Nach dem Wahltag aufgeschlossener
Von Kristian Stemmler
CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz hat auch angesichts der anhaltenden Proteste gegen das gemeinsame Vorgehen der Union mit der AfD in der Migrationspolitik diesen Kurs verteidigt. Mit Blick auf die Kundgebungen der vergangenen Tage in vielen Städten erklärte Merz am Donnerstag gegenüber der Funke-Mediengruppe, als »letzte verbliebene Volkspartei« lasse die Union sich »durch Demonstranten nicht von unserem Kurs abbringen«. Merz gab sich mit Verweis auf Umfragen überzeugt davon, dass eine große Mehrheit der Menschen in Deutschland den Kurs der Union in der Migrationspolitik für richtig halte.
Auch die zuletzt aufgekommene Spekulation, dass die Politik der Union Koalitionsgespräche mit SPD und Bündnis 90/Die Grünen nach der Bundestagswahl erschwert haben könnte, scheint Merz nicht zu beeindrucken. Er sei sich sicher, »dass SPD und Grüne spätestens nach dem Wahltag offener für unseren Kurs sein werden«, betonte er. Mit großem Interesse sehe er, dass Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck ein eigenes »Zehnpunkteprogramm« zur Migration in Umlauf gebracht habe.
Habeck hatte am Montag ein Papier lanciert, das einen härteren Kurs in der Migrationspolitik fordert, und war dafür von der Grünen Jugend kritisiert worden. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) versuchte am Donnerstag den parteiinternen Streit um das Papier herunterzuspielen. Der Plan sei »das Ergebnis und die Kurzzusammenfassung unseres Wahlprogramms, und dafür stehen wir als Partei ein«, sagte sie dem RBB.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zeigte unterdessen gegenüber dem Kölner Stadtanzeiger Verständnis für die Demonstrationen der vergangenen Tage und äußerte Zweifel an der Kompromissbereitschaft der Gegenseite. Schon zweimal habe Merz »unser Gespräch über eine gemeinsame Asylpolitik abrupt beendet«, so Scholz. Es bestehe der Verdacht, »dass es zu keinem Zeitpunkt den Plan gab, in Migrationsfragen einen Konsens zu suchen«. Wie schon in der Vorwoche im Bundestag gab sich Scholz dennoch kompromissbereit. »Meine Hand ist ausgestreckt für gemeinsame Lösungen«, erklärte er. Vorlagen etwa zur Umsetzung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems und zu erweiterten Befugnissen der Einsatzbehörden lägen »beschlussreif im Bundestag« und könnten in der nächsten Sitzungswoche beschlossen werden. Eine Einigung müsse aber auch »rechtlich tragfähig sein«.
Unter dieser Bedingung ist eine Einigung eher unwahrscheinlich, da die SPD den »Fünfpunkteplan« von Merz, der eine Zurückweisung Schutzsuchender an den Landesgrenzen beinhaltet, für rechtswidrig hält – die Union jedoch darauf besteht. FDP-Fraktionschef Christian Dürr bekräftigte am Donnerstag dennoch seinen Appell an die SPD, noch vor der Wahl auf Vorschläge seiner Partei für einen »Migrationspakt der Mitte« einzugehen. In einem Schreiben an SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich erneuerte Dürr laut dpa ein Gesprächsangebot.
Die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kritisierte am Mittwoch abend erneut den Ansatz von Merz. Trotz aller Kritik an ihrer eigenen Politik bleibe sie auch heute bei ihrer Überzeugung, »das Flüchtlingsproblem europäisch zu lösen«, sagte Merkel bei einer Veranstaltung der Zeit in Hamburg. Sie wies die Kritik von Merz, der die Migrationspolitik ab 2015 als verfehlt kritisiert hatte, zurück und gab sich besorgt um »die Kompromissfähigkeit und die Gemeinsamkeit der demokratischen Parteien«.
Andernorts wird weiter Stimmung gemacht. Mit einem kruden Vergleich sorgte CSU-Chef Markus Söder am Donnerstag für Aufmerksamkeit. Er verglich die bayerische Grenzpolizei mit der »Nachtwache« aus der US-amerikanischen TV-Serie »Game of Thrones«, als deren Fan er sich früher schon geoutet hatte. Wie diese »Nachtwache« schütze die Grenzpolizei »uns vor bösen Wanderern von woanders her«, sagte Söder bei einem Besuch in Oberaudorf an der deutsch-österreichischen Grenze.
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