Auslieferung rechtswidrig
Von Lou Brenner![1.jpg](/img/450/205175.jpg)
Die Auslieferung der Antifaschistin Maja T. an die ungarischen Behörden im Juni 2024 war rechtswidrig. Die Überstellung der im »Budapest-Komplex« Angeklagten stelle einen »tiefgreifenden Grundrechtseingriff dar«, heißt es in einem am Donnerstag veröffentlichten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG). Durch diese sei das in der EU-Grundrechtecharta verbriefte Verbot von Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung missachtet worden. Das Gericht in Karlsruhe gab damit der Klage gegen die Auslieferung recht. Laut BVerfG sei das Kammergericht Berlin der Pflicht, den Sachverhalt für T.s Überstellung zunächst vollständig aufzuklären, nicht gerecht geworden. Insbesondere seien die Haftbedingungen – die T. als nonbinäre Person in Ungarn erwarten würde – nicht hinreichend geprüft worden.
Der damals 23jährigen Aktivistin wird vorgeworfen, im Februar 2023 gemeinsam mit einer Gruppe weiterer Antifaschisten in Budapest gezielt mehrere Neonazis angegriffen und mit Teleskopschlagstöcken auf sie eingeschlagen zu haben. Zum »Tag der Ehre« versammeln sich dort jährlich Tausende Mitglieder der extremen Rechten Europas, um der Wehrmacht und ihrer ungarischen Kollaborateure zu gedenken. Neben einer Versammlung in der Hauptstadt marschieren die Faschisten – stilecht in Wehrmachtsuniform und mit allerlei Nazimemorabilia – in den Budapester Wäldern den Fluchtmarsch ihrer Helden nach.
Nach den Angriffen auf Neonazis hatte Ungarn einen europäischen Haftbefehl erlassen. Maja T. wurde im Dezember 2023 in Berlin festgenommen. Das dortige Kammergericht erklärte ihre Auslieferung im Juni 2024 für zulässig. Damit »machte sich Berlin zum Handlanger der sächsischen ›Soko Linx‹, die einen politisch motivierten Kampf gegen Antifas führt und Linke sehenden Auges in das Knastsystem eines rechts-autoritären Regimes ausliefert«, erklärte Jona Gessner am Donnerstag gegenüber junge Welt. Gessner ist Sprecherin der Kampagne »NS-Verherrlichung stoppen«, die zu Gegenprotesten nach Budapest mobilisiert.
Die Ausweisung erfolgte in einer Nacht-und-Nebel-Aktion. Laut T. waren überall vermummte Polizisten mit »Maschinenpistolen im Anschlag« – Autokolonne, Straßensperren, Helikopterflug, Sack über dem Kopf. T. wurde daraufhin von der sächsischen Polizei im Eiltempo außer Landes gebracht, noch bevor das Bundesverfassungsgericht die Auslieferung in der kurz darauf erlassenen Anordnung untersagen konnte. Man prüfe »eine Haftung der Verantwortlichen für die perfide orchestrierte Überstellung«, so T.s Anwalt Sven Richwin am Donnerstag gegenüber jW. In Berlin freue man sich über den »juristischen Erfolg«, doch werde der Beschluss vom Donnerstag »leider erst mal nicht automatisch zu einer Rückführung von Maja führen«, so Richwin weiter. Er erhoffe sich jedoch »zumindest Hafterleichterungen und ein Ende der Isolationshaft«. Der Prozess soll am 21. Februar in Budapest beginnen. Gegen ein Geständnis ohne weitere Verhandlung seien Maja 14 Jahre Haft angeboten wurden, bei einer Verurteilung drohten sogar bis zu 24 Jahre Haft.
Über eine Ausreise nach Deutschland »entscheiden allein ungarische Gerichte«, kommentierte das Auswärtige Amt die Entscheidung gegenüber jW. Erst nach einem rechtskräftigen ungarischen Urteil sei demnach eine Überstellung nach Deutschland möglich – zum Zwecke der Vollstreckung der verbleibenden Strafe.
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