie viele andere Organisationen als Terrororganisation ein. Das Gericht hat den Prozess gegen das Ehepaar auf den 10. Januar vertagt. »Wir dürfen nicht an der Vergangenheit haften bleiben«, antwortete Tolu auf die Frage von Venske, ob sie noch darunter leide, »als Frau, Journalistin und Mutter ihrer Rechte beraubt worden zu sein«.
Sie wolle sich wieder frei fühlen, um für die Kolleginnen und Kollegen weiter zu kämpfen, die mit Freiheitsentzug drangsaliert werden. Sie dankte der Bundesregierung für deren Einsatz für ihre Freilassung, mahnte aber, zur »Politik für die Menschen« zurückzukehren, statt sich für Wirtschaft und Militär einzusetzen.
PEN-Präsidentin Venske bezeichnete die Türkei als »weltweit größtes Gefängnis für Schriftsteller«. Über Mexiko hätten ihr kürzlich Oppositionelle berichtet, dass dort Autoren nicht ins Gefängnis kämen, sondern »gleich ins Grab«.
Der AI-Generalsekretär in Deutschland, Markus N. Beeko, plädierte anlässlich des Jahrestages dafür, die UN-Menschenrechtscharta zu ergänzen, wenn die Gesellschaft sich durch Digitalisierung, künstliche Intelligenz oder die Klimakatastrophe verändere. Sonst passiere »das Machbare – nicht das Wünschbare«.
Mesale Tolu spricht auch auf der XXIV. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz der jungen Welt am 12. Januar 2019 in Berlin.
Noch arbeiten wir am Programm für die kommende Internationale Rosa-Luxemburg-Konferenz, die am 12. Januar 2019 im Mercure-Hotel MOA in Berlin-Moabit stattfinden wird. Gerade werden die Plakate und Flyer in den Druck gegeben – aber schon jetzt wurden 634 Einlassbänder bestellt! Das Interesse an unserer Konferenz ist also ungebrochen, und jedem sei nicht nur die Teilnahme, sondern auch die rechtzeitige Besorgung eines Einlassbandes (das die Eintrittskarte ersetzt) empfohlen!
Ein besonderer Höhepunkt jeder Konferenz ist die Podiumsdiskussion, die ab 18 Uhr den Rede- und Kulturbeiträgen folgt. Sie steht im kommenden Jahr unter dem Thema »Dass sich die Wut in Widerstand verwandeln wird – Trotz alledem! 100 Jahre Novemberrevolution – Wie geht Klassenpolitik heute?« Frieden sofort und auf Dauer, das war die Forderung der Revolutionäre vor 100 Jahren im November 1918. Vielen von ihnen war klar, dass die Voraussetzung dafür der Bruch mit dem Kapitalismus und der Übergang zum Sozialismus waren. Wieviel Klarheit gibt es dazu heute in Bewegungen, Parteien und Gewerkschaften? Wie muss heute Klassenpolitik von unten aussehen? Wie wird aus Wut endlich Widerstand? Für diese Diskussion konnten wir Ulrich Maurer, ehemaliger Landesvorsitzender der SPD Baden-Württemberg und Mitbegründer der Partei Die Linke, Jan von Hagen, Gewerkschaftssekretär bei Verdi NRW, Lena Kreymann, SDAJ, und die Journalistin Nina Scholz, aktiv in Mieterkämpfen wie etwa dem Bündnis »Deutsche Wohnen & Co. enteignen«, gewinnen. Moderiert wird das Podium von Stefan Huth, Chefredakteur der Tageszeitung junge Welt. Diskutiert wird bis 20 Uhr – dann folgt traditionell das gemeinsame Singen der Internationale. Und zwar so kräftig und stark, wie das sonst nirgends mehr im deutschsprachigen Raum zu erleben ist!
