»Was bleibt uns, außer Solidarität zu organisieren?«
Interview: Hendrik Pachinger, Nürnberg![razzia.jpg](/img/450/205282.jpg)
In Nürnberg knallten am 4. Februar Türen. Es gab eine Razzia. Was genau ist passiert?
Am vergangenen Dienstag sind in den Morgenstunden SEK-Beamte ausgerückt, um das lokale kurdische Kulturzentrum, das »Medya Volkshaus« und eine Privatwohnung zu stürmen.
Wieso gerade das kurdische Kulturzentrum?
Es ist eine Begegnungsstätte der linken und migrantischen Communitys in der Stadt. Dort finden zahlreiche Gruppen und Initiativen Räumlichkeiten, um politische Aktionen zu planen, oder auch einen nicht kommerziellen Ort für Kultur. Deutschkurse, Tanzgruppen, Gedenkfeiern und auch Treffen finden dort statt. Daher sind die Räumlichkeiten im Visier der Behörden. Bereits aus vergangenen Verfahren wissen wir, dass die Besucher des Zentrums genau registriert werden. Der Staat gibt sich einige Mühe, daran zu erinnern, dass er wenig Interesse an einer starken, vernetzten Bewegung zwischen Metropolregion und Kurdistan hat.
Neben Sachbeschädigungen kam es auch zu einer Festnahme. Was ist der Vorwurf?
Der Vorwurf ist der Standard bei solchem Vorgehen: Verstoß gegen die Strafrechtsparagraphen 129 a und 129 b, also die Bildung oder Teilhabe an einer terroristischen Organisation, in diesem Fall die Arbeiterpartei Kurdistans PKK. Das haben wir mittlerweile wahrlich oft genug erlebt. Bereits im Mai 2021 und im Dezember 2022 kam es zu Festnahmen vermeintlicher Kader im Medya. Nun hat es aber die Kovorsitzende des Vereins getroffen, der vorgeworfen wird, eine »Frontarbeiterin« gewesen zu sein – Was auch immer das genau sein soll.
Wie geht es der Festgenommenen?
Sie wurde nach ihrer Festnahme nach München vor den Haftrichter verbracht, der Untersuchungshaft anordnete. Sie sitzt nun in der JVA München-Stadelheim und wartet auf die Anklageschrift, während die Ermittlungen weitergeführt werden. Die Genossin wird von einem lokalen Anwalt vertreten, und ihr geht es den Umständen entsprechend. Wir hoffen, sie bald besuchen zu können. Es tut sich bereits was, um für sie Unterstützung zu organisieren.
Das ist offenbar nicht der einzige Einschüchterungsversuch gegen die lokale linke Bewegung.
Wir erleben derzeit wahrlich einige Veränderungen in der Repressionspraxis des Staates. Wir waren in der Vergangenheit schon öfter mit absurden Verfahren oder auch Massenprozessen konfrontiert. Seit einigen Jahren erleben wir aber, dass die Repression vielseitiger wird. Auf der einen Seite registrieren wir Angriffe über das Finanzrecht, also den Versuch, über Paragraph 51 der Abgabenordnung zu bestimmen, welche Vereine gemeinnützig und somit steuerlich begünstigt sind. Da hängen dann öffentliche Gelder dran, die diverse Vereine für ihre Arbeit brauchen.
Wir können andererseits aber auch registrieren, wie Angriffe auf die Lebensgrundlage von Individuen zunehmen. Da sind wir immer öfter mit zivilrechtlichen Forderungen wie Schmerzensgeld konfrontiert, bei denen beispielsweise vermeintlich geschädigte Polizisten Geld für ihre im Dienst erlittenen Verletzungen fordern. Aber auch Einbürgerungen und Aufenthaltstitel werden weiter politisiert. Da kommt es vor, dass Nachbarn nach politischen Aussagen befragt werden, um dann Sympathien für Befreiungsbewegungen zu »beweisen«. Das alles kommt zu bereits laufenden Verfahren, wie dem Budapest-Komplex, von dem zwei Antifaschisten aus der Region namens Hanna und Zaid betroffen sind.
Wie geht es für Sie weiter?
Was bleibt uns denn, außer weiterzumachen und Solidarität zu organisieren? (lacht) Wir haben für eine Solidaritätskundgebung am Sonntag direkt vor dem Medya Volkshaus mobilisiert. Damit wollten wir den kurdischen Strukturen zeigen, dass sie gegen die Repression nicht alleine stehen. Es sollte eine Kundgebung mit möglichst vielen Solidaritätsadressen verschiedener politischer Gruppen werden. Es sollten Briefe geschrieben werden an die gefangene Genossin und dann ein gemeinsames »Get-together«, also ein Kennenlernen beim Teetrinken. Das ist immer etwas, das es in der Antirepressionsarbeit braucht, um eigene Sorgen und Ängste kollektiv angehen zu können – aber auch, um bestehende Gräben überbrücken zu können.
Hinweis: In einer ersten Fassung des Interviews hieß es, die Paragraphen 129a / 129b StGB bezögen sich auf die Mitgliedschaft in einer »kriminelle Vereinigung«. Richtig ist, dass sie die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung bzw. einer terroristischen Vereinigung im Ausland bezeichnen. (jW)
Rebekka Hübner ist Sprecherin der Nürnberger Ortsgruppe der Solidaritätsorganisation Rote Hilfe e. V.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
Ähnliche:
- Bernd Elmenthaler/imago06.02.2025
DKP: Verfassungsbeschwerde gegen Zustimmung zur US-Raketenstationierung
- Daniel Karmann/dpa22.07.2020
Eiszeit unter Nürnbergs Linken
- Daniel Karmann/dpa24.07.2019
Nach 30 Jahren abgeschoben
Regio:
Mehr aus: Inland
-
Sprache zur Gefahr erklärt
vom 10.02.2025 -
Union bleibt unbeirrt
vom 10.02.2025 -
Russisches Gas für Leuna
vom 10.02.2025 -
Verzögerungstaktik der Fleischbosse
vom 10.02.2025 -
Hunderttausende gegen Union und AfD
vom 10.02.2025