Dein roter Faden in wirren Zeiten
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Aus: Ausgabe vom 10.02.2025, Seite 1 / Inland
Wahlkampf mit Migration

Hunderttausende gegen Union und AfD

Erneut bundesweit Großdemonstrationen. Protest fordert von CDU/CSU Abgrenzung nach rechts
Von Marc Bebenroth
Nazigegner demonstrieren in Heidenheim, wo die AfD im Konzerthaus eine Wahlkampfveranstaltung geplant hat (9.2.2025)
Wortspielereien mit Namen: Protest gegen CDU-Chef Friedrich Merz und die AfD in München (8.2.2025)
Wenn nicht gar mehr: Mindestens 20.000 Menschen protestieren in Nürnberg, wo die CSU ihren Parteitag abhält (8.2.2025)
Nazigegner verleihen ihrer Abneigung Ausdruck: Demonstration gegen rechts in Hannover (8.2.2025)
»Alle gegen Faschismus«: Demonstration am Sonnabend in Rostock (8.2.2025)

Die Mobilisierungskraft des liberalen Bürgertums lässt nicht nach. Am Wochenende haben mehrere hunderttausend Menschen ihren Protest gegen die Unionsparteien und die AfD erneut auf die Straßen getragen. Bundesweit riefen Bündnisse, Vereine und Netzwerke aus dem Umfeld von SPD und Bündnis 90/Die Grünen sowie antifaschistische Zusammenschlüsse, Kirchen und auch Sportclubs dazu auf. In München waren am Sonnabend laut Veranstaltern mehr als 320.000 Menschen auf der Theresienwiese. Die Polizei spricht von 250.000. In Nürnberg, wo die CSU ihren Parteitag zur Bundestagswahl abhielt, zählte die Versammlungsbehörde mindestens 20.000 Protestierende.

Für Sonntag waren Aktionen in weiteren Städten angekündigt, unter anderem in Berlin und Köln. In der Bundeshauptstadt startete im Regierungsviertel eine Demonstration mit laut Polizei etwa 400 Menschen. Weitere stießen im Laufe des Nachmittags hinzu. Sie wollten von der FDP-Parteizentrale zur Bundesgeschäftsstelle der CDU ziehen. Abschließende Teilnehmerzahlen lagen bis jW-Redaktionsschluss nicht vor.

In NRW waren am Sonnabend ebenfalls Tausende gegen die Union und ihren Kanzlerkandidaten Friedrich Merz (CDU) auf die Straße gegangen. Für Bremen gehen die Veranstalter von mehr als 50.000 Menschen aus, die am Protest teilnahmen. Die Polizei will 35.000 gezählt haben. In der niedersächsischen Landeshauptstadt Hannover konnten laut Behörden 24.000 Menschen mobilisiert werden. In Rostock wurden rund 3.000 Teilnehmer einer Demonstration gegen rechts gezählt, zu der die VVN-BdA aufgerufen hatte.

In Hannover sprach am Sonnabend auch der Bundesverteidigungsminister. »Wir verteidigen unsere Demokratie gegen alle Anfeindungen, und wir wollen keine gesellschaftlichen Rollbacks in die 50er oder gar in die 30er Jahre«, sagte Boris Pistorius (SPD) auf dem Opernplatz. Bei einem späteren Termin erklärte der für das Ausgeben der 100 Milliarden Euro Bundeswehr-»Sondervermögen« zuständige Minister, dass die Kommunen finanziell »ziemlich in der Ecke« stehen.

