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Aus: Ausgabe vom 10.02.2025, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Polizeieinsatz gegen Bergarbeiter

Nicht ein Wort

Südafrika: Aktivisten und Regierungspartner fordern Aufarbeitung von Polizeieinsatz gegen Bergarbeiter. Präsident ignoriert die 78 Toten
Von Christian Selz, Kapstadt
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Amandla! – Ngawethu!: Die Macht! – dem Volke!: Protest vor der Bergbauindustriemesse (Kapstadt, 5.2.2025)

Groß war der Aufschrei, als Mitte Januar die Leichen von 78 verhungerten Bergleuten gemeinsam mit mehr als 200 sichtlich abgemagerten Überlebenden aus einer ehemaligen Goldmine nahe der südafrikanischen Stadt Stilfontein gezogen wurden. Die Polizei hatte das Gelände zuvor monatelang abgeriegelt. Am 5. Februar forderten etwa 50 Demonstranten anlässlich der Bergbauindustriemesse Mining Indaba vor dem Internationalen Kongresszentrum in Kapstadt Gerechtigkeit und Entschädigungsleistungen für die Hinterbliebenen. Dass sie erhört werden, ist unwahrscheinlich. Nur einen Tag später würdigte Präsident Cyril Ramaphosa die verstorbenen Bergleute in seiner rund anderthalbstündigen Rede zur Lage der Nation nicht mit einem einzigen Wort. Auch auf Forderungen seiner Koalitionspartner, eine Untersuchungskommission einzusetzen, hat der Politiker der ehemaligen Befreiungsbewegung African National Congress (ANC) bisher nicht reagiert. Dabei gäbe es gute Gründe, insbesondere das Vorgehen der Einsatzkräfte näher zu beleuchten.

Sowohl Polizei- als auch Regierungsvertreter hatten den Einsatz mit harten bis martialischen Statements begleitet. Im Rahmen ihrer »Vala Umgodi« (»Löcher stopfen«) genannten Aktion hatten die Einsatzkräfte seit August die Eingänge der Schächte belagert. Polizeiführung und Regierungsvertreter haben dabei stets argumentiert, die Bergleute hätten die Möglichkeit, aus eigener Kraft herauszukommen, würden sich aber aus Angst vor einer Verhaftung unter Tage verschanzen. Ein Vorrücken von Polizeikräften in das Schachtsystem lehnte die Einsatzleitung unter Verweis auf marode Stollen, giftige Gase und Informationen über eine Bewaffnung der Bergleute ab. Die Tatsache, dass in den ersten Monaten der Aktion etwa 1.500 Bergleute aus dem Stollensystem stiegen und sich verhaften ließen, diente der Polizeiführung zudem als Beleg dafür, dass dies allen unter Tage Eingeschlossenen möglich sein müsse. Doch diese Annahme erwies sich als fataler Irrtum – und die Einsatzleitung hätte das wissen können.

Anders als von der Polizei behauptet, bestand unter Tage keine offene Verbindung zwischen den einzelnen Schächten. Während die Kumpel aus dem Schacht »Margaret« noch einen funktionierenden Ausstieg hatten, bestand der Zu- und Ausweg zu den Schächten zehn und elf lediglich über ein Flaschenzugsystem, über das Helfer über Tage die Arbeiter hinabgelassen und herausgezogen hatten. Die Polizei hatte dieses Flaschenzugsystem zu Beginn ihres Einsatzes abgebaut, so dass nur noch die Reste einer alten Schiene des vorherigen Korbaufzugs an den glatten Betonwänden des etwa 2.000 Meter tiefen Schachts übrig waren. Gemeindeaktivisten hatten monatelang gewarnt, dass der Aufstieg darüber zu gefährlich und den ausgehungerten Bergleuten nicht mehr möglich sei. Nach einem ersten Gerichtsurteil, das eine Grundversorgung der Kumpel verlangte, wurden zeitweise wieder Lebensmittel über den Flaschenzug in den Schacht herabgelassen. So war auch wieder eine Kommunikation mit den Eingeschlossenen möglich. Über Helfer schickten diese eine Botschaft, in der sie flehend um Rettung baten und klar signalisierten, herauskommen zu wollen. Dennoch reagierte die Staatsmacht erst Mitte Januar, nachdem Helfer ein Video veröffentlicht hatten, in dem aufgestapelte Leichen unter Tage zu sehen waren, und ein Gericht daraufhin den unverzüglichen Beginn eines Rettungseinsatzes angeordnet hatte.

Nach Abschluss der dreitägigen Rettungsaktion hatten zwei der zehn Koalitionspartner in Südafrikas »Regierung der Nationalen Einheit« von Ramaphosa verlangt, die Einsatzführung der Polizei untersuchen zu lassen. Zudem warfen sie die Frage auf, warum die Mine seitens des Betreibers nicht besser versiegelt worden war – und warum das zuständige Bergbauministerium dahingehend nicht eingeschritten war. Regierungsangaben zufolge hatte die offensichtlich verlassene Mine noch eine Betriebserlaubnis und ließ die Förderung nur auf unbestimmte Zeit ruhen. Einen möglichen Grund für diese Vorgehensweise illustrierte die afrikanische Regionalorganisation des Internationalen Gewerkschaftsbundes ITUC in einer Stellungnahme vom 30. Januar: »Wir wissen, dass Bergbauunternehmen den formalen Betrieb einstellen und den Zugang für entlassene Arbeiter stillschweigend offen lassen, um sie dann zu zwingen, die Edelmetalle an Syndikate zu verkaufen, die von den Bergbauindustrien kontrolliert werden.«

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