Auf Agenda-Kurs
Von Kristian StemmlerSteuersenkungen für Wohlhabende, Strafen für Arme. Das ist die erwartbare Stoßrichtung der »Agenda 2030«, die dem Bundesvorstand der CDU bei seiner Klausurtagung in Hamburg zum Beschluss vorgelegt worden ist. Das zweitägige Treffen hat am Freitag begonnen. Der Titel des Papiers sei eine gezielte Anspielung auf die »Agenda 2010« der Bundesregierung von SPD-Kanzler Gerhard Schröder (SPD) und Bündnis 90/Die Grünen, erklärte CDU-Chef Friedrich Merz vorab. Diese hatte mit Beginn der 2000er Jahre ein neoliberales Programm verfolgt und unter anderem den größten Niedriglohnsektor Europas geschaffen. Was Schröder vor 20 Jahren gemacht habe, sei »im Kern richtig« gewesen, konstatierte Merz am Freitag.
Die CDU will für die Senkung der Staatseinnahmen viel Geld ausgeben. Unternehmen und »die Mittelschicht« sollen »entlastet« werden, lautet die Antwort der Christdemokraten auf die Sorgen der Kapitalisten um deren Profite. Aber auch Menschen mit höheren Einkommen sollen künftig nicht mehr den Solidaritätszuschlag zahlen müssen. Die formale Steuerpflicht von Kapitalgesellschaften soll insgesamt auf 25 Prozent sinken. Die Körperschaftsteuer soll unter einer CDU-Regierung schrittweise von derzeit 15 Prozent auf zehn Prozent fallen. Und bei der Einkommensteuer soll der Spitzensatz erst bei 80.000 Euro greifen. Bezahlte Überstunden sollen steuerfrei werden, ebenso der Zuverdienst von Rentnerinnen und Rentnern in Höhe von bis zu 2.000 Euro.
Kürzen will die CDU bei Menschen, die ohnehin schon wenig haben. Im »Agenda«-Papier ist von Einsparungen beim Bürgergeld die Rede. Dieses soll in eine »Neue Grundsicherung« überführt werden. Der relativ geringen Zahl von »Totalverweigerern« soll die Grundsicherung vollständig gestrichen werden, Strafkürzungen des Regelsatzes sollen schneller greifen. Für Gängelbehörden wie Jobcenter und Arbeitsagentur wünscht sich die CDU die Rückkehr zum »Vermittlungsvorrang«, also die Verpflichtung von erwerbslosen Bürgergeld-Beziehern, jede »zumutbare Arbeit« anzunehmen. Das Institut der Deutschen Wirtschaft teilte dazu mit, dass die Agenda- und Wahlprogrammvorschläge der Union den Staat 89 Milliarden Euro kosten würden. Merz versuchte am Freitag bei einer Gesprächsrunde mit rund 25 Mandatsträgern aus Kreis-, Landes- und Bundesebene die Zweifel zu zerstreuen. Wenn die Unternehmen mehr Erträge erwirtschafteten, sei auch mehr Geld da.
Vor Beginn der Klausur zeigte sich Kanzlerkandidat Merz siegesgewiss: »Wir haben ohne Zweifel noch Potenzial nach oben, aber dafür ist ein Wahlkampf da.« Laut dem aktuellen ZDF- »Politbarometer« käme die Union derzeit auf 30 Prozent der Stimmen. Manchen reicht das nicht. Christoph Ahlhaus (CDU), Geschäftsführer des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft, erklärte gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, dass angesichts des »Ampel-Desasters« die Schwesterparteien CDU und CSU in Umfragen bei 50 Prozent stehen müssten. Die Lücke zeige: Bei den »Leistungsträgern« mangele es an Vertrauen darauf, dass Merz die Kraft habe, der BRD eine andere Richtung zu geben. Ahlhaus forderte eine klare Absage an ein mögliches Regierungsbündnis mit den Grünen.
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!
Ähnliche:
- 08.01.2025
Profitable Zwangsarbeit
- 01.08.2024
Rufe nach mehr Armut für Geflüchtete
- 30.07.2024
Verabredung zum Sozialraub
Mehr aus: Inland
-
Vom Kapitalismus überrollt
vom 11.01.2025 -
Alt und ausgegrenzt
vom 11.01.2025 -
»Niemand weiß, was 2030 ist«
vom 11.01.2025 -
»Statt Forschung gibt es noch mehr Polizeipräsenz«
vom 11.01.2025