Kostenspirale Heim
Von Gudrun Giese![5.jpg](/img/450/205169.jpg)
Die Eigenbeteiligung für Pflegebedürftige in Einrichtungen steigt immer weiter. Nach einer Datenauswertung des Verbandes der Ersatzkassen (VDEK) liegt dieser Betrag inzwischen bei bis zu 3.000 Euro monatlich. Innerhalb eines Jahres stieg die finanzielle Belastung der Pflegebedürftigen um 300 Euro. Im ersten Jahr ihres Aufenthaltes in einer Pflegeeinrichtung zahlen die Bewohner im Bundesdurchschnitt 2.984 Euro im Monat aus eigener Tasche. Zwölf Monate zuvor waren es 2.687 Euro. Die regionalen Unterschiede sind dabei erheblich: In Bremen müssen die Betroffenen mit 3.456 Euro am meisten zuzahlen, in Sachsen-Anhalt mit 2.443 Euro am wenigsten.
Der VDEK, zu dem etwa die Techniker-Krankenkasse, die Barmer und die DAK-Gesundheit gehören, verlangte von der Politik Sofortmaßnahmen, um dem Aufwärtstrend bei den Kosten entgegenzuwirken und Pflege verlässlich und bezahlbar zu gestalten, hieß es in einer Mitteilung. Bisher hätten weder die von der Pflegekasse gezahlten Zuschläge noch die Erhöhung der Pflegeleistungen um 4,5 Prozent zum 1. Januar den Anstieg bremsen können.
Mit Blick auf die bevorstehende Bundestagswahl forderte die VDEK-Vorstandsvorsitzende Ulrike Elsner die Parteien auf, Wort zu halten bei der im Wahlkampf versprochenen Verbesserung des Pflegesystems. »Die Wahlprogramme dürfen keine Worthülsen sein«, erklärte sie. So müsse nicht nur die soziale Pflegeversicherung nachhaltig finanziert, sondern auch die Eigenbeteiligung der Pflegebedürftigen in den vollstationären Einrichtungen klar begrenzt werden. Reduzieren könne man die, wenn die Bundesländer ihrer Verantwortung für eine ausreichende Finanzierung der Investitionskosten für den Bau und die Instandhaltung der Heime nachkämen. Bisher schultern die Pflegebedürftigen selbst den Löwenanteil dieses Postens. 2022 trugen etwa die Länder lediglich rund 876 Millionen Euro zu den Investitionskosten bei, während die Heimbewohner etwa 4,4 Milliarden Euro dafür aufbrachten. Würden die Bundesländer diese Aufwendungen vollständig übernehmen, bedeutete das eine durchschnittliche Entlastung der Pflegebedürftigen um 498 Euro monatlich.
Auffällig ist, dass der VDEK ausschließlich die Politik mit Kostenübernahmeforderungen adressiert, nicht aber die Heimbetreiber und Investoren, die mit dem Pflegegeschäft zum Teil gut Kasse machen. So auch mit dem folgenden Vorschlag zur Kostenreduzierung: Die Länder sollen auch die Ausbildungskosten für Pflegekräfte in den Heimen übernehmen. Dadurch wäre eine Entlastung für die Bewohner um 113 Euro im Durchschnitt während des ersten Jahres im Heim möglich. Bisher zahlten die Bewohner auch diesen Posten, obwohl Ausbildung Staatsaufgabe sei. Darüber hinaus seien langfristige Schritte nötig, um die weitere Aufwärtsspirale bei der Eigenbeteiligung zu stoppen, so Elsner. Würden die Leistungsbeträge an volkswirtschaftlichen Kenngrößen ausgerichtet, käme das allen Pflegebedürftigen zugute.
Zu den hohen Eigenanteilen der in Einrichtungen lebenden Pflegebedürftigen tragen verschiedene Faktoren bei. So zahlen die Bewohner ohnehin die Unterbringungs- und Verpflegungskosten von derzeit 990 Euro allein. Für Investitionskosten werden durchschnittlich 498 Euro im Monat berechnet. Darüber hinaus wächst die Beteiligung an den pflegerischen Kosten immer stärker. Der »einrichtungseinheitliche Eigenanteil« lag zum 1. Januar im ersten Jahr im Heim bei 1.496 Euro monatlich im Bundesdurchschnitt. Ein Jahr zuvor wurden noch 1.281 Euro berechnet. In den folgenden Aufenthaltsjahren sinkt die Eigenbeteiligung für die Pflegekosten durch zunehmende Zuschüsse der Pflegekasse, so dass im vierten Jahr noch 440 Euro Zuzahlung fällig werden. Allerdings erreichen viele Pflegebedürftige gar nicht so einen langen Aufenthaltszeitraum.
Nach wie vor werden die allermeisten Pflegebedürftigen zu Hause von Angehörigen und ambulanten Pflegediensten versorgt. Von insgesamt knapp 5,7 Millionen Pflegebedürftigen im Dezember 2023 lebten lediglich rund 800.000 in Heimen. Eine von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) noch im vergangenen Jahr angekündigte Pflegereform wurde wegen des Ampelendes bis auf weiteres vertagt.
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