Gier nach Bodenschätzen
Von Bernard SchmidWeiteres Chaos in einer Region, die in den vergangenen 25 Jahren wiederholt von extremer Gewalt gebeutelt wurde, mit nahezu einer halben Million Menschen auf der Flucht und ungewissen Aussichten: Das ist, kurz zusammengefasst, die derzeitige Lage im Osten der Demokratischen Republik (DR) Kongo.
Nachdem die Miliz »Bewegung des 23. März« (»M 23«) und rund 4.000 an ihrer Seite kämpfende Regierungssoldaten aus dem Nachbarstaat Ruanda am Montag Teile des Stadtgebiets der Provinzhauptstadt von Nordkivu, Goma, eingenommen haben, rücken sie nun auf Bukavu zu, die Hauptstadt von Südkivu. Am Mittwoch schätzte der an der kongolesischen Universität von Mbandaka lehrende Politikwissenschaftler Jean-Claude Mputu gegenüber der belgischen Zeitung L’Echo, die »M 23« und die Ruander könnten Bukavu bis zum Wochenende erreichen.
Eine weitere, offensichtlich berufene Quelle sprach zur gleichen Zeit davon, die »M 23« würde »in die Provinz Südkivu«, aber auch »vielleicht bis nach Kinshasa« durchmarschieren, der 1.500 Kilometer weiter westlich liegenden Hauptstadt der DR Kongo. Es handelt sich um einen Ausspruch des ruandischen Botschafters für die ostafrikanische Region der Großen Seen, Vincent Karega.
Dass hinter der Miliz »M 23«, Nachfolgerin des in den Jahren 2006 bis 2009 aktiven »Nationalkongresses des kongolesischen Volkes« unter Laurent Nkunda – Rebellenchef und zugleich christlich-fundamentalistischer Prediger mit politisch-religiösen Visionen –, Ruanda als Aggressorstaat steht, ist dabei nicht einmal mehr nur ein offenes Geheimnis. Der Politikwissenschaftler Mputu erklärt vor diesem Hintergrund, einzig ein klares Machtwort der neuen US-Regierung könne den Vormarsch im Osten des Kongo derzeit stoppen, doch ein solches komme nicht. Der Politologe sieht den Grund in der langjährigen Unterstützung der USA für Ruanda.
Am Montag hatten just in Bukavu Tausende Menschen gegen das Vorrücken der Milizionäre und der ruandischen Armee demonstriert. Sie taten dies friedlich und im Namen der »Zivilgesellschaft«, forderten aber auch von den Streitkräften der Demokratischen Republik Kongo einen Schutz ihrer Stadt. Unterdessen wächst in Kinshasa der Druck von Protesten auf ausländische, vor allem westliche bzw. aus dem »globalen Norden« stammende Unternehmen, wie das in Paris erscheinende und ganz Afrika abdeckende Wochenmagazin Jeune Afrique am Donnerstag berichtete. Auswärtige Großmächte werden aufgrund ihrer Passivität, wenn nicht ihrer Interessen an dem Land mitverantwortlich für die Offensive Ruandas gemacht.
Am Mittwoch sollten sich der kongolesische Präsident Félix Tshisekedi und der ruandische Amtsinhaber Paul Kagamé im Rahmen der Ostafrikanischen Gemeinschaft zu einem Friedensgespräch treffen. Dieses wurde jedoch abgesagt. Bis dahin hatte Tshisekedi öffentliches Schweigen zum Thema bewahrt. Am Mittwoch kündigte er jedoch eine militärische Gegenoffensive an. Zugleich forderte er die frühere Kolonialmacht Belgien – sowohl im Kongo als auch in Ruanda – dazu auf, Druck auf die Nachbarregierung in Kigali auszuüben, um sie von ihren aggressiven Plänen abzubringen. Die französische Tageszeitung La Croix fragte am Donnerstag in einem ihrer Titel, ob die Großmächte »zu wohlwollend gegenüber Ruanda« aufträten.
Ein maßgeblicher Antrieb bei den Kriegen in der Region ist die Gier nach den umfangreichen Rohstoffreichtümern im Ostkongo. Unter anderem geht es um das in Mobiltelefonen und der Rüstungsindustrie verarbeitete Coltanerz. Ruanda hat zwischen 2021 und 2023, noch vor der jüngsten Offensive der »M 23«, seine Coltanexporte um 200 Prozent gesteigert – zum Großteil dank des unter unmenschlichen Bedingungen im Ostkongo und im dortigen Virunga-Nationalpark erfolgenden Abbaus des seltenen Metallgemischs. Zu den Hauptimporteuren zählen die USA und China. Im Dezember 2024 behauptete der Apple-Konzern, seine Einfuhren von Coltan aus der DR Kongo und Ruanda eingestellt zu haben. Zuvor war wegen der Lieferungen Strafanzeige gegen seine Filialen in Frankreich und Belgien eingereicht worden.
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