Aus den Schulen verbannt
Von Thomas Berger
Es scheint ein winziges Signal der Hoffnung: Wie zuerst und unabhängig voneinander Voice of Amerika (VOA) und das Nachrichtenportal Shia News am 25. und 26. Januar meldeten, soll es für eine kleine Gruppe junger Frauen aus Afghanistan, denen bisher wie allen anderen höhere Bildung verwehrt war, nun die Aussicht auf ein Studium im Nachbarland Pakistan geben. Beide zitieren den pakistanischen Botschafter in Kabul Mohammad Sadiq mit der Aussage, es habe dazu eine Grundsatzeinigung mit der fundamentalistischen Taliban-Regierung gegeben. Wie Sadiq demnach sagte, will seine Regierung 5.000 afghanische Studierende an den Universitäten immatrikulieren, »davon ein Drittel weibliche«. Eine offizielle Bestätigung dazu seitens der Taliban stand zunächst aus. Und angesichts von laut UN-Angaben landesweit rund 1,4 Millionen Mädchen und Frauen, die vom Bildungssystem ausgeschlossen sind, bei der Erlaubnis für gut 1.600 Studentinnen von einem ersten Durchbruch zu sprechen, erscheint allemal verfrüht.
Einsamer Vorstoß
Dass sich bei der harten Haltung der Machthaber in Kabul bei dem Thema aber gewisse Risse zeigen, zeigte wenige Tage zuvor eine andere Meldung: Direkt aus dem Regierungsapparat wagte sich Vizeaußenminister Sher Mohammad Abbas Stanekzai mit öffentlicher Kritik an der bisherigen Praxis vor. Der Mann ist nicht irgendwer aus der zweiten Reihe, sondern hatte 2015 bis 2020 dem Auslandsbüro der Taliban in der katarischen Hauptstadt Doha vorgestanden. Anders als die meisten Anführer der Bewegung ist Stanekzai, der Englisch spricht und einen Master in Politikwissenschaften hat, vielfach im Ausland herumgekommen. »Wir bitten die Anführer des Islamischen Emirats, die Tore der Bildung (für Mädchen) wieder zu öffnen«, so sein Appell laut Tolo News. Ob er bei der obersten Taliban-Spitze auf offene Ohren stößt, blieb vorerst unklar. Zuletzt hatte die Regierung den Ausschluss des weiblichen Bevölkerungsteils aus dem Alltagsleben immer strenger betrieben. Zumindest Stanekzai hält das in dieser Rigorosität offenbar für einen Fehler. Es mag weitere Minister und Vizeminister geben, die ähnlich denken. Noch hat sich aber niemand getraut, den Vorstoß zu unterstützen und so die Anordnungen des obersten Machthabers Haibatullah Achundsada im südafghanischen Kandahar sozusagen indirekt in Frage zu stellen.
Der Zugang zu Bildung ist für Mädchen aber in mehreren muslimischen Gesellschaften schwierig. Das wurde auch auf einer Konferenz zu diesem Thema deutlich, die am 11./12. Januar in Islamabad stattfand. 56 Delegierte aus 29 islamischen Staaten, darunter mehrere Bildungsminister, kamen in der pakistanischen Hauptstadt zusammen. Zusammen mit Vertretern internationaler Organisationen wie UNESCO, UNICEF und Weltbank sowie weiteren Teilnehmenden waren rund 150 Personen aus 44 Ländern an dem Austausch beteiligt. Für die Gastgeber betonte Premierminister Shehbaz Sharif, dass sich seine Koalitionsregierung der Förderung von Mädchen und jungen Frauen verpflichtet fühle.
Erklärung von Islamabad
Sharif musste in seiner Begrüßungsansprache aber einräumen, dass es auch in Pakistan reichlich Nachholbedarf gibt. Die Alphabetisierungsrate bei Frauen liege derzeit bei lediglich 49 Prozent, und von den landesweit 22,8 Millionen Kindern, die keine Schule besuchen, »ist ein überragender Teil Mädchen«, so der Premier. Ihnen Bildung zu verwehren, bedeute, ihnen eine bessere Zukunft vorzuenthalten. Dass das im benachbarten Afghanistan seit 2022 noch weitaus stärker gilt, prangerte Friedensnobelpreisträgerin Malala Yousafzai, die ihren Einsatz für Mädchenbildung seit ihrer frühen Jugend beinahe mit dem Leben bezahlt hätte, besonders eindringlich an. Sie rief dazu auf, die Taliban für ihre Einschränkung von Grundrechten für Frauen und Mädchen zur Verantwortung zu ziehen. Die sogenannte Erklärung von Islamabad als Ergebnis der zweitägigen Konferenz enthält in 17 Punkten zwar deutliche Forderungen, auch Mädchen und Frauen Bildung zu gewähren. Etwas anderes aber ist die praktische Umsetzung dieses Grundrechts.
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