Brüchiger Dialog
Von Thomas BergerKommt Pakistan 2025 wieder zur Ruhe? Das ist die Frage, die Beobachter und viele Menschen in dem südasiatischen Land mit seinen 220 Millionen Einwohner zu Beginn des neuen Jahres bewegt. Das vergangene war von einer Behinderung der wichtigsten Oppositionspartei von Expremier Imran Khan bei den Parlamentswahlen im Februar, einer eskalierenden Konfrontation zwischen Polizei und Oppositionsanhängern sowie Gewaltausbrüchen zwischen Sunniten und Schiiten im Norden des Landes geprägt. Auch die pakistanischen Taliban (Tehrik-i-Taliban, TTP) und die regionale Gruppierung des Islamischen Staates (IS-Khorasan, IS-K) waren vermehrt aktiv: 985 Angehörige der Sicherheitskräfte, hieß es in einer amtlichen Mitteilung vom 31. Dezember, seien bei 444 terroristischen Anschlägen und im Zuge von Antiterroraktionen getötet worden. Damit sei 2024 für Armee, Polizei und paramilitärische Einheiten »das tödlichste Jahr seit einer Dekade« gewesen.
Von 4.000 als Terroristen eingestuften Personen, davon 35 Prozent afghanischer Nationalität, ist allein in der Provinz Khyber-Pakhthunkwa die Rede. Diese Zahl wurde am 3. Januar auf einer Sicherheitskonferenz mit Regionalpolitikern genannt. In mehreren Distrikten gebe es terroristische Rückzugsorte. Premier Shehbaz Sharif hatte am selben Tag das Ziel verkündet, die TTP im Verlauf des Jahres »eliminieren« zu wollen, angeblich um den wirtschaftlichen Aufschwung des Landes – das finanziell am Tropf des Internationalen Währungsfonds und bilateraler Gläubiger hängt – zu sichern. Gemessen an einer bisher durchwachsenen Erfolgsbilanz im Vorgehen gegen die Ultraradikalen erscheint dies unwahrscheinlich. Gerade in den schwer zugänglichen Stammesgebieten sind die unter nur losem Oberkommando operierenden TTP-Gruppen und der IS-K klar im Vorteil gegenüber der eher schwerfälligen Armee.
Was den Konflikt zwischen den tief verfeindeten Lagern der von der konservativen Pakistanischen Muslimliga-Nawaz (PML-N) angeführte Regierungskoalition und der Oppositionspartei Tehreek-e-Insaf (PTI) anbelangt, gibt es seit Jahresende Zeichen der Entspannung. Der weiterhin inhaftierte PTI-Anführer Imran Khan hatte im Dezember ein Dialogangebot unterbreitet. Seine Partei sei zu Gesprächen bereit, hieß es zur Benennung eines Verhandlungsteams. Die Regierung in Islamabad antwortete auf die Offerte positiv und stellte ebenfalls ein Team zusammen. Nach einer ersten Runde an Gespräche Ende Dezember fand am Wochenende die zweite statt.
Es komme darauf an, »die politische Temperatur im Land kühl zu halten«, formulierte Entwicklungsminister Ahsan Iqbal am Sonnabend bei einem öffentlichen Auftritt als Anspruch für den sensiblen Prozess. Für Unruhe und Verstimmung im Regierungslager sorgten am Wochenende jedoch zusätzliche Forderungen des Khan-Vertrauten Asad Qaiser: Er verlangt nicht nur »ungestörten« Zugang zum inhaftierten Parteichef, sondern auch zu anderen einsitzenden PTI-Größen. Außerdem solle ein Vertreter des »Establishments«, also der in Pakistan viele Fäden ziehenden Achse aus den Chefs von Armee und Geheimdienstapparat, an den Gesprächen teilnehmen. Überrascht von diesen neuen Bedingungen zeigte sich vor allem Senator Irfan Siddiqui.
Die PTI-Spitze hat klargestellt, dass der Parteigründer bei allem das letzte Wort hat. Prominente Mitglieder, die diese Fokussierung auf ihn kritisch sehen, haben Partei und Fraktion inzwischen verlassen. Khan stehen in Zusammenhang mit den Unruhen vom 9. Mai, als PTI-Anhänger auch den Sitz des Generalstabs angriffen, sowie im November erneut eskalierter Proteste zusätzliche Gerichtsverfahren bevor. Auch eine Allianz weiterer, zumeist regionaler Oppositionsparteien hat sich mittlerweile zu Wort gemeldet. Sie beklagt eine zunehmende landesweite Repression und will in einen »nationalen Dialog« einbezogen werden, um den Großen, vorneweg PML-N und PTI, nicht allein das Feld zu überlassen.
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!
Ähnliche:
- 16.08.2023
»Hölle auf Erden«
- 11.11.2022
Zerstörerische Weltpolitik
- 24.12.2021
Am Boden
Regio:
Mehr aus: Ausland
-
Patin mit Consiglieri
vom 07.01.2025 -
Kickl am Ziel
vom 07.01.2025 -
Breite Solidarisierung
vom 07.01.2025 -
Verhandlungen über Feuerpause in Gaza
vom 07.01.2025 -
Gegen Repression
vom 07.01.2025 -
Ukrainischer Vorstoß stockt
vom 07.01.2025