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  • Leserbrief von Paul Vesper aus 52062 Aachen (11. Februar 2025 um 10:21 Uhr)
    Ich möchte über den verdienstvollen Leserbrief von Fred Buttkewitz ein wenig marxistische Dialektik gießen. Vieles ist richtig analysiert. Es ist aber nur die eine Seite zu sehen, dass die demonstrierenden Menschen für die Parteien demonstrieren, die die Gründe für das Erstarken der AfD selbst gelegt haben. Das erzeugt falsche Illusionen. Diese Blindheit wird gegen rechts nicht weiterhelfen. – Auf der dialektisch anderen Seite sind die Demonstrationen positiv zu werten. Denn sie zeigen, dass sich viele Menschen aktiv engagieren wollen. Wir Kommunisten begrüßen diese Aktionen trotz aller politischen Beschränkheit. – Diskussion und Aufklärung darüber, wer die asoziale friedensfeindliche Politik der letzten Jahre betrieben hat, heute noch betreiben will – nicht nur die Ampel, auch die GroKo, auch eine neue GroKo – ist die Aufgabe aller wirklich links denkenden Menschen. Paul Vesper
  • Leserbrief von Reinhold Schramm aus Berlin (10. Februar 2025 um 16:21 Uhr)
    Die modifizierte Fortsetzung folgt. Allenfalls weiß der brave deutsche Bürger – mit und ohne Migrationshintergrund –, woran er bei der kapital-liberalen CDU/CSU dran ist. Sie muss ebenso wenig wie die FDP ihre Klassenposition verstecken, so ganz im Gegensatz zu den Bündnisgrünen und Sozialdemokraten. Letztere schmücken sich stets sozial, hier insbesondere die SPD, ohne nach der Wahl ihre vormaligen Ankündigungen und Wahlversprechen einhalten zu müssen. Erinnern wir uns nur an Gerhard Schröder, wie er im Anschluss sein Wählervolk aus der Erwerbsbevölkerung sprichwörtlich mit der Hartz-IV-Regelleistung bei Arbeitslosigkeit das Fell über die Ohren zog. Die CDU/CSU, ob mit oder ohne Bündnis nach der Wahl mit der AfD, braucht diese demagogischen Tricks nicht anzuwenden. Wissen doch die Wähler schon im Voraus, dass sie fest an der Seite der Privateigentümer und ihrer Parteimitglieder*innen aus der deutschen Großbourgeoisie steht. Damit auch die AfD, sollte es zu einer Regierungsbeteiligung kommen, keinerlei Probleme wie die wechselseitige Liebedienerei mit dem nordamerikanischen Multimilliardär Elon Musk uns zeigte.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Franz S. (10. Februar 2025 um 14:36 Uhr)
    »Die Mobilisierungskraft des liberalen Bürgertums lässt nicht nach«. Schon letzten Montag schrieb ein Leser, dass »Bürgerlicher Protest« etwas Abqualifizierendes signalisiert. Ist bei den Demo-Teilnehmern eine Volkszählung durchgeführt worden, weil der Autor die soziale Zusammensetzung so genau kennt? Ist es nicht eher ein positives Zeichen, wenn auch das »liberale Bürgertum« gegen Nazis und andere Rechte demonstriert? Wäre es doch ein Hinweis, dass diese Bevölkerungsgruppe aus den Fehlern von 1933 gelernt hat.
    • Leserbrief von Georg F. aus Heidelberg (10. Februar 2025 um 21:43 Uhr)
      Ich finde, wie Sie, »bürgerlich« ist vereinfachend. Und es war auch keine Volkszählung dabei. Die Frage wäre aber, ob das wichtige Protestieren gegen die widerliche AfD und CDU zeigt, dass viele »aus den Fehlern von 1933« gelernt haben. Es gehen z. B. viele Wähler*innen der Grünen zu den Demos – während z. B. Habeck schon der CDU signalisiert, mit der man regieren möchte, dass Abschiebungen prima sind (wie z. B. Deniz Yücel in der Welt seit langem redet man natürlich nur von »Gefährdern«, als dürften diese jetzt bleiben). Fast alle Parteien löchern das lange durchlöcherte Asylrecht weiter aus, leider nicht nur die AfD. Auf den Demos finden sich auch Antifa-Leute, von denen viele »ohne wenn und aber« das Ermorden Zehntausender Menschen in Gaza als Antwort auf die brutalen