Möchtegern-Lokomotivführer
Von Susanne KnütterDie Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft »EVG« sendete am Montag ein Signal an »alle Bahn-Zerschlagungsfetischisten«: »Wir sind Europas größte Eisenbahngewerkschaft. Gemeinsam werden wir uns entschieden dagegenstemmen – mit der geballten Kraft unserer 185.000 Mitglieder.« Zur EVG-Demonstration vom Kanzleramt zum Bahn-Tower kamen dann bis Mittag nach Gewerkschaftsangaben gerade mal 1.000 Menschen. Aber das war ja erst der Anfang. Die nächsten Wochen seien entscheidend, »ob wir uns weiterhin eine Politik des Sparens diktieren lassen oder ob endlich die notwendigen Investitionen auch in die Infrastruktur getätigt werden«, erklärte die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi in ihrer Rede vor dem Berliner Hauptbahnhof. Wer die Bahn zerschlagen wolle, wolle Gewinne privatisieren und Schulden vergesellschaften.
Zuletzt hatte die Union Forderungen nach der Zerschlagung der Deutschen Bahn erneuert. Sie plant, den bundeseigenen Konzern unter einem möglichen Kanzler Friedrich Merz komplett umzukrempeln und den Betrieb und die Infrastruktur voneinander zu trennen. Die Bahn und »ihre unzähligen Beteiligungen und Tochtergesellschaften« sollten aufgelöst, Infrastruktur- und Transportbereich voneinander getrennt werden, und das Schienennetz solle analog zur Autobahn in eine bundeseigene, weisungsgebundene GmbH überführt werden, erläuterte der stellvertretende CDU/CSU-Fraktionschef Ulrich Lange die Pläne. Der Bund bekomme dadurch »einen stärkeren Zugriff auf den Aus-, Neu- und Umbau der Schieneninfrastruktur«, argumentierte Lange. Und wenn sich die DB sich »mit dem Zugverkehr nur noch auf ihr Kerngeschäft konzentrieren und sich gegenüber anderen Anbietern behaupten« müsse, würde sich »insgesamt die Performance auf der Schiene verbessern«, befand Lange.
Aus Sicht der EVG sind das Nebelkerzen. Wer die Bahn zerschlage, verschlimmere die Probleme, und wolle nur ablenken, erklärte EVG-Chef Martin Burkert auf der Kundgebung. »Es waren doch drei Verkehrsminister von der Union, die das Netz jahrzehntelang verlottern ließen. Sie sind hauptverantwortlich für das, was auf Deutschlands Schienen schiefläuft.« In Großbritannien »kehren sie immer noch die Scherben der Eisenbahnzerschlagung zusammen«, erinnerte Burkert. Die Eisenbahner seien es leid, von fachfremden Besserwissern gesagt zu bekommen, wie Eisenbahn funktioniere, sagte der Gewerkschafter in Richtung Friedrich Merz. »Sie haben noch nie ein Stellwerk von innen gesehen, aber führen sich auf, als wären sie Lukas, der Lokomotivführer, höchstpersönlich.«
Mit großer Sicherheit nur formale Unterstützung erhielten die Eisenbahner von Bundesverkehrsminister und einst FDP-Mitglied Volker Wissing (jetzt parteilos). Die Zerschlagung des Unternehmens würde den Fahrplan für die Verbesserung von Netz und Betrieb nur erheblich verzögern, sagte er gegenüber dpa. »Statt auf das Organigramm sollten sich daher alle darauf konzentrieren, das Sanierungsprogramm weiter konsequent durchzuziehen«, so Wissing. »Optimierungspotential« sieht Wissing bekanntlich in einer konsequenteren Verschlankung. Um die einzelnen Teilbereiche rentabel zu machen, müssten nach dem Geschmack von Wissing mehr Jobs und unwirtschaftliche Strecken gestrichen werden.
Der Konzernbetriebsratsvorsitzende der DB AG, Matthias Laatsch, wies dementsprechend auch auf den Zusammenhang der Pläne für DB Cargo und die Zerschlagungsgefahr für den Betrieb Deutsche Bahn insgesamt hin. »Wenn wir jetzt still sind, haben die Politiker eine Blaupause für die Zerschlagung des Konzerns. Deswegen werden wir uns dagegenstemmen.« Und das sind immerhin 185.000 Mitglieder.
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