Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
Gegründet 1947 Donnerstag, 19. Dezember 2024, Nr. 296
Die junge Welt wird von 3005 GenossInnen herausgegeben
Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025 Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
Aus: Ausgabe vom 17.10.2024, Seite 11 / Feuilleton
Literatur

Zum Tod von Antonio Skármeta

Von Erich Hackl
imago772690140.jpg
Totenwache für Antonio Skármeta im chilenischen Nationaltheater (Santiago de Chile)

Antonio Skármeta ist der seltene Fall eines Schriftstellers, dessen ohnehin staunenswerte Schaffenskraft in der Verbannung noch zunimmt und der überdies bereit ist, alle Möglichkeiten zu nutzen, die das Exil für ihn bereithält. Als ich ihm zum ersten Mal begegnete, Anfang der 80er Jahre in seiner Westberliner Wohnung, war er gerade damit beschäftigt, den literarischen Stoff, der ihn weltberühmt machen sollte, in vielen Gattungen und Kunstformen abzuhandeln: Die erfundene Geschichte von Nerudas Briefträger in Isla Negra, der die Dichtkunst seines Kunden missbraucht, um das Herz der von ihm angebeteten Frau zu gewinnen. »Mit brennender Geduld« hieß das Hörspiel, das er zu einer Erzählung, einem Theaterstück, einem Drehbuch, sogar einem Opernlibretto verarbeitete. Die Geschichte wurde in allen Versionen ein großer Erfolg, sogar in der vergessenswerten Verfilmung durch den Briten Michael Radford (»Il postino«, in Deutschland: »Der Postmann«), und wies alle Vorzüge des Autors auf, der 1942 in Antofagasta, der Hafenstadt im Norden Chiles, geboren wurde: Fleiß, Disziplin, Einfallsreichtum, Humor, Zuversicht sowie die Fähigkeit, klar und einfach zu schreiben.

Aber Skármeta war auch großherzig und interessiert genug, nicht nur ans eigene Schaffen zu denken. Schon während der Regierungszeit Allendes moderierte er im chilenischen Fernsehen eine Literatursendung und nahm diese Tätigkeit wieder auf, als er nach 16 Jahren Exil 1989 nach Chile zurückkehrte. Beliebt war Skármeta, der zwischen 2000 und 2003 chilenischer Botschafter in seinem Zufluchtsland war, auch wegen der Literaturwerkstatt, die er im Goethe-Institut leitete und aus der zahlreiche inzwischen arrivierte Schriftsteller hervorgingen.

Darüber sprachen wir bei unserer letzten Begegnung im Oktober 2012 in Santiago, bei der es um den zweiten Welterfolg des Autors ging, die Adaption seines Theatermonologs »El plebiscito« (über die Werbekampagne anlässlich der Volksabstimmung 1998, mit der Pinochet seine Herrschaft prolongieren wollte) für den Roman »Die Farben des Regenbogens« und für das Drehbuch zu Pablo Larraíns vielfach preisgekröntem Film »No«. Wie in der Geschichte um Neruda und dessen Briefträger war es Skármeta auch diesmal gelungen, sein eigentliches Lebensthema ergreifend darzustellen: Wie es möglich ist, Schmerz in Freude zu verwandeln.

Am 15. Oktober ist Antonio Skármeta in Santiago de Chile gestorben. Um ihn trauert halb Chile, der bessere Teil.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

Regio:

Mehr aus: Feuilleton