Bern beschließt neue Asylhürden
Von Kim NowakAuch in der Schweiz wird der Ton in der sogenannten Asyldebatte rauer. Am Sonnabend fand im Nationalrat eine außerordentliche Debatte statt, die von der rechten Schweizerischen Volkspartei (SVP) eingefordert worden war. Dabei wurden mehrere Motionen – parlamentarische Vorstöße – vorgelegt, mit denen die Regierung beauftragt werden sollte, entsprechend zu handeln. Die Sondersitzung war bereits die dritte in diesem Jahr zum Thema. Derzeit befinden sich knapp 132.000 Menschen in einem Asylprozess – eine verschwindend kleine Zahl im Vergleich zu knapp 8,8 Millionen Einwohnern. Für die Rechten ist das jedoch immer noch ein gefundenes Fressen.
Die gute Nachricht zuerst: Zwei Anträge lehnte der Nationalrat ab. Der eine verlangte, Menschen nicht mehr als Geflüchtete anzuerkennen, wenn sie über einen sogenannten Drittstaat einreisen. Während die FDP der Idee zugeneigt war, argumentierte die Regierung, der Schweizer Bundesrat, dass solch ein Vorstoß gegen die Genfer Flüchtlingskonventionen verstoßen würde. Ebenfalls keine Mehrheit erhielt der Antrag mit der Forderung, an den Landesgrenzen der Schweiz sogenannte Transitzonen zu errichten. Hier sollten Geflüchtete ein erstes Gesuch stellen und so lange dort bleiben, bis ein positiver oder negativer Bescheid ausgestellt würde. Auch hier wurde der Bundesrat deutlich: Nicht nur handele es sich dabei um einen »unverhältnismäßigen Eingriff in die persönliche Freiheit«, wie das Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) einen Sprecher zitierte. Außerdem seien solche »Transitzonen« »schwer umsetzbar«.
Eine Verschärfung der Asylpolitik wird es dennoch geben. Denn ein zentraler und auch erfolgreicher Vorstoß der SVP war, den Familiennachzug von »vorläufig Aufgenommenen« zu verbieten und deren Aufenthalt in der Schweiz zu verkürzen. Thomas Knutti, der Sprecher der SVP, argumentierte weiter: Würden Familien nachziehen, würden sie die Alpenrepublik »nie wieder verlassen«. Dafür stimmten nicht nur die SVP, sondern auch die FDP und die christdemokratische »Mitte«. »Wir sind einfach zu attraktiv«, so Knutti in bezug auf die Schweiz. Der sozialdemokratische Justizminister Beat Jans kritisierte die Annahme des SVP-Vorschlags scharf. Denn sowohl das Bundesgericht als auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sehen ein Verbot des Familiennachzugs als rechtswidrig an. Die Hürden für den Familiennachzug seien schon heute hoch. Gleichzeitig verstoße es auch gegen die Verfassung, so Jans weiter.
Weitere Motionen, die mehrheitlich angenommen wurden, waren die Einsetzung einer »Taskforce« und ein systematischer Austausch von Daten zu »illegalen Aufenthalten« im Land. Kantone, Gemeinden, Krankenkassen und Sozialversicherungen sollen die Informationen zur Verfügung stellen. Die von der FDP geforderte Taskforce richtet sich hingegen gegen sogenannte Asylmissbräuche. Laut SRF verstehen die Liberalen darunter die Flucht aus wirtschaftlichen Gründen oder »Medizintourismus«. Jacqueline de Quattro, Nationalrätin der FDP, betonte, dass das »Asylsystem dafür nicht gerüstet« sei.
Auch den Schutzstatus für Ukrainer will man reformieren. Von den 132.000 Menschen im Asylprozess stammen 53 Prozent aus der Ukraine. Ein Vorstoß des Nationalrats Nicolò Paganini (»Mitte«) sieht vor, Ukrainern, die bereits Rückkehrhilfe beantragt haben, bei einer erneuten Einreise in die Alpenrepublik Asyl zu verwehren. Trotz des Hinweises des Bundesrates, dass sich die Lage in der Ukraine immer ändern könne und man daher Geflüchteten die Möglichkeit eines erneuten Asylgesuchs bieten solle, wurde die Motion von Paganini mit einer deutlichen Mehrheit angenommen. Bern ist also auf dem besten Weg, sich weiter abzuschotten. Man könnte fast sagen: eine Alpenfestung innerhalb der Festung Europas.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Alexander K. aus 79183 Waldkirch (27. September 2024 um 09:56 Uhr)Der Artikel beleuchtet treffend die Stimmungslmache vom Bürgerlichen bis rechten nationalistischen Lager in der Schweiz. Schön wäre allerdings gewesen wenigstens auch den adhoc Widerstand dagegen zu erwähnen. Dieser blieb nicht ganz erfolglos. Sie nachfolgende Meldung der Schweizer SP: Selten war die Entrüstung nach einem Parlamentsentscheid grösser: Innert 24 Stunden haben über 115'000 Menschen unseren Asyl-Appell an den Ständerat unterzeichnet. Und dieser Druck hat gewirkt! Der Ständerat hat vor einigen Minuten entschieden, Kriegsflüchtlingen das Recht auf Familienzusammenführung vorerst doch nicht zu nehmen. Alle Polit-Beobachter*innen und Medienschaffende gingen davon aus, dass sich dieser Entscheid nicht mehr abwenden lässt. Die rechten Politiker*innen im Nationalrat zeigten sich siegessicher. Doch gemeinsam konnten wir einen derart gewaltigen Druck erzeugen, dass es den Ständerat dazu bewogen hat, den Vorstoss an die zuständige Kommission zurückzuweisen. Ganz vom Tisch ist der SVP-Vorschlag damit leider noch nicht. Wir werden in den nächsten Monaten deshalb ganz nah am Thema dranbleiben und dich sofort informieren, falls der Ständerat die Familienzusammenführung für Kriegsflüchtlinge doch noch verbieten will. Für heute überwiegt die Erleichterung und die Dankbarkeit darüber, dass so viele Menschen für die Rechte von Flüchtlingen einstehen. Ein riesiges Dankeschön aus tiefstem Herzen ❤️ Als einer der Unterzeichnenden ist mir wichtig den Protest international bekannt zu machen. Für die brd wünschte ich mir solcer Art adhoc Widerstand gegen die menschenfeindliche Abschiebeallianz von der Nazipartei, BSW, CDU, FDP, Grünen und Teilen der der SPD. Diese Parteien betreiben ein schändliches Spiel auf dem Rücken der Schwächsten im Lande. Alexander Kauz - Deutsch-Schweizer Bürger und Mitglied des Linken LaVo Baden-Württemberg
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