Koreas Grenzgänger
Von Martin Weiser, SeoulDer US-Soldat Travis King ist am Freitag für die Desertion nach Nordkorea im vergangenen Jahr zu einem Jahr Haft verurteilt worden. Zu diesem Zeitpunkt saß er bereits 338 Tage in Untersuchungshaft in einem US-Gefängnis. Dank gutem Verhalten erließ der Richter ihm den letzten Haftmonat. Während der Verhandlung soll Travis gesagt haben, er wollte nie wieder zurück in die USA. Nordkorea hatte letztes Jahr am 16. August sogar öffentlich anerkannt, dass er in der Demokratischen Volksrepublik oder einem anderen Land Asyl suche. Ende September hatte man sich dennoch entschieden, ihn nach China auszuweisen, wo er den US-Behörden übergeben wurde.
King sollte am 17. Juli 2023 eigentlich zurück in die USA fliegen, um sich dort für mehrere kleinere Vergehen vor einem US-Militärgericht zu verantworten. Man begleitete ihn aber nur bis zur Zollkontrolle, und so konnte er ohne Probleme den Flughafen wieder verlassen. Am nächsten Tag nahm er dann an einem Touristenausflug an die innerkoreanische Grenze teil, bei der man auch die sogenannte gemeinsame Sicherheitszone besucht, die umgangssprachlich meist nur Panmunjom genannt wird. Dort wird man nur wenige Meter von der Grenzlinie an Baracken vorbeigeführt, in denen der Waffenstillstand für den Koreakrieg unterzeichnet wurde, und so konnte King mit einem schnellen Sprint in den Norden gelangen. Er hatte keinen Reisepass. Aus diesem Grund blieb ihm nur diese Möglichkeit, sich abzusetzen, denn für Ausflüge nach Panmunjom reicht auch ein US-Soldatenausweis.
Ursprünglich konnten sich die Soldaten von beiden Seiten frei in dieser »gemeinsamen Sicherheitszone« bewegen. Seit einer blutigen Auseinandersetzung 1976 bleibt jedoch jeder lieber auf dem eigenen Gebiet. Wie auch in den anderen Abschnitten der angeblich »demilitarisierten Zone« (DMZ) entlang der innerkoreanischen Grenze erinnert nur noch der Name an Abrüstung und gegenseitiges Vertrauen. Kontrolliert wird dieser Teil Südkoreas allein vom UN-Command, eine dem US-Verteidigungsministerium unterstellte Organisation, die wiederum nur im Namen mit den Vereinten Nationen zu tun hat. Dieser UN-Command schreckt teilweise auch nicht davor zurück, der südkoreanischen Regierung Zugang zum eigenen Territorium zu verwehren, wenn es nicht in die politische Linie passt. Das kam besonders während der Regierungszeit von Moon Jae In (2017–2022) zum Vorschein, der auf Aussöhnung mit dem Norden setzte. Laut der Zeitung Hankyoreh traf das »Einreiseverbot« im Juni 2019 sogar eine südkoreanisch-deutsche Regierungsdelegation; zwei Monate später durfte selbst der Wiedervereinigungsminister aus Seoul ein wohlgemerkt südkoreanisches Dorf in der DMZ nicht besuchen.
Nordkoreanern, die wie Kim Ryon Hui nach der Flucht in den Süden wieder zurückwollen, wird ebenfalls die Möglichkeit verwehrt, in ihre Heimat zurückzukehren. Wobei unklar ist, ob bereits bei Verdacht eines geplanten Grenzübertritts in Panmunjon nicht vielleicht doch die südkoreanische Regierung vorher intervenieren würde.
Oft verweigert der südkoreanische Staat auch noch den Pass für eine legale Ausreise und lässt so nur noch den lebensgefährlichen Weg durch andere Abschnitte der »demilitarisierte Zone« und mögliche Minenfelder. Gerne wird nur darüber berichtet, dass die nordkoreanischen Soldaten das Feuer eröffnen, wenn einer der eigenen Leute Richtung Süden abhauen will. So etwa im November 2017 als Oh Chong Sung erst mit einem Auto die nordkoreanischen Absperrungen in Panmunjom durchbrach und im Kugelhagel nur wenige Meter hinter der Grenzlinie auf südkoreanischer Seite zusammenbrach.
Im September 2013 wurde aber auch ein Südkoreaner vom Süden erschossen, als er versuchte durch einen Grenzfluss zu schwimmen. Nam Yong Ho hatte vorher bereits vergeblich versucht, in Japan politisches Asyl zu beantragen. Der Sprecher des Verteidigungsministers rechtfertigte die Ermordung damals mit dem ausgebliebenen Ende des Koreakrieges und schien sogar einzugestehen, dass auf der südkoreanischen Seite der Grenze ein Schießbefehl herrsche. Wer immer die Regeln missachte, könne erschossen werden.
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