General bestellt Reservisten
Von Kristian Stemmler
Die deutsche Generalität drängt weiter an die Öffentlichkeit. Nun mit dem Befund, dass, wenn es darum geht, das Land »kriegstüchtig« zu machen, sich auch »die Wirtschaft« den Bedürfnissen des Militärs unterzuordnen hat. Bedarf angemeldet hat nun Brigadegeneral Hans-Dieter Müller, Kommandeur des Landeskommandos Nordrhein-Westfalen der Bundeswehr. Müller erklärte gegenüber der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) vom Montag, Unternehmen müssten künftig wieder verpflichtet werden, Reservisten für Wehrübungen freizustellen. Das Landeskommando ist die oberste territoriale Kommandobehörde der Bundeswehr in dem Bundesland, ihr untersteht das Heimatschutzregiment 2 in Münster. Die Indienststellung der neuen Heimatschutzdivision des Heeres, die zu den bisher drei Divisionen des Heeres hinzukommt und aus Reservisten und aktiven Soldaten bestehen soll, ist für März geplant. Ihr Kommandeur soll Generalmajor Andreas Henne werden, wie am Freitag bekanntgeworden war.
Müller klagte gegenüber der WAZ, eine Freistellung von Beschäftigten sei bisher »quasi rein freiwillig, da sowohl der Reservistendienstleistende selbst als auch insbesondere der Arbeitgeber einer solchen Wehrübung zustimmen muss«, klagte der General. Dieses »doppelte Freiwilligkeitsprinzip«, für dessen Aufhebung er gegenüber der WAZ plädierte, schränke die »Chancen« für Beschäftigte ein, sich etwa im »Heimatschutz« zu »engagieren«.
Der sogenannte Heimatschutz der Bundeswehr muss im »Ernstfall« die »aktive Truppe« vor allem bei Sicherungsaufgaben entlasten, also etwa im Objektschutz. Müller erklärte, das Interesse am Heimatschutzregiment 2 sei groß. »Wir haben dort seit der Aufstellung im Oktober 2023 bisher rund 2.500 Bewerbungen erhalten«, so der General. 665 dieser Bewerbungen hätten zu einer »Beorderung« geführt. Wegen des Freiwilligkeitsprinzips müssten aber erfahrungsgemäß etwa 4.000 Reservisten eingeladen werden, um mit 1.000 von ihnen üben zu können. Meist könne aus beruflichen Gründen nur jeder vierte einer Einladung folgen. Er rate »perspektivisch«, so Müller weiter, zur Einführung einer »echten« Wehr- oder Dienstpflicht für Männer und Frauen, »um die Personalstärke für die Bundeswehr erreichen zu können, die sie in wenigen Jahren benötigt«.
Der Brigadegeneral beklagte zudem, dass von der »Zeitenwende« noch nicht viel bei ihm angekommen sei. Vom 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen, das Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Frühjahr 2022 nach Beginn des Ukraine-Kriegs angekündigt habe, sei in Dienststellen wie dem Landeskommando Nordrhein-Westfalen noch nichts zu spüren. »Das Geld des Bundes fließt vor allem in Großprojekte wie den Bau von U-Booten und den Kauf des Tarnkappenbombers F-35«, monierte der Militär. Müller halte es für notwendig, die Armee besser auszustatten, schrieb die WAZ, und begründete »dies mit der russischen Aufrüstung und mit der imperialistischen Rhetorik des Kremls«.
Auf seiten der Unternehmen kann Müller offenbar auf Verständnis hoffen. Man sei sich bewusst, dass die »Verteidigung« einen viel höheren Stellenwert habe als früher, erklärte Ralf Mittelstädt, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammern in NRW, gegenüber der WAZ. Mit der »veränderten Sicherheitslage in Europa« sei das Thema bei vielen Unternehmen »ganz oben auf der Agenda«. Wichtig sei dabei, »dass die Wirtschaft in die beginnenden Planungen eingebunden wird, damit sie sich und ihre Beschäftigten vorbereiten« können.
Auch sonst hält die Bundeswehr-PR weiter die deutsche Öffentlichkeit in Atem. Ungeklärte angebliche Drohnensichtungen über dem Luftwaffenstützpunkt in Schwesing bei Husum beschäftigen nun das Landeskriminalamt; es ermittelt in dem Vorgang wegen Spionageverdachts, wie eine Sprecherin am Montag gegenüber dpa bestätigte. Eine Bundeswehr-Sprecherin hatte am Sonntag »eine Mehrzahl an Drohnensichtungen« am Standort Schwesing im Januar bestätigt. Dort werden Soldaten am Flugabwehrraketensystem »Patriot« ausgebildet.
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