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Aus: Ausgabe vom 23.07.2024, Seite 4 / Inland
Präsidentschaftswahlen in USA

Transatlantiker erleichtert

Lob deutscher Politiker für Verzicht von US-Präsident Biden auf neue Kandidatur. Kritik von BSW an designierter Nachfolgerin Harris.
Von Karim Natour
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Und tschüss: US-Präsident Joseph Biden tritt nicht noch mal für die Demokratische Partei an

Die Erleichterung im deutschen Politikestablishment war groß. Ein Wahlsieg der Demokratischen Partei gegen den republikanischen Konkurrenten Donald Trump bei den kommenden US-Präsidentschaftswahlen im November ist nach dem am Sonntag abend bekanntgewordenen Rückzug von Joseph Biden zumindest nicht mehr unvorstellbar. Nach einer schwachen Performance im Wahlkampf und wachsendem Druck von Unterstützern hatte Biden per Mitteilung verkündet, die Nominierung seiner Partei zur erneuten Kandidatur für das Präsidentenamt nicht anzunehmen. Wenig später erklärte der 81jährige, die aktuelle US-Vizepräsidentin Kamala Harris zu unterstützen. Harris hat vor allem einen Vorzug: Sie ist nicht Biden.

Zahlreiche deutsche Politiker waren nach Bekanntwerden der Nachricht voll des Lobes und sprachen dem Urgestein der Demokratischen Partei Respekt für seinen Entschluss sowie sein politisches Lebenswerk aus. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nannte ihn in einem Post beim Kurznachrichtendienst X seinen »Freund« und schrieb: »Dank ihm ist die transatlantische Zusammenarbeit eng, die NATO stark, die USA ein guter und verlässlicher Partner für uns. Sein Entschluss, nicht noch einmal zu kandidieren, verdient Anerkennung.«

Die Demokratische Partei gilt im Gegensatz zu den Republikanern unter Trump bei der transatlantischen Zusammenarbeit als verlässlicher Partner. Während letzter unter anderem behauptet hatte, die Unterstützung für die Ukraine beenden und sogar Taiwan für militärische Unterstützung durch die USA bezahlen lassen zu wollen – neben Israel und der Ukraine ein strategisch zentraler Kampfplatz des US-Imperiums im Kampf um globale Hegemonie –, äußerte sich Harris in der Vergangenheit positiv über die Fortführung der Ukraine-Hilfen, die NATO und die Unterstützung Taiwans.

Fabio De Masi, EU-Abgeordneter des BSW, kritisierte zu einer möglichen Nachfolge der ehemaligen Generalstaatsanwältin auf X, mit der Unterstützung der »elitären Kamala Harris« habe Biden Trump (der sich als Gegenpol zum als korrupt wahrgenommen traditionellen US-Establishment inszeniert) »sogar einen Gefallen getan«. Da »hätte er auch gleich Hillary Clinton ins Rennen schicken können«.

Auch der Transatlantikkoordinator der Bundesregierung, Michael Link (FDP), würdigte das politische Vermächtnis von Biden und teilte mit: »Gerade im sicherheitspolitischen Bereich hat er nichts unversucht gelassen, die Partnerschaft weitsichtig zu intensivieren und die Abschreckungsfähigkeit der NATO zu stärken, wie erst jüngst durch die Ankündigung der Stationierung von Marschflugkörpern in Deutschland.«

CDU-Chef Friedrich Merz erklärte auf X, Biden habe mehr als fünf Jahrzehnte lang dem US-amerikanischen Volk gedient. Die Entscheidung verdiene »größten Respekt«. Der SPD-Außenpolitiker Ralf Stegner bezeichnete den Rückzug als »alternativlos und notwendig, um den republikanischen Kandidaten Donald Trump doch noch zu besiegen«. Vizekanzler Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) huldigte auf Instagram dem Entschluss des Politikers, der ihn »mit tiefer Hochachtung« erfülle. Biden habe sich »ein halbes Jahrhundert für die Demokratie, fürs Land, für die Menschen« eingesetzt und mit ganzer Kraft »in den Dienst der demokratischen Institutionen gestellt«. Dass Biden neben »Sleepy Joe« (Donald Trump) wegen seiner diplomatischen und materiellen Unterstützung Israels bei dessen Krieg gegen die Zivilbevölkerung im Gazastreifen von seinen Gegnern auch den Spitznamen »Genocide Joe« erhielt, interessierte nicht.

SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil bescheinigte Biden, er habe seiner Partei im Präsidentschaftswahlkampf »einen frischen Start ermöglicht«. Die Bundesregierung stelle sich aber »auf jeden Wahlausgang ein«. Egal welches Lager die Wahlen im November für sich entscheiden kann, in Berlin ist man vor allem darauf bedacht, die EU unter deutscher Führung zu einem noch wichtigeren Akteur zu machen – nicht zuletzt militärisch. Entsprechend kommentierte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) den Vorgang am Rande eines EU-Außenministertreffens in Brüssel und erklärte, »Europa muss stärker werden, gerade im Bereich der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik«.

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  • Leserbrief von Reinhard Hopp aus Berlin (22. Juli 2024 um 20:59 Uhr)
    »Europa muss stärker werden, gerade im Bereich der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik«. Und Deutschland wird im Falle einer Wiederwahl Trumps seine Pipelines künftig selber und ohne die Mitwirkung von Sleepy Olaf sprengen müssen, denn der wird sich wieder mal an nichts erinnern können (wollen).

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