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Aus: Ausgabe vom 06.02.2025, Seite 1 / Titel
Nahostkonflikt

Trump greift nach Gaza

US-Präsident und Israels Premier träumen von einem Palästina ohne Palästinenser
Von Knut Mellenthin
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In der Trümmerwüste soll nach Ansicht des Weißen Hauses eine »Riviera der Levante« entstehen (Dschabalija, 19.1.2025)

Bei einem Treffen mit Benjamin Netanjahu in Washington hat Donald Trump am Dienstag (Ortszeit) seine »Vision« bekräftigt, die palästinensische Bevölkerung zwangsweise aus dem Gazastreifen auszusiedeln. Danach will Trump dort »eine Riviera des Nahen Ostens«, ein zweites Monaco bauen lassen. Der israelische Premierminister war der erste ausländische Regierungschef, der vom US-Präsidenten nach dessen Amtsantritt ins Weiße Haus eingeladen wurde.

Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Netanjahu schwärmte Trump von der Zukunft Gazas als »internationalem, unglaublichem Ort«, an dem »Repräsentanten von überall auf der Welt« – gemeint sind offenbar die legendären »Reichen und Schönen« – zusammenkommen und leben würden. Der ganze Nahe Osten werde stolz darauf sein. Die Palästinenser will Trump auf andere Staaten verteilen, hauptsächlich auf die Nachbarländer Ägypten und Jordanien. Zwar haben deren Oberhäupter, Präsident Abdel Fattah Al-Sisi und König Abdullah II., die Vertreibungsidee deutlich und entschieden abgelehnt. Aber er habe »das Gefühl«, dass die beiden am Ende doch zustimmen würden, sagte Trump an der Seite Netanjahus den Journalisten.

Zum ersten Mal sprach er davon, dass die USA für dieses Vorhaben den Gazastreifen »in Besitz nehmen«. Jeder, mit dem er gesprochen habe, sei von der Idee begeistert. Auf die Frage, ob er auch Truppen dorthin schicken wolle, antwortete Trump: »Wenn das nötig ist, machen wir es.« Eine andere Frage, ob seine Regierung die Annexion der palästinensischen Westbank durch Israel unterstützen würde, ließ der US-Präsident vorläufig offen. Dazu werde es in vier Wochen eine Erklärung geben.

Der Dank Israels ist Trump schon jetzt gewiss. Netanjahu schmeichelte ihm als »größtem Freund, den Israel jemals im Weißen Haus hatte«. Trump besitze die Fähigkeit, »das konventionelle Denken zu durchbrechen« und »frische Ideen« jenseits der »Schubladen« einzubringen. Damit werde er Israel helfen, alle seine Ziele zu erreichen: die Zerstörung der militärischen und verwaltungstechnischen Kapazitäten der Hamas, »die Befreiung all unserer Geiseln« und »die Gewährleistung, dass Gaza nie wieder eine Gefahr für Israel darstellt«.

