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Aus: Ausgabe vom 07.08.2024, Seite 11 / Feuilleton
Festivalsommer

Schön seid ihr alle

Am Sonnabend auf dem Festival »Jenseits von Millionen« in Friedland
Von Samsa Henning
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The kids are alright

Die Fahrt nach Friedland führt vorbei an Sonnenblumen- und Maisfeldern, durch brandenburgische Wälder, kleine Orte. Und alle paar Meter eine Fratze am Laternenpfahl, die sich für die bevorstehende Landtagswahl empfiehlt. Und trotz des AfD-Aufgebots gibt es dieses kleine linke Indie-Festival. Klein heißt, dass zirka 300 Menschen vor der Bühne tanzen und lauschen. Links heißt, dass die musikalischen Gäste sich durch die Bank gegen Nazis stellen. Mal mehr, mal weniger deutlich; doch sie alle eint, dass wir uns hier in der Burg Friedland begegnen und gemeinsam gegen den Rechtsruck im Land protestieren in Form von Kunst. Indie (independent, dt. unabhängig) meint diese Kunst: weniger bekannte Bands, die nicht bei einem großen Label unter Vertrag stehen.

Am Sonnabend eröffneten Topsy Turvy den Festivaltag: Sie rotierten bei ihrem britischen Post-Punk munter an den Instrumenten und zeigten so, dass jede für sich vielseitig talentiert ist und sie gemeinsam ein schönes musikalisches Projekt auf die Bühne bringen.

Im Anschluss spielte Saba Lou in der Friedländer Kirche auf ihrer Akustikgitarre ein paar Songs mit Lagerfeuergefühl und erinnerte so an einen Herbstnachmittag mit Tee und Zimtschnecken. Weitere Gäste in der Kirche waren Max Richard Leßmann, der aus seinem Roman »Sylter Welle« Familienanekdoten vorlas, und Stella Sommer, an deren ruhige, musikalisch unaufgeregte Lieder ich mich erst gewöhnen musste, spielten doch direkt vor ihr Remote Bondage auf der Burgbühne.

Und wie sie das taten! Die Punkband reiste zu fünft an: ein Schlagzeug, ein Bass, drei Sängerinnen. Sie sangen zum Beispiel von der (vor allem) männlichen Unart des Catcallings (hierbei werden zumeist Frauen fragwürdige Komplimente hinterhergerufen): »… nicht charmant, was du da tust / Denn alles, was du bist / ist ein trauriger, ekliger, notgeiler Sexist.« Und dazu die einfachen, aber wirksamen und energiegeladenen Choreographien – das hat wirklich Spaß gemacht!

Außerdem zu sehen und hören gab es Nils Keppel mit Band, deren Musik an Temmis (JvM-Gäste im vergangenen Jahr) und Betterov erinnert. Frontmann Nils fasste das allgemeine Gefühl des Festivals wunderbar zusammen: »Schön seid ihr alle«, sagte er in einer Zwischenmoderation und meinte damit keine Normschönheit oder Kleidung oder ähnliches, sondern das Miteinander, das Aufeinander-Achtgeben, das gemeinsame Feiern.

Das Festival wird ehrenamtlich auf die Beine gestellt. Der Gewinn geht in diesem Jahr an Pier 13, einen Jugendclub in Beeskow, der auch auf dem Festivalgelände mit einer Siebdruckstation vertreten war.

Wie schon im vergangenen Jahr verschob sich der Zeitplan gegen Ende nach hinten, auch die Headlinerin Ebow kam krankheitsbedingt nicht. Für sie sprang Maryam.fyi ein und beschloss das diesjährige »Jenseits von Millionen« unter sternenklarem Himmel.

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