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Aus: Ausgabe vom 30.01.2025, Seite 6 / Ausland
Türkei und Kurden

Die Repressionsschraube dreht sich

Türkei: Neue Inhaftierungswelle trifft linke wie rechte Oppositionelle und Journalisten
Von Nick Brauns
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Protest gegen die Verhaftung des Bürgermeisters des Istanbuler Bezirks Beşiktaş (13.1.2025)

Während in der Türkei rechte Regierungspolitiker und linke kurdische Oppositionspolitiker nach den jüngsten Gesprächen mit dem inhaftierten Vorsitzenden der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), Abdullah Öcalan, gleichermaßen Hoffnungen auf einen Friedensprozess zwischen dem Staat und der Befreiungsbewegung schüren, vergeht kaum ein Tag ohne neue Inhaftierungen oder Verurteilungen von Journalisten, Politikern und Künstlern. Die AKP-MHP-Regierungsallianz zieht mit Blick auf die Anbahnung eines solchen Prozesses, den sie weniger als Demokratisierung denn innenpolitische Frontbegradigung versteht, die Repressionsschraube an. Eine weitgehend gleichgeschaltete Justiz ist die ausführende Kraft. Betroffen sind Oppositionelle aus den unterschiedlichsten politischen Lagern.

Am Mittwoch wurde die Bürgermeisterin der im kurdischen Südosten gelegenen Stadt Siirt, Sofya Alağaş, ihres Amtes enthoben und durch einen staatlichen Treuhänder ersetzt. Die Politikerin der prokurdischen Dem-Partei, die bei den Kommunalwahlen 2024 knapp 50 Prozent der Stimmen erhalten hatte, war zuvor von einem Gericht in Diyarbakır aufgrund ihrer früheren Tätigkeit als Redakteurin der Frauennachrichtenagentur Jin News wegen »Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung« – gemeint ist die PKK – zu mehr als sechs Jahren Haft verurteilt worden. Vor zwei Wochen wurde mit Rıza Akpolat auch der von der kemalistischen Hauptoppositionspartei CHP gestellte Bürgermeister des Istanbuler Bezirks Beşiktaş verhaftet.

Mit Ümit Özdağ, dem Vorsitzenden der faschistischen Partei des Sieges (Zafer Partisi), war in der vergangenen Woche ein rechter Kritiker der Regierung in Untersuchungshaft genommen worden. Der Vorwurf lautete Volksverhetzung und Präsidentenbeleidigung. Ein Dorn im Auge dürfte der Regierung Özdağs Kritik an einer Einbeziehung Öcalans in eine angestrebte Entwaffnung der PKK sein.

Der nächste Repressionsschlag richtete sich vergangene Woche gegen die radikale linke Opposition. Rund drei Dutzend Mitglieder der Sozialistischen Partei der Unterdrückten (ESP) wurden bei Terrorismusrazzien in Istanbul verhaftet. Der Inhaftierungswelle fielen neben einer Reihe von Journalisten sozialistischer und kurdischer Medien zuletzt am Dienstag auch Redakteure und Moderatoren des CHP-nahen Fernsehsenders Halk TV zum Opfer. »Die AKP kann nicht bekämpft werden, indem man um die Macht im Staat konkurriert«, mahnte die ESP, die innerhalb der Dem-Partei einen marxistischen Pol bildet, am Mittwoch mit Blick auf diejenigen Teile der Opposition, die primär auf Wahlen und das unter dem Präsidialsystem entmachtete Parlament setzten.

Inzwischen sind weitere Gesprächsinhalte des Treffens einer Dem-Parteidelegation mit Öcalan auf der Gefängnisinsel İmralı vom Donnerstag voriger Woche bekannt geworden. Öcalan ziele mit seinen Vorschlägen für eine Lösung der kurdischen Frage darauf, »die Tür für imperialistische Ambitionen gegenüber dem Iran, dem Irak, Syrien und der Türkei zu schließen«, um die Völker davor zu bewahren, »ein neues Gaza und ein neues Bagdad zu erleben«, erfuhr die kurdische Nachrichtenagentur Mezopotamya aus der Dem-Partei. Die Hoffnung des PKK-Vordenkers dürfte darin bestehen, durch eine demokratische Lösung ohne Grenzverschiebungen zu verhindern, dass Großmächte die Lage der auf vier Nationalstaaten aufgesplitterten Kurden weiterhin für ihre Interventionen im Mittleren Osten missbrauchen können. »Entweder meine Lösung oder die Lösung der USA«, habe Öcalan gewarnt.

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