»Ihr baut sie auch – die Scheiße«
Von Fabian LinderNach den Krisenwochen startete die Grüne Jugend am vergangenen Wochenende in Leipzig zumindest personell einen Neuanfang. Neben der lauten Kritik am scheidenden Vorstand poltert die parteinahe Jugendorganisation auch gegen die Regierung unter Beteiligung der Grünen. Nötig wurde die personelle Neuaufstellung durch den geschlossenen Rücktritt des gesamten Vorstands Ende September und die Ankündigung, auch die Partei geschlossen zu verlassen. Weitere Landesvorstände schlossen sich in dem Zuge der Entscheidung der Bundesspitze an, die kurz nach den angekündigten Rücktritten der Grünen-Parteivorsitzenden, Ricarda Lang und Omid Nouripour, erfolgte.
Ein Großteil der Delegierten nahm dem bisherigen Vorstand der Grünen Jugend diese Entscheidung übel. Insbesondere da – so der Vorwurf aus der Basis – die Entscheidung des bisherigen Vorstands wohl schon länger feststand und dieser die Strukturen der Grünen Jugend genutzt habe, um eine Parallelorganisation aufzubauen. Auch dass man als Organisation diese Entscheidung aus der Presse erfahren musste, sei nicht nachvollziehbar. Aus Protest plädierten am Freitag einige Delegierte mit Transparenten dafür, den Vorstand nicht zu entlasten, um sich aus der Verantwortung zu ziehen. Entlastet und gewählt wurde dennoch. Ein neues Führungsduo um Jette Nietzard, aktiv beim UN-Kinderhilfswerk und in der Flüchtlingshilfe, sowie dem bei Fridays for Future aktiven Klimaschutzaktivisten Jakob Blasel.
Die Wahl der beiden neuen Vorsitzenden scheint insbesondere der Versuch einer Aushandlung zwischen sozialpolitischen Themen auf der einen und klimapolitischen Themen auf der anderen zu sein, der zuletzt vielfach auch Raum in der Kritik an der Parteiführung einnahm. Vielfach hieß es zuletzt, innerhalb der Grünen Jugend sei die Kritik, die der scheidende Vorstand an der Partei habe, nachvollziehbar. Man wolle aber sowohl innerhalb der Partei als auch als Grüne Jugend durch weiteren Druck eine Verschiebung der Partei »nach links« erwirken. Auch auf dem jetzigen Bundestreffen sparte die Jugendorganisation daher nicht zu knapp mit Kritik am Ampelkurs und speziell auch der Funktion der Grünen in der Regierung.
Die inhaltliche Positionierung gegen die Mutterpartei und deren Koalitionäre wird am Leitantrag deutlich, der sich mit »zukunftsfähigen Lösungen« gegen die »anhaltenden Krisen« beschäftigt. Der mit großer Mehrheit angenommene Antrag fordert etwa eine Umverteilung des gemeinsam erwirtschafteten Wohlstands. Der Ampel warf die Jugendorganisation in ihrem Antrag eine Politik vor, welche den »Status quo« »verwalte« und die Menschen hierzulande »ihrem Schicksal und ihren Ängsten« überlasse. In seiner Bewerbungsrede zitiert die Wochenzeitung Die Zeit den neuen Vorsitzenden Blasel daher mit einer deutlichen Kritik an der eigenen Partei: »Liebe Grüne: Ihr baut sie auch – die Scheiße.« Gravierende Differenzen gibt es darüber hinaus auch in Sachen Klimaschutz, Migrationspolitik sowie Krieg und Frieden. Das Verhältnis zwischen der Partei und Jugendorganisation bleibt also ambivalent.
Unterdessen steht noch aus, wo es für die abtrünnigen Mitglieder der Organisation hingeht. In der gemeinsamen Austrittserklärung hieß es schließlich, man wolle dazu beitragen, dass »es bald eine starke linke Partei in Deutschland geben kann«, die sich darüber hinaus von allen anderen Parteien unterscheide. In Interviews bekannte die ehemalige Vorsitzende Sarah-Lee Heinrichs, ebenfalls Mitunterzeichnerin der Erklärung, hohe Sympathien für das Politikmodell, mit welchem die KPÖ in Österreich in den vergangenen Jahren vielfach Wahlerfolge erzielen konnte. Darüber hinaus dürfte die Neugründung einer Partei oder anderweitigen Organisation vielfach auch davon abhängen, wie es etwa mit der Linkspartei weitergeht.
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