Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
Gegründet 1947 Donnerstag, 9. Januar 2025, Nr. 7
Die junge Welt wird von 3005 GenossInnen herausgegeben
Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025 Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025

Endzeitszenarien

Von Helmut Höge
Helmut_Hoege_Logo.png

Man sprach vor etlichen Jahren bereits von der »German Angst«. Jetzt bescheren all die Kriege und Krisen den Deutschen eine erneute Realangst, jedenfalls sind die Praxen der Verhaltenstherapeuten und Tiefenpsychologen mächtig überlaufen, wie mir der Berliner Atemtherapeut Christian Großheim kürzlich erzählte.

Ich erinnere mich, dass ein Friedensaktivist, ich meine, er hieß Kohl oder so, 1982 ein Buch publizierte, in dem er die Folgen einer atomaren Verstrahlung in Oberhessen schilderte. Fürchterlich: Der Autor weidete sich an verstrahlten Toten. Dazu muss man wissen, dass der März-Verleger Jörg Schröder, der damals dort lebte, 1980 in der Zeitschrift Transatlantik eine Geschichte veröffentlicht hatte, in der es um »Atomminendepots an der DDR-Grenze« ging. »Alle vierzig Kilometer entlang der Grenze hat die NATO Munitionsdepots eingerichtet, die auch Atomwaffen enthalten. In als Wasserwerke getarnten Sprengstoffbunkern lagern zusammen mit konventionellem Sprengstoff hochradioaktive Atomminen, die für die entlang der Grenze ausgehobenen Atomminenschächte bestimmt sind.« Die US-Amerikaner, die diese Atomminen vom Typ »Golf« dort im Angriffsfall zünden wollten, um die Sowjetarmee zu stoppen, hatten die Gegend als »Ground Zero« ausgewiesen. Das war kein Endzeitgeraune.

Es gab schon früher apokalyptische Phantasien – unter anderem von Arno Schmidt, der 1951 die Erzählung »Schwarze Spiegel« veröffentlichte. Darin schildert er in Tagebuchform als »der letzte Mensch«, wie er sich aus den menschenentleeren Dörfern Sachen holt, die er für den Bau und die Einrichtung einer Hütte in der Lüneburger Heide braucht. Anders das Kinderbuch »Die grüne Wolke« von Alexander Neill. Die schwebt über der Erde und versteinert alle Menschen – bis auf acht Internatsschüler und ihren Lehrer Neill, die sich in einem Luftschiff oberhalb der grünen Wolke befinden. Als »die letzten Menschen auf der Erde« wollen sie nun eine neue Ordnung schaffen. Jedes Kapitel ist eine Episode, die Neill seinen Schülern vorm Einschlafen erzählt. Wenn ihn einer kritisiert, lässt Neill ihn in der nächsten Episode sterben.

Einigermaßen metaphorisch reden derzeit 600 russische und 15 belarussische Atomwissenschaftler von »Endzeit«, weil man ihnen in der »European Organization for Nuclear Research« (CERN bei Genf) gekündigt hat. Von »wahren apokalyptischen Zuständen in der Heimat« berichten dagegen die nach Deutschland geflüchteten Ukrainerinnen den nach 1991 hierher emigrierten Russinnen, bei denen sie eine Anstellung als Putzfrau, Köchin, Pflegerin oder Kindermädchen fanden – das sind nicht wenige.

Aber wie apokalyptisch ist das denn, bitte, was die US-Mathematikerin Cathy O’Neil im Zuge ihrer Studie »Weapons of Math Destruction« (2016) herausfand? Nämlich dass die Anwendung von Algorithmen in Versicherungen und bei Stipendienvergabestellen Arme, Schwarze und Personen aus »schlechten Wohngegenden« diskriminiert – und so laut O’Neil »die Demokratie unterminiert«.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

Mehr aus: Feuilleton