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Aus: Ausgabe vom 30.01.2025, Seite 6 / Ausland
Gazakrieg

Karawane gen Norden

Hunderttausende Palästinenser in Gaza kehren in Trümmerlandschaft zurück. Israel weitet Angriffe in Westbank aus
Von Gerrit Hoekman
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Trotz der verheerenden Zerstörungen versuchen Hunderttausende Vertriebene in ihre Heimat zurückzukehren (Gaza, 29.1.2025)

Am Montag schob sich im Gazastreifen ein nicht enden wollender Tross an Menschen am Mittelmeer entlang Richtung Norden. Es mögen wohl Hunderttausende Palästinenser gewesen sein, die zu Fuß mit den wenigen Habseligkeiten dorthin zurückwollten, wo sie vor dem Krieg gelebt hatten. Die allermeisten mussten entsetzt feststellen, dass die israelische Armee von ihrem Zuhause nur einen Haufen Schutt übriggelassen hat. Luftaufnahmen zeigen eine Trümmerwüste, schlimmer als die in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg.

Es wird viele Jahre dauern, bis der Landstrich wiederaufgebaut ist, falls es überhaupt gelingt. Im Moment ist es jedenfalls nur schwer vorstellbar, wie Menschen dort leben sollen. Ohne Dach über dem Kopf. Ohne Strom und Wasser. Israel hat den Norden des Gazastreifens praktisch unbewohnbar gebombt. Unter den Trümmern sollen außerdem noch Tausende Leichen liegen. Einige palästinensische Familien seien angesichts der schrecklichen Umstände bereits wieder auf dem Rückweg nach Zentralgaza, wo es wenigstens noch ein Mindestmaß an lebensnotwendigen Dienstleistungen gebe, berichtete der TV-Sender Al-Dschasira am Mittwoch. Absolut sicher ist es aber nirgendwo im Gazastreifen. Am Mittwoch morgen sollen laut Nachrichtenagentur WAFA mehrere Fischer in Khan Junis verletzt worden sein, als die israelische Besatzungsmacht ihre Boote beschoss.

Mit der im Zuge des Gefangenenaustausches mit Israel vereinbarten Rückkehr nach Nordgaza habe die Hamas einen strategischen Vorteil erzielt, glaubte der israelische Journalist Amos Harel am Dienstag in einem Kommentar für die Tageszeitung Haaretz. »Wenn sie erst einmal in ihren zerstörten Gemeinden sind, wird es für Israel schwierig sein, den Krieg wiederaufzunehmen und sie erneut aus den Gebieten zu evakuieren.«

Nimmt man jedoch jüngste Äußerungen des US-Präsidenten Donald Trump für bare Münze, könnte es für die palästinensische Zivilbevölkerung noch deutlich schlimmer kommen. Der neue alte Mann im Weißen Haus bringt nämlich den Transfer von anderthalb Millionen Palästinensern aus dem Gazastreifen nach Ägypten und Jordanien ins Spiel. Die beiden arabischen Staaten haben den Vorschlag vehement zurückgewiesen und brandmarken ihn zu Recht als »ethnische Säuberung« – ebenso wie das UN-Generalsekretariat.

In der kommenden Woche will der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu auf Einladung des US-Präsidenten nach Washington reisen – als erster ausländischer Regierungschef seit dem zweiten Amtsantritt von Trump. Zwar liegt gegen ihn seit November wegen des Verdachts der Verübung von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschheit ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag vor, aber das juckt die USA nicht. Sie und Israel erkennen das Gericht nicht an.

Im Gazastreifen mag der Krieg zwischen Israel und der Hamas unterbrochen sein, aber in der besetzten Westbank geht er weiter. Am Mittwoch erklärte Israels Verteidigungsminister Israel Katz, dass die Operation »Iron Wall« (Eiserne Mauer) in Dschenin noch intensiviert werde und das Militär auch über das Ende der Offensive hinaus in der Stadt und dem dazugehörigen Flüchtlingslager bleiben werde. Am Vortag war es dort laut der Nachrichtenseite Maan zu heftigen Gefechten gekommen. Ein Bewohner sei getötet worden, was die Zahl der Opfer seit dem Beginn der Aggression am Dienstag vor einer Woche auf 17 erhöhte. Die israelische Armee habe ihre Strafaktion inzwischen auf die Stadt Tulkarem ausgeweitet. Auch dort habe es stundenlange bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen israelischen Soldaten und Kämpfern der Hamas und des »Islamischen Dschihad« gegeben. Am Dienstag starben der Kommandant der Kassam-Brigaden in Tulkarem, Ihab Abu Atiwi, und ein weiteres Mitglied bei einem Luftangriff auf ihr Auto.

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