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Aus: Ausgabe vom 08.01.2025, Seite 7 / Ausland
Kanada

Später Rücktritt in Ottawa

Kanada: Premier Trudeau will Handtuch werfen. Bis zur Kür eines neuen Parteichefs möchte er jedoch weiter im Amt bleiben
Von Mawuena Martens
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Macht den Abgang: Justin Trudeau nach seinem Pressestatement am Montag in Ottawa

Es war keine Überraschung, als Justin Trudeau am Montag vor die Kameras trat und seinen Rücktritt ankündigte. Sich gewohnt souverän und locker gebend, betonte der Premierminister, der Schritt sei im Interesse der Kanadier, schließlich sei das Parlament seit Monaten arbeitsunfähig und er mit parteiinternen Machtkämpfen konfrontiert.

Tatsächlich kriselt es nicht erst seit gestern in der von der Liberalen Partei geführten Minderheitsregierung. Seit zwei Jahren sinken die Zustimmungswerte kontinuierlich. Bei Kommunalwahlen zur Jahreshälfte verlor die Partei in den ehemals liberalen Hochburgen Toronto und Montréal. Im September entzog die sozialdemokratische Neue Demokratische Partei (NDP) der Minderheitsregierung ihre Unterstützung.

Im Herbst dann überstand der Regierungschef drei Misstrauensvoten im Parlament. Der letzte schwere Schlag erfolgte im Dezember, als Vizepremier- und Finanzministerin Chrystia Freeland ihren Job hinschmiss und Trudeau in einem offenen Brief vorwarf, Kanada nicht genügend auf die Amtszeit von Donald Trump vorbereitet zu haben. Die Rücktrittsforderungen waren seither noch lauter geworden.

Der designierte US-Präsident hatte angekündigt, einen Zoll in Höhe von 25 Prozent auf alle Einfuhren aus dem nördlichen Nachbarland zu erheben. Ein Problem ist das besonders deshalb, weil rund 75 Prozent der kanadischen Exporte in die USA gehen. Auch ein Bettelbesuch bei dem Choleriker in Mar-a-Lago Ende November änderte nichts an der Schieflage Trudeaus. Schlimmer noch, musste er sich anschließend von Trump mit Häme übergießen lassen. Dieser bezeichnete ihn in sozialen Netzwerken als »Gouverneur« – in Anspielung auf die Regenten der US-Bundesstaaten.

Nach Trudeaus nun angekündigtem Rücktritt wiederholte Trump am Montag auf seiner Internetplattform Truth Social die Forderung nach einem Zusammengehen der beiden Staaten: »Wenn Kanada mit den USA fusionieren würde, gäbe es keine Zölle, die Steuern würden deutlich sinken, und sie (die Kanadier, jW) wären vollständig sicher vor der Bedrohung durch russische und chinesische Schiffe, die sie ständig umgeben.« Und weiter: »Zusammen – was wäre das für eine großartige Nation.«

Nach Jahren neoliberalen Regierens haben die Menschen in Kanada mit einer hohen Inflation, Wohnungsmangel und schlechten öffentlichen Dienstleistungen zu kämpfen. Angesichts des wachsenden Drucks versuchte Trudeau, der sich sonst als Anti-Trump und Verfechter der Rechte von Frauen und Minderheiten inszenierte, einen Schwenk hin zu einer ausländerfeindlichen Politik: Im September kündigte er an, die Zahl und Beschäftigungszeit von Nichtkanadiern mit niedrigen Löhnen zu reduzieren. Es brauche Unternehmen, »die in kanadische Beschäftigte investieren«.

Dennoch liegen Umfragen zufolge vor allem die Konservativen in der Gunst der Wähler vorn. Sie werden von Pierre Poilievre angeführt, der 2022 an Bekanntheit gewonnen hatte, als er sich an die Spitze der Lastwagenfahrer stellte. Diese besetzten damals in einem Protest gegen die Coronavorschriften der Regierung das Zentrum von Ottawa. Poilievre hat längst vier Prioritäten für den anstehenden Wahlkampf gesetzt: »Steuern kürzen, Häuser bauen, den Haushalt in Ordnung bringen, Kriminalität stoppen.« Seine Konservativen könnten nun versuchen, frühere Neuwahlen zu erzwingen. Regulär muss die Abstimmung erst spätestens am 20. Oktober stattfinden.

Unklar ist, wie lange Trudeau noch Ministerpräsident bleiben wird. Den Rückzug von seinem Regierungsposten hatte er nämlich an eine Nachbesetzung der Position des Parteichefs geknüpft – das kann Monate dauern, zumal auch alle Parlamentssitzungen bis Ende März ausgesetzt sind. In großen Medien des Landes wird nun über die Nachfolge spekuliert: Gehandelt werden Personen wie die Bellizistin Freeland oder auch der ehemalige Notenbankchef Mark Carney.

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