Hamas-Morde schönreden. Wer nur »aber« sagte, war unten durch: Antisemitismus-Verdacht. (So Mehrheiten in Kultur, an Unis, auf der Buchmesse usw.) Wir lernen seit 35 Jahren, wir hätten »nur Fragen, keine Antworten«. Und rumms (!) ist dann zu Gaza jede Frage, jedes aber verboten. Diesen grotesken Selbstwiderspruch merkte niemand von Taz bis Welt, und vermutlich (ich kann das nicht mehr lesen) mogelt man sich nun langsam zurück: »ABER« auf Seite 17 stand doch … The old trick. Viele aus manchen Antifa-Gruppen waren da übrigens zu 100 Prozent der Meinung, die gerade auch die AfD vertritt! Empathiefrei. Das könnte das Problem der Demos sein. Werden Hunderttausende wie jetzt gegen AfD/CDU dann auch demonstrieren, sollten z.B. CDU/Grüne oder SPD die Mehrheit der Sitze bekommen und zusammen regieren (und abschieben)? Das wär schön. Gegen jahrzehntelange Verarmung, gegen massive Aufrüstung, Doppelmoral bei Kriegen, Verrohung im Alltag usw. hört man wenig bis nichts auf den Demos. All das wäre wichtig, oder? Dann wär viel gelernt worden! Ich hätt einen Lesetipp, falls es Sie interessiert. Ernst Bloch, »Erbschaft dieser Zeit«. Auch er fragte sich, wie Nazis bekämpft werden können.
    • Leserbrief von Onlineabonnent/in Stephan K. aus Neumarkt i.d.OPf. (10. Februar 2025 um 18:56 Uhr)
      Wenn diese Bevölkerungsgruppe aus den Fehlern von 1933 gelernt hätte (auf einen kleinen Teil trifft das möglicherweise zu), dann würde sie gegen die Ursachen von Krieg und Faschismus auf die Straße gehen. Hier wird der Krieg ignoriert oder sogar unterstützt, daher »nie wieder Faschismus – nie wieder Krieg« auf ein seiner Inhalte beraubtes »Nie wieder ist jetzt« verkürzt, und es werden Symptome bekämpft, deren Ursachen die geschaffen oder konserviert haben, die die wesentlichen Träger dieser Proteste sind. Nein »Bürgerlicher Protest« hat nichts Abqualifizierendes. Wir brauchen mehr davon. Aber nicht einen, dem es nicht um Veränderung, sondern um die Bewahrung des Status Quo und ein »weiter so« geht.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Stephan K. aus Neumarkt i.d.OPf. (10. Februar 2025 um 11:35 Uhr)
    Betrachtungen von und auf der Nürnberger Demos gegen Rechts … Die Demos gegen Rechts sind eine Art Klassentreffen. Die Teilnehmenden versichern sich selbst, dass sie Recht nicht wollen und dass sie selbst nicht rechts sind. Man, frau & divers kuschelt untereinander und weiß, dass die anderen böse sind. Nebenbei wird aus einer widerwärtig rechten Partei eine dämonische Nazipartei gemacht. Noch gruseliger, als es die AfD auch in der Realität schon ist. Wir wissen es aus der Geisterbahn, der Gruseleffekt führt zum Zusammenrücken und macht es kuscheliger. Nebenbei – nicht auf den Tausenden Schildern – aber in einigen Reden kommt Wegweisendes vor. Vom Gewerkschaftsführer, von der Chefin der Diakonie. Immer dann, wenn es nicht direkt um die AfD geht, wird es konstruktiv. Da werden Tarife, Wohnungen und soziale Gerechtigkeit eingefordert. Auch die marode Bahn oder kaputte Schulen bekommen ihr Fett ab. Höhere Steuern für Reiche und Superreiche werden eingefordert. Hier positionieren sich Rednerinnen mit Themen und Forderungen, die, wenn sie erfüllt wären, die AfD mindestens halbieren würden. Unklar bleibt, warum das Lager, das hier und für das demonstriert wird, all diese Dinge nicht in den letzten 10 bis 20 Jahren erfolgreich erledigt hat. Immerhin stellt es die Mehrheit in Parlamenten, Regierungen und Medien. Es bleibt auch unklar, warum man primär »gegen rechts« und erst an zweiter und dritter Stelle für Forderungen ist, deren Erfüllung rechts überflüssig machen würde. Die Demos gegen rechts sind Demos für ein »weiter so« ohne rechts. Weiter so ist die Garantie für mehr rechts. Das scheinen Teilnehmer wie Redner letztlich zu ahnen, sonst würden sie nicht auf die völlig untaugliche Lösung »Verbot der AfD« setzen. Bekommt man die Ursachen nicht weg, muss man das Symptom verbieten.
    • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (10. Februar 2025 um 15:10 Uhr)
      So ist es! Oder, um es mal wieder mit Kurt Lenk zu sagen: »Rechts, wo die Mitte ist«. Wenn man nicht versteht, wie diese Gesellschaft funktioniert, kommt man über das Herumdoktern an Symptomen nicht hinaus. Genau daran zeigt sich auch die Schwäche »der« Linken: Die (meisten) mogeln sich auch um die Systemfrage herum. Eine wichtige Frage lautet: Wie müsste eine brauchbare (linke) Realpolitik heutzutage aussehen? Die eine oder andere Facette kommt in der jW zur Sprache, aber eine kohärente Diskussion und daraus abgeleitete Strategie sehe ich nirgendwo.
  • Leserbrief von Fred Buttkewitz aus Ulan - Ude (10. Februar 2025 um 05:53 Uhr)
    Hunderttausende gegen die Union und die AfD? Ja, wo ist denn da der Unterschied zur katastrophalen Politik der Ampelkoalition? Hier wird eine verdummte, manipulierte Massse in die gewünschte Richtung gelenkt, und zwar nicht gegen die Urheber der Misere der letzten drei Jahre in Deutschland, sondern gegen ihre parteipolitischen Konkurrenten. Einige versprengte, grauhaarige Nostalgiker demonstrieren noch für Frieden und für die Aufhebung der völkerrechtswidrigen Sanktionen. Wenn da dann 100 Demonstranten zusammen kommen, ist es schon viel. Herr Pistorius sagt: »Wir verteidigen unsere Demokratie gegen alle Anfeindungen, und wir wollen keine gesellschaftlichen Rollbacks in die 50er oder gar in die 30er Jahre«. Merkwürdig, die 1940er Jahre, speziell den 22. Juni 1941 erwähnt er nicht. War das was? An diese Zeit der von faschistischen Mächten inszenierten Aggression gegen die UdSSR möchte Pistorius lieber nicht erinnern, da die Fronten und die Rollenverteilung sich doch allzu sehr ähneln. Zwei Fünftel der heutigen EU-Staaten waren bei der damaligen »Schutzmaßnahme vor Russland« übrigens mit von der Partie. Aber wenn es jetzt der Demokratie dient, einem guten Zweck....? Dann stehen wir doch endlich auf der richtigen Seite der Geschichte. Nur Russland ist immer noch so böse wie damals, was sich auch anschließend zeigte, als die UdSSR die deutsche Vereinigung bereits 1952 vorschlug und 1989 ermöglichte, außerdem alle Truppen aus den Warschauer-Pakt-Staaten abzog – natürlich, um diese Staaten jetzt zu überfallen. Davor müssen wir uns schützen. Einem Volk, welches mehrheitlich so etwas glaubt, werden auch keine Wahlen helfen. Bevor es im Morgengrauen des 22. Juni 1941 los ging, gegen die »russische Bedrohung«, ließ man noch den letzten Getreidetransport der Russen über die Brücke. Bei uns werden dagegen alle Lieferungen und Leitungen aus Russland schon Jahre vorher gekappt. Weltweiter Wirtschaftskrieg ist bereits ein Weltkrieg.
    • Leserbrief von A. Katz aus Berlin (10. Februar 2025 um 13:57 Uhr)
      Ich möchte an dieser Stelle dem Genossen(?) Fred Buttkewitz für seine messerscharfe Analyse auch im Namen meines Lebensgefährten ausdrücklich danken! Die große Mehrheit der bundesweiten DemonstrantInnen sind sich gar nicht im Klaren, dass sie der herrschenden Nomenklatura des Kapitals willfährig für vermeintlich edle Ziele folgen. Das erinnert mich ein bissel an den Rattenfänger von Hameln. So wird die Arbeiterklasse und die mit ihr verbundenen Bauern und die Angehörigen der Intelligenz eingelullt, für ihre wahren Ziele zu kämpfen. Mit Russland hat man wieder den alten Erzfeind aus der Mottenkiste geholt und der Realpolitiker Wladimir Putin als Despot verunglimpft! Leider durchschaut das Gros der deutschen Bevölkerung das Spiel (noch) nicht.