Die Halle durchpusten
Von Michael MerzZwischen donnernder S-Bahn, getaggten Gleisanlagen und glitzernden Glastürmen dahinter, da liegt sie, die »Neue Zukunft«. Ein alter Gewerbehof, ein Ort, an dem Berlin noch richtig abgeranzt sein darf. Mistig kalt und matschig ist es an diesem Donnerstag abend. Passend, um Suicide zu huldigen, dem Duo, das Ende der 70er im mindestens genauso maroden New York City den elektronischen Postpunk zur erstmaligen Ekstase trieb. Die Hommage an Martin Rev und Alan Vega kommt von Lydia Lunch, einer sagenumwobenen New-Wave-Ikone, und dem experimentellen DJ Marc Hurtado. Sie machen Suicide alle Ehre. Was sie auf die Bühne bringen, soll nicht gefallen. Es ist düster, monoton-anklagend; schlechte Laune ist ihr Programm: »You become a fucking tool«, ruft Lunch immer wieder ins ausverkaufte, aus allen Nähten platzende Rund, geht von einer Bühnenseite zur anderen, den Mittelfinger stets in Habachtstellung. Mit zwei Mikros vor dem Gesicht setzt sie den dystopischen Klängen die Krone auf, dahinter Hurtado, der grunzt, mal zum Motorrad wird, mal markerschütternd schreit, sich sein Mikrofon immer wieder auf die Brust schlägt, die Irish-Whiskey-Pulle in Reichweite. Der zerstörerische Tornado, den Lunch und Hurtado heraufbeschwören, pustet die Halle durch und ist auch schnell wieder verschwunden.
Zuvor gab es etwas mehr Wärme für Herz und Ohr – eröffnet haben den wüsten Reigen Lolita Terrorist Sounds. Und Frontmann Maurizio Vitale ist ein echter Charmebolzen, das Publikum darf sich bezirzt fühlen. »A lot of pain and a lot of pleasure«, verspricht Vitale und hat vor allem letzteres. Synchron bearbeitet er mit seinem Kollegen die Felle des Schlagzeugs, meist ziemlich brachial. Ein musikalischer Doppelwumms sozusagen. Dazu wird Industrial vom Feinsten gereicht. Mit ihrem im Osten Berlins aufgenommenen Debütalbum »St. Lola« im Gepäck sind die Lolita Terrorists, wohl ohne das zu beabsichtigen, die akustischen Erben des elektronischen Suicide-Nachlasses. Das passt, hat jede Menge Energie und sprüht nur so vor Ideen. Der geneigte Konzertgänger darf von ihnen noch einiges erwarten, das hat Zukunft.
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