Das König unter die Radios
Von Pierre Deason-TomoryEine Radiostation lässt Claims aufsagen und jingeln, um dem Hörer einzuprügeln, was sie sendet, etwa »Die größten Hits der 80er und 90er«. Die Strategen bei Deutschlandfunk Kultur scheinen diese Funktion nicht zu kennen, sonst hätten sie den Hausslogan nicht im Herbst von »Das Feuilleton im Radio« geändert in »Wie groß ist deine Welt?«. Die Neuerung taugt zu nichts, außer zur Erregung lesenswerter Ärgernis bei der SZ-Literaturredakteurin Marie Schmidt. Unter der Überschrift »Igitt, Feuilleton« schrieb sie am 24. Januar in der Süddeutschen Zeitung »zur neuen Hinwendung zum Unterkomplexen in der Kulturberichterstattung«, der Claim sei »eine Frechheit erwachsenen Menschen gegenüber«. Sie beklagte, dass man sich geduzt wie bei IKEA »von so einer Werbung in Frageform permanent angerempelt fühlt«. Um den vorzüglichen Verriss zu vermeiden, hätte sich DLF Kultur nur beim dreieinhalb Kilometer entfernten RBB den Kollegen Uwe Wassermann ausleihen müssen, einen Fachmann, der Jingles denken kann. Er baute die krachlaut rotzigen Spots in der DT64-Endzeit, später bei Fritz haute er Claims raus, die exakt so schräg waren, wie der Jugendsender wirken wollte, etwa die König-Pilsner-Werbung zitierend: »Fritz – das König unter die Radios«. Den Spruch habe ich mir einmal einer goldenen Branchenregel folgend ausgeborgt und ihn bei Radio Hamburg eingesetzt. Besagte Regel lautet: »Besser gut geklaut als schlecht erfunden«. Danke Uwe!
Diese Woche im »ARD-Radiofeature«: »Black Box Sterbehilfe«, die Entwicklung fünf Jahre nach dem Urteil zum assistierten Suizid (WDR 2025, Di., 20.05 Uhr, MDR Kultur, Do., 15.04 Uhr, HR 2 Kultur, Fr., 15.05 Uhr, SWR Kultur, Sa., 9.05 Uhr, SR 2 Kultur, 13.05 Uhr, Bayern 2, 18.05 Uhr, Bremen Zwei, So., 13.04 Uhr, WDR 5). Das ehemalige Feuilleton im Radio hat uns japanische Literatur aus dem Archiv geholt, »Der Himmel ist blau, die Erde ist weiß« von Hiromi Kawakami (DLR Kultur 2014, Mi., 22.05 Uhr, DLF Kultur). Der belagerte ORF kommentiert die dräuende Volkskanzlerschaft mit einem Auszug aus »Das ist bei uns nicht möglich« von Sinclair Lewis, gelesen von Markus Meyer. (Do., 11.05 Uhr, Ö 1) In der Sendung »Isuma – Filmen am Rande der Welt« machen Inuit und Videokünstler am Polarkreis aus Überlieferungen bewegte Bilder (Fr., 20 Uhr, SRF 2 Kultur). Im Hörspiel »Beinwiesenquartett« von Martin Plattner stirbt ein Alpendorf vor den Augen der »Muttertant« und ihrem »Rauschkind«, und sie gehen das Grab des Vaters gießen (ORF Tirol 2024, Sa., 14 Uhr, Ö 1).
Drei Vorschläge für den Samstag abend: Die 1707 geschriebene, erst 2023 uraufgeführte Oper »L’Ercole amante« von Antonia Bembo, eingespielt vom Stuttgarter Ensemble »Il Gusto Barocco« (SWR 2023, Sa., 20.03 Uhr, BR Klassik, HR 2 Kultur, MDR Klassik, NDR Kultur, SWR Kultur, WDR 3), das schwarze Hörstück »Den Hund begraben« von Dunja Arnaszus (RBB 2024, Sa., 20.03 Uhr, SRF 2 Kultur) und »Das Spinnennetz (1/2)« von Joseph Roth, Regie Katja Langenbach (BR 2012, Sa., 20.05 Uhr, DLF). In »Mikado« gibt es Prokofjews »Peter gegen den Wolf« – Sie haben richtig gelesen. In der Bearbeitung von Elbphilharmonie-Orchester und Theater Kontra-Punkt muss der Wolf vor Gericht (NDR 2016, So., 7.05 Uhr, NDR Kultur). »Letzte Begegnung« heißt ein Hörspiel nach dem autobiographischen Roman »Lass mich gehen« von Helga Schneider. Die Autorin trifft ein letztes Mal ihre Mutter, 61 Jahre nachdem diese die Familie verlassen hatte, um Aufseherin im KZ zu werden (WDR 2004, So., 17.04 Uhr, WDR 5).
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