Warum die 24. Ausgabe der Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz eine besondere ist
Dass die XXIV. Internationale Rosa-Luxemburg-Konferenz, die am Sonnabend, 12. Januar 2019 in Berlin stattfindet, eine ganz besondere sein wird, steht seit langem fest. Nicht nur, weil der 100. Jahrestag der Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht ansteht – sondern auch, weil der Imperialismus mittlerweile wieder ungehemmt seine alles bestimmende Profitlogik ausleben kann. Vor hundert Jahren bildete sich die Sowjetunion heraus, schon alleine durch sie wurden die imperialistischen Klassenkräfte in ihren Wirkmöglichkeiten eingeschränkt. In den letzten 28 Jahren hat sich das Kräfteverhältnis allerdings so radikal verändert, dass der Imperialismus es sich immer mehr leistet, auf soziale und demokratische Zugeständnisse zu verzichten. Dafür werden rechte Kräfte in Stellung gebracht, die Klartext reden: »Ich bin für Folter, und das wissen Sie, und das Volk ist auch dafür! Mit Wahlen wirst du nichts ändern in Brasilien, du wirst nur etwas ändern, wenn Du einen Bürgerkrieg anzettelst. Der Bürgerkrieg wird vollenden, was die Militärdiktatur nicht geschafft hat. Mindestens 30.000 Leute müssen weg. Töten! Töten! Egal, wenn ein paar Unschuldige dabei sind«, meint der inzwischen als Präsident Brasiliens gewählte Jair Bolsonaro (ZDF-»Auslandsjournal« vom 24. Oktober 2018). Trotz alledem reden die meisten bürgerlichen Medien weiterhin davon, dass Brasilien »die viertgrößte Demokratie der Welt« sei.
In solchen Zeiten ist ein Treffen konsequent linker Kräfte notwendig, um sich inhaltlich mit den Entwicklungen auseinanderzusetzen – aber auch, um Kraft zu schöpfen und praktisch zu erleben, dass es eine Linke in diesem Land weiterhin gibt. Friedrich Engels stellte schon vor über 150 Jahren fest, dass die bürgerliche Gesellschaft vor einem Dilemma stehe: entweder Übergang zum Sozialismus oder Rückfall in die Barbarei. Die kommende Konferenz will wie die vorherigen einen Beitrag dazu leisten, die Barbarei zu verhindern. Dazu haben wir spannende Gäste eingeladen: Der italienische Ökonom Vladimiro Giacché wird über die nächste Krise, der US-amerikanische Ökonom Michael Hudson über die nächsten imperialistischen Kriege und der Autor und Journalist Dietmar Dath über die nächste Revolution referieren (um nur einige zu nennen). Ein besonderer Höhepunkt wird in diesem Jahr der Beitrag aus Kuba sein: Wir erwarten im Rahmen einer Manifestation für das dann 60 Jahre revolutionäre Kuba auf der Konferenz hochrangige Gäste aus Politik und Kultur der roten Insel. An der Podiumsdiskussion »100 Jahre Novemberrevolution – wie geht Klassenpolitik heute?« werden sich Vertreter aus Kultur, sozialen Bewegungen, Gewerkschaften, Kommunisten und der Partei Die Linke streiten. Beendet wird die Konferenz pünktlich um 20 Uhr mit dem gemeinsamen Singen der Internationalen. Für den folgenden Tag empfehlen wir die Teilnahme an der großen Liebknecht-Luxemburg-Demonstration zu den Gräbern der Revolutionäre.
Damit Sie sich rechtzeitig um Fahrt und Unterbringung kümmern können, bieten wir den Leserinnen und Lesern der jungen Welt schon ab heute die RLK-Einlassbänder zum Kauf an (www.rosa-luxemburg-konferenz.de). Wir rechnen mit insgesamt 3.000 Teilnehmenden – an der Tageskasse wird es bestenfalls noch Restkarten geben, doch das kann nicht garantiert werden. Sichern Sie sich deshalb so schnell wie möglich Ihren Platz!