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Aus: Ausgabe vom 09.01.2010, Seite 16 / Aktion

Kopfschuß statt Sozialismus

Wie Rainer Hank seine Klasse verrät
Von Dietmar Koschmieder
Die DDR ist als Version 3.0 bald wieder am Start, wie es ein Leser der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung entsetzt schreibt. Grund für solche Ängste ist weder eine plötzlich kämpferische DKP noch das gute Abschneiden der Linkspartei bei Bundes- und Landtagswahlen. Nein, es ist die Sozialismusdebatte einer überregionalen Tageszeitung, die so schockiert. Dort wurde »Gleichheit, Freiheit und Gemeinschaftlichkeit« gefordert. Und unter dem Titel »Der Sozialismus ist gar nicht so übel« steht zu lesen, daß er der sozialen Marktwirtschaft überlegen und deshalb wünschenswert sei. Der Beitrag regt die Abschaffung des Privateigentums an, beschreibt auch Probleme im Sozialismus. Trotz alledem.« »Rotesockezeitung« schimpft ein Leser. Und bezieht sich damit keinesfalls auf die junge Welt, sondern die Frankfurter Allgemeine selbst. »Früher wäre so ein Artikel höchstens im Feuilleton erschienen, aber niemals im Wirtschaftsteil«, meint Leser Ralf Kowollik. Schlimmer noch: Der Text ist nicht von einem intellektuellen Spinner – sondern vom bisher »unverdächtigen« Wirtschaftschef der Zeitung Rainer Hank. Das Geschrei ist groß: Das sei eine »Nachfolgekolumne von Karl Eduard von Schnitzler«, keift einer. »Sozialismus endet immer mit Kopfschuß«, sudelt ein anderer – er meint damit nicht den Mord an Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg. »Auf nach China«, kommentiert ein Internetblogger. »Jedem das Seine, nicht jedem das Gleiche«, droht Leser Detlef Stark dem Ressortleiter. Und Leser Karl Wilhelm rechnet dem Wirtschaftschef der FAS vor, daß sein Sozialismus schon 160 Millionen Tote auf dem Gewissen habe: »100 Millionen Tote durch den Sozialismus und 60 Millionen durch den N-Sozialismus«. Ein weiteres Beispiel für die »Degeneration der deutschen Qualitätspresse«, lautet ein Kommentar.

Allerdings ist wenig zu befürchten, daß der Verfassungsschutz künftig die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung unter Beobachtung stellt. Führende Gewerkschaftsfunktionäre trauen sich kaum, Worte wie Klassenkampf, Abschaffung des Privateigentums oder Antikapitalismus in den Mund zunehmen. Selbst die sich sozialistisch nennende Tageszeitung im Lande kümmert sich lieber um Krisenmanagement im Kapitalismus denn um sozialistische Alternativen. Wenn allerdings ausgerechnet die bürgerlichste aller bürgerlichen Zeitungen zum Nachdenken über einen neuen Sozialismus aufruft, darf man daraus schließen, daß die klugen Bürgerlichen am Ende ihres Lateins sind und wenigstens ahnen, daß die bestehenden kapitalistischen Verhältnisse auf Dauer nicht haltbar sind.


Die junge Welt schreibt da weiter, wo Hank aufhört. Es gibt gute Gründe, warum man das Beschreiben des Kapitalismus und das Nachdenken über den Sozialismus nicht den Besitzenden überlassen sollte, weder ihren Regierungen noch ihren Medien. Sie haben aufgrund ihrer Interessens­lage eine spezifische Sicht auf die Dinge. Deshalb ist die Tageszeitung junge Welt so wichtig. Ihre relative Schwäche liegt vor allem in der Schwäche der antikapitalistischen Bewegung begründet. Aber wachsendes antikapitalistisches Bewußtsein ist wiederum ihre Chance. Eine Stärkung der jungen Welt liegt im Interesse aller, die an grundlegenden Veränderungen im Lande interessiert sind. Mit jedem Abonnement, mit jedem Genossenschaftsanteil erweitern wir den Spielraum für eine solche Entwicklung. Deshalb möchten wir Sie heute einladen, die junge Welt für drei Monate zu testen. Das Abo endet, ohne daß Sie es abbestellen müssen. Wir gehen davon aus, daß Sie nach diesen drei Monaten nicht mehr auf die junge Welt verzichten können, falls Sie an Veränderung interessiert bleiben: Verändern beginnt mit abonnieren.

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Leserbriefe zu diesem Artikel:

  • Jörg Maaß: Lieber Herr Riccius, Lieber Herr Riccius, Sie haben Recht: wir brauchen ein Miteinander in der Auseinandersetzung. Aber es reicht eben nicht, auf zwei Parteien zu zeigen und zu sagen: die müssen... Nein, wir müsse...
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