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Aus: Ausgabe vom 10.10.2024, Seite 8 / Inland
Esso-Häuser

»Gemeinnützigkeit wird Gewinninteressen geopfert«

Hamburg: In St. Pauli ist ein einmaliges Beteiligungsverfahren am Senat gescheitert. Ein Gespräch mit Heike Sudmann
Interview: Kristian Stemmler
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Hamburgs Senat und Investoren haben mit dem Gelände der Esso-Häuser andere Pläne als die Bewohner des Viertels

In Hamburg-St. Pauli ist ein bundesweit beachtetes Beteiligungsprojekt gescheitert. Das Kollektiv Planbude, das bei der Planung des Paloma-Viertels auf dem Gelände der ehemaligen Esso-Häuser für die Einbindung der Bürger sorgte, hat seine Arbeit eingestellt. Wie bewerten Sie das?

Das ist ein Verlust und ein echter Tiefschlag für St. Pauli. Eine einmalige, von unten erkämpfte und unabhängige Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger würde auf der Strecke bleiben, ebenso wie die ehemaligen Mieterinnen und Mieter und Gewerbetreibenden der Esso-Häuser. Der hier entstandene »St. Pauli-Code« hat gezeigt, wie Stadtteilentwicklung für und mit den Bürgerinnen und Bürgern gehen kann und ist zum Vorbild geworden.

Welche Gründe hat die Planbude für ihren Schritt genannt?

Trotz des schon lange ausgehandelten städtebaulichen Vertrages zwischen Stadt und Investor und dem vorhandenen Baurecht lässt die Stadt sich auf der Nase herumtanzen. Das Gelände liegt seit fast zehn Jahren brach, die vereinbarten, auf Jahrzehnte günstigen Wohnungen und die St.-Pauli-spezifischen Klubs sowie die Gemeinnützigkeit werden den Gewinninteressen der Bayerischen Hausbau geopfert.

Planbude kritisiert, dass sich Stadtentwicklungssenatorin Karen Pein und Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher auf die Seite des Unternehmens geschlagen hätten. Den Weg »vom Pioniermodell einer kooperativen Stadtentwicklung zum gewöhnlichen Spekulationsobjekt« wolle man nicht mitgehen.

Ich könnte es nicht besser beschreiben. Der Hamburger Senat hat sich klein gemacht, statt Druck auf den Investor auszuüben. Wie wenig Bürgermeister und Senatorin sich für den Stadtteil und die Bürger und Bürgerinnen interessieren, zeigt sich auch daran, dass sie jetzt Investorensprech übernehmen: Die vielen Wünsche der Bürger und Bürgerinnen seien schuld am Scheitern. Peinlicher geht es nicht. Und dabei vergessen sie, dass es einen gemeinsamen Vertrag gibt, der in zähen Verhandlungen zwischen Stadt, Planbude und Investor zustande gekommen ist.

Das Büro Planbude hatte ein innovatives Beteiligungskonzept erarbeitet. Was war das Besondere daran?

Als unabhängige Gruppe aus und für den Stadtteil hat die Planbude auf den unterschiedlichsten Wegen die St. Paulianer und St. Paulianerinnen aller Alters- und Herkunftsgruppen erreicht. Mit Knet- und Legomodellen in ihrer gläsernen Werkstatt, Workshops in Kneipen, Kaschemmen, Klubs, Seniorentreffs und vielem mehr. Das Wissen der Straße und der Erfindungsreichtum des Alltags wurden sozusagen eingefangen. 2.000 Beiträge waren es am Ende. Mir ist kein Beteiligungsverfahren in Deutschland bekannt, das so intensiv »normale« Menschen über Kunst, Kultur, Architektur und soziale Stadtteilarbeit eingebunden hat. Das Engagement aller Beteiligten hat eine unglaubliche Kreativität entwickelt. Und das tritt der Senat jetzt mit Füßen.

War die Planbude für die Bayerische Hausbau vielleicht nur ein Feigenblatt, um das Projekt auf St. Pauli durchzusetzen?

Die Planbude war ein Erfolg des Stadtteils und ganz sicher kein Feigenblatt nach Investorengusto. Nach großen Demos und Stadtteilversammlungen mit mehreren hundert Bürgerinnen und Bürgern ist die Stadt eingeknickt und hat die Planbude mit der Beteiligung beauftragt. Und sie hat wahnsinnig viel für den Stadtteil herausgeholt. Keine einzige Eigentumswohnung, viele Sozialwohnungen und besondere Angebote für den Stadtteil, Freiräume ohne Konsumzwang.

Wie geht es mit dem Paloma-Viertel jetzt weiter? Was lässt sich von den gesammelten Ideen noch verwirklichen?

Die Bayerische Hausbau will verkaufen. Laut städtebaulichem Vertrag muss sie die Verpflichtungen an Käuferinnen und Käufer weitergeben und braucht auch die Zustimmung der Stadt. Wenn der Senat es nur will, kann er also dafür sorgen, dass die Ergebnisse des einmaligen Beteiligungsverfahrens noch Realität werden und nicht die kapitalistischen Verwertungsinteressen am Ende obsiegen.

Heike Sudmann ist Sprecherin für Stadtentwicklung der Fraktion Die Linke in der Hamburgischen Bürgerschaft

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