Ultimatum im BVG-Streik
Von Niki Uhlmann![5.jpg](/img/450/205320.jpg)
Viele von denen, die sonst in der Hauptstadt die Öffis steuern, warten und verwalten, protestierten am Montag bei einer Streikdemonstration vor der Zentrale der Berliner Verkehrsgesellschaft (BVG). Dazu hatte die Gewerkschaft Verdi aufgerufen. Bei ihrem zweiten Warnstreik bekräftigten 6.000 Beschäftigte ihre Forderungen und machten ihrer Wut über das Angebot der Bosse vom Kommunalen Arbeitgeberverband (KAV) Luft. Letzterem stellten sie ein Ultimatum.
Allein daran, dass Scharen schwarz-gelb gekleideter BVGler sich in übervolle S-Bahn-Waggons der Deutschen Bahn gezwängt hatten, wurde deutlich, dass ein großer Teil des Berliner Verkehrs am Montag lahmgelegt war. »Wir werden uns durchsetzen müssen«, schildert Hasan Güneri, seit drei Jahren Busfahrer der BVG, den Ernst der aktuellen Lohnrunde gegenüber jW. Gehe es so weiter wie bisher, »werden viele Kollegen die BVG verlassen müssen«. Mit Ausnahme weniger Kollegen, die aufgrund finanzieller Nöte nicht bei Verdi seien, sei man »zu 99,9 Prozent streikbereit«. Seine Hoffnung, »dass viele Kollegen teilnehmen«, dürfte bereits beim Anblick der Auftaktkundgebung in Erfüllung gegangen sein.
Ein Meer aus gelben Westen und Fahnen füllte die Straße vor der BVG-Zentrale. Trotz Minusgraden war der Andrang so groß, dass noch vor der ersten Rede die gegenüberliegende Fahrspur blockiert wurde, um den Streikenden vor der Bühne genügend Platz einzuräumen. »Wer ist die Gewerkschaft?«, lautete die Frage aus den Lautsprecherboxen. »Wir sind die Gewerkschaft«, riefen die versammelten BVGler zurück. Wer Berlin ist und wer die BVG, das stellten die Streikenden ebenso klar. Neben Wut lagen Kampfeslust und solidarische Atmosphäre in der Luft. Nur fehlte die Chefetage, der die Belegschaft feierlich ihr »Streikversprechen« überreichen wollte.
»Wir sind deutlich mehr Leute als letztes Jahr«, sagte Verhandlungsführer Jeremy Arndt der jW. Seine Rede handelte die Eckpunkte des Tarifkonflikts ab: die Forderung von 750 Euro mehr Lohn pro Monat für alle und höhere Schichtzulagen statt des vom KAV angebotenen Reallohnverlusts, Notwendigkeit des Personalaufbaus für die Zukunft des Berliner Nahverkehrs und nicht zuletzt die Ankündigung des Ultimatums: Wenn in 40 Tagen, »das sind zwei Verhandlungsrunden«, kein vernünftiges Angebot vorgelegt würde, werde die Gewerkschaft in einer Urabstimmung über den Erzwingungsstreik entscheiden. Die Belegschaft werde sich nicht vom KAV durch das »Auseinanderdividieren der Entgeltgruppen« spalten lassen, versprach ein anderes Mitglied der Tarifkommission. Mehr als 90 Prozent der Beschäftigten hätten gegen das Angebot gestimmt, sich damit hinter die Tarifkommission gestellt und Streikbereitschaft signalisiert.
Einen Höhepunkt der Demonstration markierte die Übergabe der Forderungen an die Berliner Verkehrssenatorin Ute Bonde (CDU). Als ehemalige Finanzgeschäftsführerin der BVG wurde sie unmissverständlich aufgefordert zu unterschreiben. Wenig überraschend lehnte sie ab. Erst Ende Januar hatte sie gegenüber dem RBB gesagt, der Verkehrsvertrag zwischen Senat und BVG gebe die Umsetzung der Forderungen Verdis nicht her. »Einmal BVGerin, immer BVGerin«, lamentierte sie nun auf dem Lautsprecherwagen. Unterschreiben könne sie trotzdem nicht, weil sie jetzt »eine neue Funktion« habe. Es half nichts; sie wurde ausgepfiffen. »Unterschreiben! Unterschreiben!«, skandierten die Streikenden. Bonde mahnte zur Kompromissbereitschaft.
Die BVG-Pressestelle bezeichnete die Demonstration am Montag als »frühe Eskalation«. Eine Begründung dieses Vorwurfs und eine Erklärung dessen, was unter einem »gewissen Nachholbedarf« bei den Löhnen zu verstehen ist, blieb die Pressestelle der jW bis Redaktionsschluss schuldig.
Solidarisch zeigten sich hingegen auch andere Beschäftigte des öffentlichen Diensts. Carlos fand als Gastredner der Berliner Stadtreinigung klare Worte: »Dieses Land braucht uns. Die Bevölkerung weiß das. Und wir müssen es vielleicht der Politik und der Gegenseite noch mal ein bisschen in die Stirn hämmern.« Jana, eine Beschäftigte der S-Bahn, die eine Fahne der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) schwenkte, wies gegenüber jW darauf hin, dass im Verkehrssektor auch gekürzt werde, weil der Staat Unsummen für Militarisierung verschleudere. Auch der EVG wurde deshalb ein schlechtes Angebot gemacht. Im März ende deren Friedenspflicht. Auch dort bahne sich ein harter Arbeitskampf an.
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