Arizona jetzt in Belgien
Von Gerrit HoekmanFreitag abend um 22 Uhr konnte Wahlsieger Bart De Wever König Philippe Vollzug melden: Nach 236 Tagen zähen Verhandelns hat Belgien eine neue Regierungskoalition. Ministerpräsident wird De Wever, der Vorsitzende der Nieuw-Vlaamse Alliantie (N-VA), wohl selbst – als erster flämischer Nationalist überhaupt. »Alea iacta est«, twitterte er am Freitag auf X. Die Würfel sind gefallen. Hinter den Ausruf, der Julius Cäsar zugeschrieben wird, setzte De Wever ein V-Zeichen für »Victory«. Sieg auf ganzer Linie also.
Das Bündnis besteht aus den flämischen Parteien Christen-Democratisch en Vlaams (CD&V) und der sozialdemokratischen Vooruit (Vorwärts) sowie auf wallonischer Seite dem liberalen Mouvement Réformateur (MR) und den christsozialen Les Engagés (Die Engagierten). Die Koalition wird »Arizona« genannt, weil die Parteifarben mit der Flagge des US-Bundesstaates identisch sind. Jetzt muss noch die jeweilige Parteibasis dem Vertrag zustimmen. Der Kongress der flämischen Sozialdemokraten gab bereits am Sonnabend sein Okay. Die anderen Parteien trafen sich erst am Sonntag. Bei der Verteilung der Ministerien wird Sprachparität gelten, das heißt neben De Wever wird es sieben Minister geben, die Niederländisch, und sieben, die Französisch als Muttersprache haben. Diesen Montag soll der König die Minister vereidigen.
»Die Reformregierung unter Bart De Wever kommt keinen Tag zu früh«, feierte der flämische Arbeitgeberverband VOKA am Sonnabend auf seiner Internetseite die Arizonakoalition. »Die Wirtschaft braucht einen Kapitän und einen reformorientierten Kurs.« VOKA bedauert jedoch, dass es auch für seine Klientel neue Belastungen gebe. »Die schlechte Wirtschaftslage bietet keinen Spielraum für neue Gebühren und Steuern«, klagt der Vorsitzende Hans Maertens. Vor allem die Einführung einer Steuer auf Kapitalerträge und die erhöhten Firmenbeiträge für langzeiterkrankte Werktätige liegen Maertens schwer im Magen.
Die Partei der Arbeit (PVDA-PTB) findet die vorgesehenen Belastungen für Reiche und Unternehmen jedoch lächerlich gering. Auch die flämischen Sozialdemokraten hätten im Wahlkampf gelogen, als sie versprachen, dass die »breitesten Schultern endlich ihren Beitrag leisten« würden, wird der Parteivorsitzende Raoul Hedebouw am Sonnabend auf der Internetseite der Marxisten zitiert. Die Allerreichsten könnten sich aber weiterhin allen Sparmaßnahmen entziehen.
Die neue Koalition wolle die einfachen Leute »auspressen wie Zitronen«, so Hedebouw. Die an der Koalition beteiligten Parteien hätten jeden Realitätsbezug verloren. »Sie haben versprochen, dass ›Arbeit sich mehr lohnen muss‹, und nun deutet alles darauf hin, dass sie unsere Renten in Milliardenhöhe kürzen, unsere Löhne einfrieren, unseren sozialen Schutz abbauen.« Wo Ungerechtigkeit herrsche, gebe es aber auch Widerstand. »Gemeinsam mit der sozialen Bewegung werden wir diese Abrissregierung dazu bringen, einen Rückzieher zu machen.« Die nächste Gelegenheit zum Protest biete eine Gewerkschaftsdemonstration am 13. Februar in Brüssel.
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