Vor dem Treffen mit Netanjahu hatte der US-Präsident ein Memorandum an mehrere Ministerien unterschrieben, mit dem sie angewiesen werden, gegenüber Iran zur Strategie des »maximalen Drucks« zurückzukehren, die Trump schon in seiner ersten Amtszeit praktiziert hatte. Im Zentrum der Maßnahmen steht der Versuch, die zahlreichen Sanktionen, die auch unter Joe Biden beibehalten wurden, konsequent durchzusetzen, indem Irans Handelspartner mit Strafen bedroht werden. Hauptziel ist, den iranischen Ölexport »auf null zu bringen«. Das gelte auch für China, heißt es in dem Memorandum drohend. Das Finanzministerium soll sicherstellen, dass irakische Banken künftig keine Geldgeschäfte mit dem Nachbarland Iran abwickeln. Die arabischen Golfstaaten sollen genötigt werden, dem Iran nicht länger beim Umgehen von Sanktionen zu helfen. Mit den europäischen Verbündeten will die US-Regierung im UN-Sicherheitsrat zusammenarbeiten, um den sogenannten Snapback-Mechanismus des Wiener Abkommens auszulösen. Dadurch würden alle Sanktionen der UNO wieder in Kraft treten, die 2015 in Zusammenhang mit dem Abkommen aufgehoben wurden.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Berlin (6. Februar 2025 um 12:21 Uhr)
    Ob Präsident Trump die Parallelität seiner Vorschläge zum Gedankengut eines schnauzbärtigen deutschen Politikers von vor hundert Jahren bewusst ist? Der war auch für die Umsiedlung ungeliebter Menschen in neue Konzentrierungsräume und ließ kräftig nachhelfen, als nicht alle davon begeistert waren. »Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch«, warnte Bertolt Brecht im »Arturo Ui«. Es wäre Zeit, dieses Stück jetzt in jedem Theater der Welt aufzuführen. Als Mahnung, genauer hinzusehen, was da gerade für ein Monster direkt vor unseren Augen wiedergeboren wird.
    • Leserbrief von Onlineabonnent/in Franz S. (6. Februar 2025 um 15:55 Uhr)
      Das Zitat »Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch« wird hier aus dem Zusammenhang gerissen. Brecht meinte den deutschen Imperialismus. Bei allen Verbrechen des US-Imperialismus: Meines Wissens gab und gibt es in den USA keine systematische, fabrikmäßige Ermordung von Menschen wie in Auschwitz. Aber ihr Beitrag ist symptomatisch für viele andere von Lesern und sogar für manche Artikel in der jW: Faschisten gibt es überall auf der Welt, von den USA über Frankreich, Italien und Ukraine. Nur in Deutschland, von wo die größten »Erfolge« und Verbrechen des Faschismus ausgingen bzw. stattfanden, scheint es Faschisten nicht mehr zu geben.
      • Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Berlin (6. Februar 2025 um 18:23 Uhr)
        Brecht warnte davor, dass der Faschismus wiedergeboren werden könnte. Und bezog sich auf sein Wesen, die totalitäre und diktatorische Herrschaft der reaktionärsten Kräfte des Finanzkapitals. Faschismus ist mehr als Schnauzbärte, KZs oder deutsche Sprache. Er hat viele Formen. Erkennen muss man ihn an seinem Wesen. Und bekämpfen an seiner Wurzel. Wird Ihnen nicht wirklich Angst bei dem, was das große Geld heute schon durch Musk oder Trump verkünden lässt: Wie weit ist es von den Plänen gegenüber Panama, Grönland oder Kanada bis zu »Volk ohne Raum«, von Guantanamo zu einem KZ, von der »Säuberung des Gazastreifens« von den Palästinensern bis zu den Ghettos der 30er und 40er Jahre? »Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.« Auch wenn er die Gefahr erst erkennt, wenn sie ihn schon auffrisst.
        • Leserbrief von Onlineabonnent/in Franz S. (10. Februar 2025 um 11:11 Uhr)
