Gegründet 1947 Mittwoch, 6. November 2024, Nr. 259
Die junge Welt wird von 2974 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 06.11.2024, Seite 7 / Ausland
Krieg gegen Gaza

Bomben auf letzte Klinik

Gazastreifen: Israel attackiert Klinik, Zeltcamps und Wohnhäuser. Dutzende Tote und 60 Prozent der Belagerten laut Zivilschutz Frauen und Kinder
Von Gerrit Hoekman
7.jpg
Angriff auf Zeltcamp im Deir Al-Balah: Ein Junge sucht am Dienstag nach noch Verwertbarem in der Zerstörung

Eigentlich ist es keine Nachricht mehr, aber es muss trotzdem hier erwähnt werden: Auch am Dienstag wurden wieder Menschen im Gazastreifen durch israelischen Beschuss getötet. Mindestens 25 Tote, darunter 13 Kinder, waren in Beit Lahia zu beklagen, als frühmorgens Bomben ein Wohnhaus zerstörten, berichtete WAFA, die amtliche Nachrichtenagentur der Palästinensischen Nationalbehörde in Ramallah. Es wird befürchtet, dass weitere Opfer verschüttet sind. In dem Haus im belagerten Norden des Gazastreifens sollen vor allem Vertriebene gewohnt haben. Allein die Gesamtzahl der offiziell registrierten palästinensischen Toten beträgt nun über 43.000.

»An alle, die in ihren Häusern und Unterkünften geblieben sind: Sie riskieren Ihr Leben«, zitierte die katarische Onlinezeitung The New Arab am Dienstag aus einem auf arabisch verfassten Flugblatt, das von der Armee abgeworfen wurde und die Menschen zum Fliehen drängte. Neben dem ebenfalls im Norden gelegenen und seit mehr als zwei Wochen unter Dauerangriffen stehenden Flüchtlingscamp Dschabalija zerstörte die israelische Luftwaffe in der Nacht zu Dienstag auch mehrere Häuser und Zelte in den zentralen Orten Al-Sawaida, Deir Al-Balah und Khan Junis im Süden der Enklave. Dabei wurden innerhalb von 24 Stunden mindestens 45 Menschen getötet, berichtete The New Arab. In Al-Sawaida seien zwei Kinder im Alter von vier und sechs Jahren in einem Haus bei lebendigem Leib verbrannt.

Und das letzte noch einigermaßen funktionsfähige Krankenhaus im Norden, das Kamal-Adwan-Hospital, wird weiterhin von israelischen Flugzeugen bombardiert, wie das Gesundheitsministerium in Gaza am Montag erklärte. Die Lage in der Einrichtung sei »katastrophal«, berichtete Direktor Hossam Abu Safieh. Mehrere seiner Mitarbeitenden seien verletzt, das Personal könne die Einrichtung nicht verlassen. »Wir verstehen nicht, was der Grund für die Bombardierung des Krankenhauses ist«, so Abu Safieh.

Israelische Truppen hatten die Klinik vor anderthalb Wochen gestürmt und mehrere hundert Patienten und das Personal festgesetzt. Weil der Notgenerator durch den Angriff ausfiel, sollen zwei Kinder in Behandlung gestorben sein. Als Rechtfertigung musste einmal mehr die bis heute nicht bewiesene Behauptung herhalten, dass sich Kämpfer der Hamas unter den Patienten verstecken würden. So erklärte die israelische Armee, ihre Soldaten seien »basierend auf nachrichtendienstlichen Informationen über die Anwesenheit von Terroristen und terroristischer Infrastruktur« in dem Gebiet rund um das Krankenhaus im Einsatz.

Insgesamt stehen im Norden des Gazastreifens mehr als 100.000 Menschen unter Belagerung, berichtete etwa der panarabische Sender Al-Mayadeen am Sonntag. 60 Prozent von ihnen seien Kinder und Frauen, erklärte demnach Mahmud Basal, der Sprecher des Zivilschutzes in Gaza. Es fehle an Medikamenten und Nahrungsmitteln. Der Zivilschutz erhalte zahlreiche Hilferufe von Bewohnerinnen und Bewohnern, die um Unterstützung bei der Bergung von Opfern bitten. Wegen der israelischen Präsenz sei die Bewegungsfreiheit der medizinischen und technischen Teams eingeschränkt. Immer noch lägen in Beit Lahia über 100 Tote unter den Trümmern eines Gebäudes, das bereits vor ein paar Tagen bombardiert worden sei. Seitdem das israelische Militär am 6. Oktober mit der verschärften Blockade des nördlichen Gazastreifens begonnen hat, seien mindestens 1.300 Menschen getötet worden, so Basal. Der Zivilschutz warnt vor einer »echten Hungersnot«. Nachdem Israel das Palästina-Hilfswerk UNRWA verboten hatte, sei kein Hilfstransport mehr im Norden angekommen.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

Ähnliche:

                                          Heute 8 Seiten extra – Beilage zum Thema: Recht auf Wohnen