Im Visier der Scharfschützen
Von Karin Leukefeld, BeirutDie israelische Kriegführung in Gaza legt den Küstenstreifen weiter in Trümmer. Seit Mittwoch hat Israels Armee die noch verbliebene Bevölkerung in Gaza-Stadt wiederholt aufgefordert, die Stadt zu verlassen. Der israelische Verteidigungsminister Joaw Gallant erklärte zum Ziel, die Hamas in der Stadt zu »vernichten«. Mindestens 300.000 Menschen wurden teilweise durch Bomben aus dem Westen, Zentrum und aus dem Osten von Gaza-Stadt zur Flucht Richtung Süden gezwungen. Am Donnerstag meldeten Augenzeugen, das Zentrum von Gaza-Stadt bestehe nur noch aus »Ruinen«.
Die israelischen Streitkräfte hinterließen einem Bericht des katarischen Nachrichtensenders Al-Dschasira zufolge eine »Spur der Verwüstung«, nachdem sie aus dem Stadtteil Schudschaija zu ihrem nächsten Ziel, dem Stadtteil Tel Al-Hawa gezogen waren. Schudschaija war zwei Wochen lang bombardiert worden. Bewohner, die dorthin zurückkehrten, um nach ihren Häusern zu sehen, berichteten, dass viele Leichen in den Straßen lägen.
Al-Dschasira-Reporterin Hind Khoudary berichtete aus Deir Al-Balah südwestlich von Gaza-Stadt, dass Menschen, die der Anweisung zur Evakuierung auf »sicheren Routen« nachkommen wollten, von israelischen Scharfschützen unweit des Jarmuk-Stadions beschossen worden seien. Ein älterer Mann berichtete dem Sender, er habe gesehen, wie ein Mann getötet worden sei, der auf seinem Fahrrad Lebensmittelkonserven transportiert habe. Niemand habe den Toten bergen können, weil der Scharfschütze die Straße im Visier hatte. Selbst die Rettungssanitäter hätten die Straße nicht betreten können. Die Sanitäter gaben an, sie seien von der israelischen Armee gewarnt worden, dass jeder, der versuche, sich dem Toten zu nähern, erschossen werde.
Besondere Aufmerksamkeit in den vielen Berichten arabischer Medien von Toten, Verletzten und Vertriebenen fand das Schicksal eines drei Monate alten Babys. Die kleine Asmaa Adschur hatte als einzige den Angriff auf das Haus von Verwandten überlebt, berichtete ihre Großmutter Um Ramsi Kwaider, die das Kind ins Kamal-Adwan-Krankenhaus bringen konnte.
Die Familie des Mädchens war wenige Tage zuvor aus dem Stadtviertel Tufah im östlichen Teil von Gaza-Stadt vor den israelischen Angriffen in den Westen der Stadt zu Verwandten geflohen, in den Stadtteil Sina. Die Familie war dem israelischen Aufruf gefolgt, Al-Tufah zu verlassen. Kaum angekommen, habe die israelische Armee auch den Stadtteil Sina bombardiert, so die Großmutter. »Die Mutter (von Asmaa), der Vater, die Schwestern, Cousinen und Onkel« seien bei dem Angriff getötet worden. Ihr Mann, der Großvater von Asmaa, habe das Baby im Schoß seiner toten Mutter gefunden. Dort habe das Kind zwölf Stunden lang überlebt, bis der Großvater trotz anhaltenden Beschusses durch die israelische Armee das Haus erreichen konnte. »Was wird aus diesem Waisenkind?« so die ratlose Großmutter. »Ohne Vater und Mutter – wie kann es allein in dieser Welt leben?«
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Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (12. Juli 2024 um 13:16 Uhr)Gaza-Stadt wird zur Geisterstadt. Zehntausende sind bereits nach der neuen israelischen Evakuierungsaufforderung geflohen. UN-Experten werfen Israel zu Recht eine vorsätzliche Hungerkampagne vor. Der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC), Khan, beschuldigt die israelische Regierung, eine führende Rolle in einem Plan zu spielen, der den Hunger der Bevölkerung Gazas als Mittel einsetzt, um die Hamas zu eliminieren. Darüber hinaus agiere das israelische Militär ähnlich wie die Römer in Karthago.
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