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Aus: Ausgabe vom 05.02.2025, Seite 2 / Inland
Antimilitaristische Tramfahrer

»Auch Fahrgäste wollen da nicht mitfahren«

Straßenbahnfahrer in München wehren sich gegen Bundeswehr-Werbung an ihren Fahrzeugen. Ein Gespräch mit Michael Niebler
Interview: Susanne Knütter
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Antimilitarismus bei der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG): Die drei von der Tram (am Freitag in München)

Wie reagierte die Münchner Verkehrsgesellschaft auf Ihre Erklärung vom vergangenen Freitag, keine Straßenbahn mit Bundeswehr-Werbung fahren zu wollen?

Wir haben unsere Erklärung nur schriftlich abgeben können. Den Empfang haben wir uns quittieren lassen. Mit einem weiteren Schreiben haben wir den Betriebsrat aufgefordert, dafür zu sorgen, dass unsere Entscheidung berücksichtigt wird.

Wie realistisch ist das Anliegen?

Bei Gewissensfragen wird das Direktionsrecht des Arbeitgebers eingeschränkt. So sieht es das Recht vor. Das heißt, er kann nicht mehr sagen, wann ich oder dass ich genau mit diesem Fahrzeug unterwegs sein muss. Wir haben ja noch 140 andere Trambahnen, die wir fahren können.

Wie viele Straßenbahnen betrifft das?

In München nur eine. Vor knapp zweieinhalb Jahren habe ich schon einmal auf einer Betriebsversammlung gegen Bundeswehr-Werbung an einer Straßenbahn protestiert. Damals wie heute stand darauf »Mach, was wirklich zählt« und ein paar andere Albernheiten. Nach vier bis sechs Wochen ungefähr war die Bahn aus dem Verkehr gezogen. Kann sein, dass sie einen Unfall hatte. Gut zwei Jahre später ist ein neueres, größeres Fahrzeug wieder so beklebt worden. Deshalb habe ich auf der Betriebsversammlung im September erneut Protest eingelegt.

Wie reagierten die Kollegen?

Damals wie heute habe ich Applaus gekriegt. Damals hatte ich mich einfach nur beschwert. Jetzt habe ich die konkrete Forderung, dass das Teil aus dem Verkehr gezogen wird. Ich halte den Spruch »Mach, was wirklich zählt« für eine Herabwürdigung aller anderen Berufe. Die Geschäftsführung sagte zu, sich zu kümmern, dass die Werbung geändert wird.

Wird einfach eine andere Bundeswehr-Werbung geklebt?

Was kein großer Fortschritt wäre, aber immerhin irgendeine positive Reaktion. Mittlerweile ist quasi jeder zehnte Rekrutierte minderjährig. Damit verstößt die BRD gegen die UNO-Kinderrechtskonvention. Meine zwei Kinder wären betroffen, sobald die Wehrpflicht wieder eingesetzt werden würde. Ich will auch keine Werbung dafür machen, dass andere Leute im Alter meiner Kinder zum Militär eingezogen werden. Im Alter von 19 Jahren habe ich selbst den Kriegsdienst verweigert – auch aus Gewissensgründen. Auch Fahrgäste beschweren sich über die martialische Bundeswehr-Werbung und sagen, sie wollen da nicht mitfahren.

Hat es Folgen wenn Sie nicht mehr für diese eine Bahn eingesetzt werden?

Da gibt es organisatorische Probleme. Vor allem im Spätdienst. Da übernehme ich in der Regel mitten in der Stadt die Tram. Weil ich die Bahn nicht fahre, müsste entweder der Kollege weiterfahren. Das geht nur, wenn er dadurch seine Lenkzeiten nicht überschreitet. Oder ein Reservist müsste kommen. Der Betrieb würde mindestens verzögert. Es gibt die Optionen: Entweder das Fahrzeug rückt nicht aus, oder ich habe einen speziellen Dienstplan, der das Fahrzeug nicht vorsieht. Oder sie machen die Werbung halt weg. Das ist das, was ich eigentlich will.

Gibt es ähnliche Initiativen in anderen Städten?

Ich weiß, dass diese Fahrzeuge hin und wieder umdekoriert werden von Leuten, die manche als Vandalen bezeichnen würden. Es gibt auch Städte, in denen so ein Werbeversuch wahrscheinlich gar nicht erst unternommen werden würde. Die Idee ist, dass unser Beispiel Schule macht.

Sie haben zwei Kollegen, die mitmachen?

Es gibt meines Wissens noch mindestens einen vierten, der sich auch bereit erklärt hat, dem Arbeitgeber so ein Dokument zu geben.

Wie viele Straßenbahnfahrer gibt es in München?

Ungefähr 700.

Es gibt Ausweichkandidaten.

Dieses Verfahren setzt den Arbeitgeber nur mäßig unter Druck. Es gibt natürlich Möglichkeiten, uns zu beschäftigen.

Also ist die Aktion eher ein Appell an die Kollegen?

Wir können sagen, wir weigern uns, mit diesem Fahrzeug zu fahren. Viel mehr geht nicht. Und natürlich: Je mehr Kollegen mitmachen, desto besser.

Da werden nicht alle mitziehen.

Es gibt Leute, die stimmen uns zu, auch wenn sie noch nicht bereit sind, ihre Stimme zu erheben. Viele denken darüber nach. Es gibt natürlich die Militärfans, die Camouflageoptik super finden. Traditionell arbeiten bei der Straßenbahn viele ehemalige Bundeswehr-Angehörige, die Lkw- und Busführerschein in ihrer Dienstzeit gemacht haben. Die haben ein anderes Selbstverständnis.

Michael Niebler ist Straßenbahnfahrer in München

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