»Können nicht offen darüber sprechen«
Interview: Walter MandićWie kam es dazu, dass Sie sich in der Organisation »Academics for Justice« engagieren?
Die Gruppe entstand aus dem Palästina-Camp in München. Dort organisierten sich besonders, aber nicht nur, Studenten und Akademiker, die sich innerhalb der beiden großen Universitäten Münchens, der Ludwig-Maximilians-Universität, LMU, und der Technischen Universität, TUM, für eine gerechte Politik gegenüber den Palästinensern einsetzen wollen. Wir fordern die Unterstützung geflohener Studierender und Forschender – unabhängig von ihrer Herkunft.
Die Münchner Unis sollen die Menschenrechtsverletzungen Israels an den Palästinensern und Libanesen anerkennen und entsprechende Forschungspartnerschaften mit israelischen Unis, die mit dem Militär verbunden sind, sowie alle weiteren Kooperationen, die gegen internationales Recht verstoßen, beenden. Unseren Recherchen nach kooperiert leider jede israelische Uni mit der Armee. Schließlich fordern wir, dass sich unsere Unis gegen das neue »Gesetz zur Förderung der Bundeswehr in Bayern« einsetzen, um die Forschenden nicht zur Zusammenarbeit mit der deutschen Armee zu nötigen. Im Prinzip fordern wir, dass die TUM sich an ihrem eigenen Leitbild orientiert.
»Academics for Justice« veröffentlichte im Januar einen Bericht zu den Kooperationen der beiden Universitäten mit israelischen Institutionen sowie zu möglichen Völkerrechtsverstößen. Wie entstand das Papier, und welche Auswirkungen hatte dessen Veröffentlichung?
Nachdem wir zahlreiche Akademiker kontaktiert hatten, stieg die Zahl unserer Unterstützer. Darunter sind vor allem ausländische und migrantische Akademiker. Insgeheim solidarisieren sich auch einige Uniprofessoren mit uns. Noch stärker ist die Angst vor Repressionen bei einfachen Dozenten, die große Sorge um ihren befristeten Arbeitsvertrag haben. Auch unsere Mitglieder fürchten um ihre Aufenthaltserlaubnis oder den Verlust ihres Arbeitsplatzes. Daher mussten wir den Bericht anonym veröffentlichen. Unsere Ergebnisse lassen vermuten, dass die LMU und die TUM aktiv an Projekten beteiligt sind, welche internationales Recht brechen. Beide Unis profitieren von der illegalen israelischen Besatzung palästinensischer Gebiete.
Das Papier sollte die Grundlage für eine Diskussionsrunde sein. Dazu kam es aber nicht. Was ist am 20. Januar passiert?
»Students for Palestine« versandte eine Einladung an die TUM-Leitung, an Mitarbeiter sowie an Professoren zu einem Gespräch über die Forschungsaktivitäten der TUM in einer illegalen Siedlung im Westjordanland. Die Studenten erhielten zwar keine Antwort, wussten aber, dass die Leitung Bescheid wusste. Trotz Unsicherheit über das Stattfinden der Veranstaltung betraten wir am 20. Januar das Unigebäude. Auf dem Weg zum Hörsaal stand uns das Sicherheitspersonal gegenüber sowie eine Person aus der Administration. Diese machten uns deutlich, dass wir das Gebäude betreten könnten. Wir ahnten nicht, dass wir hier in eine Falle tappten.
Was für eine Falle?
Als wir den Hörsaal betraten, folgte uns die Polizei und sperrte von außen den Raum ab. Man wirft uns Hausfriedensbruch vor, was nicht stimmt. Hätte man uns aufgeklärt, wäre niemand in das Gebäude gegangen. Die Polizei kontrollierte uns anschließend und nahm unsere Personalien auf. Sogar Leute, die nur aus Interesse am Gespräch dazukamen, wurden kontrolliert. Laut der Polizei haben wir eine illegale Demonstration geplant, was nicht stimmt.
Stimmt es, dass eine unbekannte Person die Einladung versandt hatte?
Aus Angst vor Jobverlust, Exmatrikulation oder Problemen mit dem Aufenthalt blieb die Einladung anonym. Die Unileitung wusste jedoch definitiv über »Students for Palestine« bescheid.
Kam es seither zu Repressionen?
Die Polizei hat unsere Daten. Falls die Uni Ernst macht, könnte sie uns wegen »Hausfriedensbruch« anzeigen – rechtlich hätte sie damit aber kaum Erfolg. Derzeit kursiert ein Brief von Professoren, der unser Anliegen unterstützt und die autoritäre Haltung der Unileitung kritisiert. Uns wird es verunmöglicht, offen und sorgenfrei über die Unterdrückung der Palästinenser zu sprechen. Wir hatten sogar Probleme, nur über das Thema »Islamophobie« zu reden.
Jordan Conolly (Name geändert) arbeitet in München an einem wissenschaftlichen Institut und ist aktiv bei der palästinasolidarischen Organisation »Academics for Justice«
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