Feine Gesellschaft der »Asow«-Förderer
Von Susann Witt-StahlNach der Absage ihrer Talkshow-Auftritte in Hamburg, Berlin und Köln hat »Asow« bereits einen neuen Anlauf versprochen: »Wir werden die Ukrainer in diesen Städten auf jeden Fall ein anderes Mal treffen«, erklärte die 3. Sturmbrigade ihren Fans, die unter anderem »homosowjetische Migranten mit Flaggen der UdSSR« für die Cancelung verantwortlich machen – ohne konkrete Termine zu nennen. Die Zeichen stehen günstig. Zumindest »Asow«-Influencer aus dem Bereich Kultur können schon lange auf ein stabiles Unterstützerkartell in der hiesigen »Zeitenwende«-Gesellschaft bauen und ungehindert durch deutsche und andere westliche Metropolen touren.
Zum Beispiel der ukrainische Popsänger Artem Piwowarow, der auf der Bühne »Asow«-Kämpfer das »Gebet« der OUN zur Huldigung der »Helden der ukrainischen Nationalrevolution«, Stepan Bandera, Roman Schuchewitsch (Exkommandeur des Wehrmachtbataillons »Nachtigall«) und anderer Hitler-Kollaborateure, sprechen lässt. Ebenso TNMK, die erfolgreichste HipHop-Formation der Ukraine, die seit Gründung der »Asow«-Bewegung 2014, als deren Geldbeschaffer agiert. 2022 filmte sich Bandmitglied »Fozzi« beim »ersten Punkt des obligatorischen Programms in München« – dem Besuch von Banderas Grab auf dem Waldfriedhof. »Sie sind der Müll dieser Welt«, meint sein Kollege »Fagot« über die Russen. »Es ist notwendig, sie zu vernichten.«
Das wünscht sich Lilia Ketler, zweite Vorsitzende des in Hamburg ansässigen Vereins »Feine Ukraine« für die gesamte »russische Welt«. »Feine Ukraine« organisiert zwar vorwiegend karitative Projekte, war aber auch einer der Gastgeber für die nun verschobenen »Asow«-Shows, die Veranstaltung mit der banderistischen Kriegssanitäterin Julija »Taira« Pajewska, die im Juni in der Bucerius Law School stattfand, und bewarb auch die Auftritte von TNMK und Piwowarow in Hamburg. Nicht zuletzt verbreitet »Feine Ukraine« Kriegspropaganda und mobilisiert regelmäßig die ukrainische Diaspora zu Kundgebungen für mehr deutsche Waffenlieferungen und NATO-»Engagement«.
Das weiß die politische Klasse zu schätzen: Ob zum traditionellen Matthiae-Ehrenmahl für Staatsoberhäupter und andere hohe Gäste oder zum parlamentarischen Sommerfest – zu jeder Feierlichkeit des Hamburgischen Senats und der Bürgerschaft sind Repräsentanten von »Feine Ukraine« geladen und posieren mit Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) oder Honoratioren der Stadt für Pressebilder des stets entzückten Medienestablishments. Es fließen auch Steuergelder an die ukrainischen Nationalisten. Beispielsweise beschloss die Bezirksversammlung Hamburg-Mitte Ende 2023 – mit den Abgeordnetenstimmen der Partei Die Linke (und Enthaltung der AfD-Fraktion) – eine Zahlung von 18.369 Euro etwa zur Deckung von Mietkosten an »Feine Ukraine«.
»Feine Ukraine« und der dem Verein angeschlossene »Bund ukrainischer Veteranen und Kriegsverletzter in Deutschland« bekommen auch Rückhalt vom deutschen Militär und der Rüstungsindustrie. Das dokumentieren Gruppenfotos mit Bundeswehr-Soldaten und Fahne des ukrainischen Bataillons »Donbass« vom Veteranenwochenende 2024 in Berlin. Vergangenen Monat spendierte Rheinmetall ihnen einen Besuch im Panzermuseum in Munster.
Die ukrainischen Nationalisten wecken mit ihren (Rück-)Eroberungsplänen offenbar auch sentimentale Erinnerungen bei Kapital, das einst besonders von den Russland-Raubzügen des deutschen Imperialismus profitiert hat: Ein weiterer Kooperationspartner des ukrainischen Veteranenbunds ist die Hermann-Reemtsma-Stiftung. Diese war 1988 »in Gedenken« an Hermann Fürchtegott, den ältesten der drei Brüder, die das Genussmittelunternehmen in der Nazizeit dank Göring und Hitler faktisch zum Tabakmonopolisten aufsteigen ließen, gegründet worden. 1941 hatte der Reemtsma-Konzern nach Besetzung der Krim durch die deutsche Wehrmacht die Tabakernte und -industrieanlagen sowie die Bevölkerung zu Arbeitssklaven »germanisiert«. Nach Ende der Sowjetunion begnügte er sich mit der Eroberung der Märkte in der Ukraine, Russland und Nachbarländern, die ihm bis 2001 eine Nettogewinnsteigerung von 490 Prozent bescherte.
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