Neue deutsche Härte
Von Karim NatourÜber die einzelnen Maßnahmen war zuletzt spekuliert worden. Knapp vier Wochen vor den Bundestagswahlen hat die Union nun zwei Antragsentwürfe für den Bundestag vorgelegt, mit denen die »Wende in der Migrationspolitik« herbeigeführt werden soll. Kommende Woche sollen sie durch den Bundestag. Eine Mehrheit gilt als unwahrscheinlich, wäre aber möglich, wenn CDU/CSU, AfD, BSW und FDP gemeinsam abstimmen.
Die »aktuelle Asyl- und Einwanderungspolitik gefährdet die Sicherheit« der Bürger und das »Vertrauen der gesamten Gesellschaft in den Staat«, heißt es in dem kürzeren der beiden Entwürfe, der auch auf den jüngsten Messerangriff in Aschaffenburg Bezug nimmt. Die schärfsten Forderungen finden sich im zweiten Papier: Unter dem Titel »Für einen Politikwechsel bei der inneren Sicherheit« skizziert die Union 27 Maßnahmen, mit denen die Befugnisse des Staatsapparats umfassend ausgeweitet werden sollen. Unter dem Vorwand der »Stärkung der Sicherheit« werden mehr Befugnisse für Polizeibehörden und Geheimdienste sowie härtere Strafen für Angriffe auf Polizisten verlangt. Auch soll künftig vermehrt nach Afghanistan und Syrien abgeschoben werden. Bei schweren Straftaten soll Doppelstaatlern die deutsche Staatsangehörigkeit entzogen werden können.
Im zweiseitigen Papier zum »Ende der illegalen Migration« fordert die Union dauerhafte Grenzkontrollen und die Zurückweisung aller illegalen Einreiseversuche. Auch sollen ausreisepflichtige Personen »unmittelbar in Haft genommen werden«. Das Aufenthaltsrecht für Straftäter und sogenannte Gefährder soll weiter verschärft werden. In dem Entwurf findet sich auch ein Passus zur AfD. Zuvor war Merz in die Kritik geraten, weil er hatte durchblicken lassen, dass die Verschärfungen auch mit AfD-Stimmen das Parlament passieren könnten. Die Partei »nutze Probleme, Sorgen und Ängste, die durch die massenhafte illegale Migration entstanden sind, um Fremdenfeindlichkeit zu schüren«, heißt es jetzt in dem Entwurf. Die Rechtsaußenpartei reagierte prompt mit Empörung. Parteichef Tino Chrupalla erklärte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) am Sonntag: »Diffamierungen politischer Gegner in Anträgen« entsprächen nicht den »guten parlamentarischen Standards«.
Zustimmung kam indessen von der FDP. Die Partei schlägt zudem vor, Ländern, die Staatsbürger nicht zurücknehmen, »keine Entwicklungshilfe mehr« zu zahlen, so Fraktionschef Christian Dürr am Sonnabend gegenüber Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Auch dem BSW gehen die Pläne nicht weit genug. »Wir werden zustimmen, aber die Merz-Anträge sind teilweise bloße Symbolik«, sagte Parteigründerin Sahra Wagenknecht. Das BSW schlägt vor, nur Asylsuchenden ein Verfahren und soziale Leistungen zu gewähren, die nicht über sichere Drittstaaten eingereist sind.
Die SPD kritisierte die Pläne. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) erklärte am Sonnabend auf mehreren Wahlveranstaltungen, die Maßnahmen seien nicht mit Grundgesetz und EU-Recht vereinbar. Auch die Grünen tadelten den Vorstoß. Fraktionschefin Katharina Dröge erklärte am Sonnabend bei Phoenix, CDU-Chef Merz schlage verfassungswidrige Maßnahmen vor. Kritisiert wurde der harte Kurs auch auf mehreren Demonstrationen. In Berlin, Köln und Halle (Saale), wo die AfD ihren Wahlkampfauftakt beging, versammelten sich am Sonnabend Zehntausende Menschen, um gegen das Erstarken rechter Kräfte zu protestieren.
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