          »Faschismus ist mehr als Schnauzbärte, KZs oder deutsche Sprache. Er hat viele Formen« »Er hat viele Formen«, da haben Sie die Zauberformel gefunden, weil man damit alles Mögliche als Faschismus bezeichnen kann. So kann auch jedes Gefängnis auf der Welt als KZ bezeichnet werden. Nicht nur Dimitroff würde sich im Grab umdrehen, sondern auch Millionen Opfer der Nazi-Barbarei. Irgendwann wird auch der Hitlerfaschismus als einer von vielen dieser »faschistischen« Regime bezeichnet werden und schrumpft zu einem »Vogelschiss der Geschichte«, wie der Ehrenvorsitzende der AfD sich das wünscht.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Torsten Andreas S. aus Berlin (6. Februar 2025 um 00:50 Uhr)
    Aber DJ Trump ist doch vor allem um den Weltfrieden bemüht! Warum? Wegen der beiden von ihm erwünschten Friedensnobelpreise. Warum auch nicht? Der Terrorist Herr Menachem Beginn bekam ihn. Heinz Kissinger auch – für den Abzug seiner Killerbrigaden aus beiden Vietnams und nur wenige Wochen nach der von ihm jahrelang eingefädelten Vernichtung der Regierung des gewählten chilenischen Präsidenten Allende am – hoppla! – 11. September 1973. Wer sonst noch? Der berühmteste Terrorist der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts: Herr Nelson Mandela vom ANC. Klingt schon schräg, oder? Ist es jedoch nicht, denn den Literaturnobelpreis gibt es bisher nicht für die meisten geleisteten eigenen Unterschriften im Lichte von Kameras. Obwohl … wegen des fleischgewordenen Sendungsbewusstseins des nächtlichsten Mannes der Welt braucht es zwei aufeinander folgende Wunder: Weils sich immer so lange hinzieht, um die zwei Millionen Stück Mensch zu dehousieren (Lindemann, Freund von W. Churchill), gibt’s dafür erst im Jahre 2026 den Friedensnobelpreis. Deshalb müssen EU und Kiew jetzt zügig leisten: Der Iwan/Russe/Sowjet bekommt, was er hat/braucht/will. Die Cheffes aus Kiew und Konsorten ziehen um nach London, Dubai, Pankow-Nord, bezahlt und abgesichert von der EU und dem saudischen Herrscherhaus. Norwegen garantiert die Verleihung aller von Herrn DJ Trump gewünschten Friedensnobelpreise, aber bekommt dafür das gesamte Eis von auf Grönland zum Preis von auf Sylt. Kugel: drei Euro. – Die Sache ist geritzt!
  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (5. Februar 2025 um 22:06 Uhr)
    Makler trifft auf »Gottgegebenen« – ein gefährliches Bündnis. Der Name Netanjahu ist nicht der ursprüngliche Familienname. Benjamins Großvater, Nathan Mileikowsky, veröffentlichte nach seiner Ankunft in Palästina Kolumnen unter dem Pseudonym »Netanjahu«, was so viel wie »von Gott gegeben« bedeutet. Dies gibt bereits einen Einblick in das Selbstverständnis, das den heutigen israelischen Premierminister in seinem politischen Handeln prägt. Auf der anderen Seite steht Donald Trump, ein Geschäftsmann, der zum Politiker wurde, jedoch kaum historisches Verständnis für die Region besitzt. Nun haben diese beiden Männer gemeinsame Pläne: Während Trump nach pragmatischen und wirtschaftlich lukrativen Lösungen strebt, nutzt Netanjahu die Gelegenheit, um seine politischen und territorialen Ziele voranzutreiben. Doch beide übersehen, dass sowohl die arabische als auch die persische Welt auf eine lange Geschichte kultureller und politischer Eigenständigkeit zurückblicken kann und die historischen Entwicklungen Palästinas genau kennt. Seit 637 n. u. Z. lebte die weit überwiegende Mehrheit der Bevölkerung in dieser Region als arabische Gemeinschaften und deren Nachkommen. Historisch betrachtet war der Gazastreifen niemals israelisches Territorium – die altisraelitischen Stämme hatten keine Verbindung zu diesem Küstenstreifen Palästinas. Trumps und Netanjahus Vorhaben, die palästinensische Bevölkerung aus Gaza zu vertreiben, ist nicht nur ein Angriff auf die palästinensische Souveränität, sondern auch ein gravierender Bruch des Völkerrechts. Die Idee, Gaza in eine Luxusdestination für die »Reichen und Schönen« zu verwandeln, zeigt eine erschreckende Missachtung der historischen und sozialen Realität. Wer glaubt, dass die arabische Welt eine solche Umsiedlung einfach hinnehmen wird, verkennt die Geschichte ebenso wie die Gegenwart.

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