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Aus: Ausgabe vom 29.01.2025, Seite 11 / Feuilleton
Nachruf

Der Historiker des Deutschen Bauernkrieges Günter Vogler ist tot

Von Nick Brauns
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Rebellierende Bauern unter dem Bundschuhbanner (zeitgenössische Darstellung)

Eine traurige Nachricht im 500. Jubiläumsjahr nach Ausbruch des großen Deutschen Bauernkrieges: Mit dem marxistischen Historiker Günter Vogler ist am 19. Januar einer der wichtigsten, auch international geachteten Erforscher dieses »großartigsten Revolutionsversuchs des deutschen Volkes« (Friedrich Engels) verstorben. 1933 im sächsischen Glashütte geboren, studierte Vogler ab 1952 Geschichte an der Humboldt-Universität (HU) zu Berlin, wo er 1962 mit einer Studie zur feudalen Arbeitsrente und zum bäuerlichen Widerstand im 18. Jahrhundert promoviert wurde. 1968 wurde er erster Direktor der neu gegründeten Sektion Geschichte an der HU, an der er als Professor für die Geschichte der frühen Neuzeit von 1979 bis 1996 lehrte. 1990 wurde Vogler zum letzten Präsidenten der Historiker-Gesellschaft der DDR gewählt. 2001 bis 2008 war er Vorsitzender der von ihm mitbegründeten Thomas-Müntzer-Gesellschaft.

Vogler gehörte zu den Vertretern des von DDR-Historikern geprägten Forschungsansatzes einer »frühbürgerlichen Revolution«, die dissidente Strömungen wie die tschechischen Hussiten, die Reformation und den Bauernkrieg, aber auch den niederländischen Freiheitskampf als gegen den Feudalismus gerichtete Bewegungen umfasste. Am Beispiel der Niederlande zeigte Vogler auf, dass es dabei noch nicht um die Beseitigung der feudalen Ausbeutungsverhältnisse an sich, sondern um die »Beseitigung der größten feudalen Hemmnisse auf dem Wege zur weiteren Herausbildung der kapitalistischen Produktionsweise im Schoße der feudalen Gesellschaft« ging. Dabei fragte Vogler insbesondere nach dem bürgerlichen Klassensubjekt, dessen Entwicklungsstand und Rolle er etwa in seiner 1978 vorgelegten Habilitationsschrift am Beispiel des Bürgertums der deutschen Reichsstadt Nürnberg in den Jahren 1524/25 untersuchte.

Im vergangenen Jahr erschien eine Sonderausgabe der von Vogler gemeinsam mit Siegfried Bräuer bereits 2016 veröffentlichten Thomas-Müntzer-Biographie »Neu Ordnung machen«, die das sich radikalisierende Denken des Luther-Widersachers aus authentischen Quellen aufzeigt. Für Mai dieses Jahres ist Voglers umfassende Darstellung »Als der Bauer aufstand im Land – Bäuerlicher Widerstand als Kampf für Rechte und Freiheiten vom 9. bis zum 18. Jahrhundert« angekündigt. Es ist der posthum erscheinende Beitrag des bis ins hohe Alter wissenschaftlich tätigen Historikers zum Bauernkriegsjubiläum, der die damalige Erhebung in eine lange Vorgeschichte von Revolten, Aufständen und kriegerischen Auseinandersetzungen ab dem Mittelalter sowie in das Fortleben bäuerlichen Widerstands bis in die Neuzeit einordnet.

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