»Wir müssen den Widerstand aufrechterhalten«
Interview: Gitta Düperthal![imago0095325273h.jpg](/img/450/196838.jpg)
In der Lausitz hatten 23 Aktivistinnen und Aktivisten am 4. Februar 2019 Maschinen in den Braunkohlegruben Welzow Süd und Jänschwalde besetzt. Damit wollten sie gegen die Erlaubnis der Kohlekommission demonstrieren, den fossilen Energieträger noch bis 2038 abbauen zu können. Vor dem Landgericht in Cottbus hat der Energiekonzern am Dienstag auf Unterlassung geklagt. Sie sprechen von einer »SLAPP«-Klage. Was bedeutet das?
Das sind missbräuchliche Klagen: SLAPP steht für »Strategic lawsuit against public participation«, also strategische Klagen gegen öffentliche Beteiligung. Der Konzern will zivilen Protest einschränken und kritische Stimmen zum Schweigen bringen. Davon betroffene Aktivistinnen und Aktivisten dürfen künftig nicht mehr in der Nähe der LEAG demonstrieren, ob vor Büros, an der Schiene, vorm Kraftwerk oder am Tagebau. Bei Verstößen dagegen droht eine Geldstrafe von 250.000 Euro. Angesichts einer so extrem hohen Summe ist es nicht mehr möglich, Protest in der Form fortzuführen.
Und wie wurde das vor Gericht verhandelt?
Der Richter versuchte, im Kompromiss eine Einigung zu finden. Dazu muss man wissen: Der Konzern ist in zwei Bereiche aufgeteilt, in die Lausitz Energie Bergbau AG und die Lausitz Energie Kraftwerke AG. Beide klagen. Die erste Unterlassungserklärung zum Tagebau, der 2019 von der Demonstration betroffen war, wurde von uns unterschrieben. Da aber der Bereich Kraftwerke von Protesten nie betroffen war, fragt sich: Warum sollten wir dazu eine Unterlassungserklärung unterschreiben? Der Richter meinte: Die LEAG liefere nicht genügend Argumente dafür, weshalb auch dieser Teil von Demonstrationen betroffen sein könnte. Der Konzern verwies auf »Geschäftsgeheimnisse«. Das Gericht hat diesem nun eine Frist bis 30. August gesetzt, sich zu äußern. LEAG will weiterhin alles durchsetzen. Das zeigt, dass es um SLAPP geht. Diese Unterlassungsklage soll generell abschrecken, um präventiv demokratisches Engagement zu unterbinden.
Weshalb ist es wichtig, solche Klagen zu verhindern?
Vor allem nach dem EU-weiten Rechtsruck wird klar, dass wir insgesamt das demokratische System schützen müssen. In Europa landen immer häufiger Menschen vor Gericht, die ökologische und soziale Missstände anprangern. Aktivisten oder auch Journalisten sollen mürbe gemacht werden: durch aufwendige Prozesse, verbunden mit der Androhung immens hoher Kosten, die sie nicht leisten können. Wenn Großkonzerne so versuchen, Aktive davon abzuhalten, ihren Protest mit Aktionen öffentlich zu machen, stellt das eine Entdemokratisierung dar.
Nun gab es auf EU-Ebene bereits Ende 2023 die Einigung für eine Anti-SLAPP-Richtlinie. Diese ist seit April in Kraft.
Beklagte können beantragen, offensichtlich unbegründete Klagen frühestmöglich abzuweisen. Es gilt eine Beweislastumkehr, wonach der Kläger fundierte Gründe für eine Verfahrensfortsetzung liefern muss. Das Gesetz beinhaltet zudem die Möglichkeit, dem Kläger eine Sicherheitsleistung zur Deckung der Verfahrenskosten abzuverlangen, sowie SLAPP-Opfer zu entschädigen. Die Kommission forderte die Mitgliedstaaten auf, Vorschriften für innerstaatliche SLAPP-Klagen zu erlassen, für deren Gesetzgebung die EU keine Kompetenz hat. Sie haben zwei Jahre Zeit, das Gesetz in nationales Recht umzusetzen.
Ist der Widerstand gegen die Kohleförderung noch aufrecht zu halten?
Wir müssen es tun. Wir befinden uns mitten in der Klimakrise. Extremwetter und Hochwasser zeigen, dass wir mit dem CO2-Ausstoß so nicht weitermachen können. Man spricht von Jahrhunderthochwasser, sie sollten aber »Jahrhunderthochwasser des Monats« heißen. Erst 2038 den Kohleabbau zu stoppen, ist zu spät. Regenerative Energien in Deutschland decken im ersten Halbjahr 2024 fast 60 Prozent des Stromverbrauchs ab. Wir fordern den Konzern auf, die Notwendigkeit unserer Proteste anzuerkennen und die gesamte Klage zurückzuziehen.
Jana Alt ist eine der Aktivistinnen und Aktivisten, von denen der Energiekonzern LEAG per Unterlassungsklage die Aufgabe ihres Protestes gegen den Kohlebergbau verlangt
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