Griff zum Werkzeugkasten
Von Kristian Stemmler
Der Bundeskanzler war nicht eingeladen, die AfD in Gestalt ihres Kovorsitzenden Tino Chrupalla schon. Scholz wollte dieses Signal am Montag aber nicht weiter dramatisieren: Es sei normal, dass zu einer Vereidigung vor allem die Botschafter der Länder eingeladen seien, sagte er am Montag in Berlin. Auch sonst war die Berliner Politik in den letzten Stunden vor dem Beginn der zweiten Amtszeit von Trump um Zurückhaltung bemüht und beschwor mit allgemeinen Floskeln die »Partnerschaft« mit den USA. Die transatlantischen Beziehungen seien »für Deutschland und für Europa von größter Bedeutung«, sagte Scholz gegenüber der Rheinischen Post. Vielleicht in Vorwegnahme kommender Dinge empfahl Scholz allerdings auch, die EU müsse auf die eigene ökonomische Stärke bauen.
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich warnte am Montag vor Strafzöllen, mit denen Trump bereits im US-Wahlkampf gedroht hatte. Wenn diese Zölle kämen, werde das Arbeitsplätze auch in der Bundesrepublik kosten, erklärte Mützenich gegenüber der Nachrichtenagentur dpa. Insgesamt würde das die Weltwirtschaft zurückwerfen, Zölle seien »Gift für die internationale Konjunktur«. China habe eine Wachstumsschwäche, dränge sehr stark auf den internationalen Markt und werde mit Sicherheit auf solche Strafzölle reagieren, so der SPD-Politiker. Aber auch die EU verfüge über einen »Werkzeugkasten«, um die »richtigen Antworten« auf solche Maßnahmen zu geben.
Die Deutsche Industrie- und Handelskammer befürchtet ebenfalls gravierende Auswirkungen neuer US-Zölle auf die deutsche Wirtschaft, wie DIHK-Hauptgeschäftsführerin Helena Melnikov der Rheinischen Post (Montagausgabe) sagte. Ein Handelskrieg kenne nur Verlierer. Laut einer Studie des Prognos-Instituts, aus der die Süddeutsche Zeitung kürzlich zitierte, hängen in Deutschland 1,2 Millionen Arbeitsplätze an Exporten in die USA. Von denen könnten rund 300.000 durch Trumps Zölle gefährdet sein. Besonders hart könne es die ohnehin schon angeschlagene Autoindustrie treffen.
Während Scholz bemüht ist, eine gewisse Distanz zu Trump durchblicken zu lassen, und am Montag noch einmal mit Blick auf Trumps Äußerungen zu Grönland, Panama und Kanada unterstrich, dass Grenzen »universell« nicht angetastet werden dürften, setzt sein möglicher Nachfolger, CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz, auf dosierte Anbiederung. Zur Vereidigung schrieb Merz Trump einen handschriftlichen Brief, wie dpa berichtete. Er schaue da »nicht wie das Kaninchen auf die Schlange«, sagte der CDU-Chef, es komme auf die Abstimmung in Europa an. Da helfe »kein erhobener Zeigefinger«, sondern nur »Koordinierung, Zusammenarbeit und eigene Strategie«.
Der eingeladene AfD-Chef Chrupalla rechtfertigte vorab zollpolitische Maßnahmen Trumps. Dieser wolle lediglich seine eigene Wirtschaft schützen, erklärte der aus Washington zugeschaltete Chrupalla am Montag im ZDF. Deutschland müsse halt »das gleiche« machen, also »deutsche Interessen« selbstbewusst vertreten, dürfe sich »vom Ausland auch nicht vorschreiben lassen, von welchen Partnern wir hier Energie beziehen wollen«.
BSW-Chefin Sahra Wagenknecht verband Kritik an Trump mit Kritik an der Bundesregierung. Eine Bundesregierung, die »weiter in blinder Gefolgschaft die Vorgaben aus Washington erfüllt, wird uns weiter in den Abstieg führen«, erklärte sie laut dpa. Die »absteigende Supermacht« USA kämpfe um ihren Einfluss in der Welt und tue das »zunehmend rücksichtslos auch zu Lasten ihrer Verbündeten«. Die von Trump angekündigten Zölle und Wirtschaftssanktionen seien für die US-Wirtschaft günstig und für europäische Unternehmen »ein Killerprogramm«, so Wagenknecht.
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